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Der Schattenwerfer des Numinosen Die Ausstellung »Hopper- Ein neuer Blick auf Landschaft« in der Fondation Beyeler
Von Wolfram Schütte |
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Zwar trägt die Schweizer Ausstellung den Namen des Malers, aber der Untertitel annonciert, worauf die Veranstalter das Augenmerk der Besucher gerichtet zu sehen wünschen: auf Gemälde, Aquarelle & Zeichnungen, deren Sujet Landschaften sind. Zumeist sind sie menschenleer, oft (allein stehende) Häuser des amerikanischen »Kolonialstils« oder bäuerliche Schuppen oder Leuchttürme an der Küste in der felsigen Landschaft der Neu-England-Staaten der USA, wo die beiden – auch Hoppers Ehefrau war Malerin –, gewissermaßen »vor der Haustür« New Yorks, zeitweise wohnten & regelmäßig ihre Sommerurlaube verbrachten. Obwohl das Ehepaar mit eigenem Auto & der Bahn mehrfach Reisen bis nach Kalifornien & Mexiko vor allem in den Dreißiger Jahren unternahm, haben, zumindest meines Wissens, diese kursorischen geographischen Bewegungen durch die USA in Hoppers Oeuvre keine nachhaltigen ikonographischen Spuren hinterlassen. Man kann deshalb wohl sagen, dass der figurative Maler (bekanntester Opponent der gleichzeitigen »Abstrakten«) als Künstler gewissermaßen mit dem Rücken zu den USA, überwiegend an deren östlichem Rand, stand. Offenbar gibt es von ihm auch weder Akte noch Porträts, dafür aber, gewissermaßen an deren Stelle, jede Menge Porträts von Häusern. Für die Personen in seinen Bildern hätten er selbst & seine Frau Modell gestanden, erklärt der Kurator. Dabei sind die Personen bei Hopper ohne spezifische Individualität oder Physiognomie, sondern eher bloß menschliche Figuren, die durch ihre Körper- & Sitzhaltung & durch ihr unterschiedliches Ambiente archetypisch definiert werden. »Figures in a landscape« eben, wobei ihr Ambiente, wie in seinem (in Basel nicht präsenten) wohl berühmtesten Bild, den »Nighthawks« (Nachtschwärmer), das Ambiente auch bloß die Rundtheke eines Coffeeshops sein kann. Oder in anderen zum einen das Innere eines Zugabteils mit Clubsesseln, in denen Lesende ohne Kontakt zu einander sitzen (Chair Car); und zum anderen eine Hotel Lobby (Titel), mit 4 Sesseln. In einem sitzt eine (jüngere) kurz berockte Lesende, in einem anderen Teil des Raums eine zum Ausgehen mit offenem Mantel & Hut bekleidete ältere Frau, die zu einem gleichaltrigen, neben ihr stehenden Mann aufblickt, der seinen Mantel über dem Arm trägt. Beide warten wohl auf das bestellte Taxi. Es sind solche Ensembles, die als Momentaufnahme ein komplexes Verhältnis unter Menschen darstellen. Einerseits simulieren sie die unaufgeregte Banalität des Lebens & alltäglicher Situationen, wie zum Schnappschuß eingefroren; andererseits provoziert hier das Zusammentreffen der lässig lesenden Blondine mit ihren attraktiven langen Beinen & das entfernt von ihr platzierte ältere (Ehe-)Paar im Aufbruch & in Erwartung des bestellten Taxis, beim Betrachter eine Erzähl-Phantasie, die auf ein Jenseits des Bildes zielt. Wobei auch hier Hoppers Lichtverhältnisse (Oberlichteinfall & Lichteinfall von der Seite) zu beachten sind, weil sie die Szene im Innenraum der Lobby atmosphärisch in ein Hell/Dunkel tauchen & den Raum dynamisieren. Edward Hopper, der gesprächsweise als sein malerisches Ziel bezeichnete, »Sonnenlicht auf einer Hauswand zu malen«, hat jedoch weit öfter die Schatten ins Bild gesetzt, welche Felsen oder Häuser oder Telephon-Masten werfen, auf die Sonnenlicht von außerhalb des Bildes fällt; oder er hat das Gegenteil ikonographisch inszeniert, wie in dem von der Ausstellung dominant verwendeten Bild »Gas«(Benzin). Es zeigt im Abenddämmern drei hinter einander gestaffelte übermannsgroße Tanksäulen an einer einsamen Landstraße, in deren linkem Hintergrund ein dichter Laubwald, während rechts, aus dem Inneren eines hell erleuchteten Häuschen aus dessen zwei Fenstern & der Türöffnung unterschiedlich lange Lichtspuren fallen, die längste reicht an dem Tankwart (hintern der ersten Tanksäule) vorbei bis zu einer vertrockneten orangenen Grasnarbe am Rande der Straße. Es ist wohl das Inbild einer menschlichen Einsamkeit & die Imago einer zivilisatorischen Insel vor dem Hintergrund der befremdlichen Wald-Natur, das dieser Phantasiesetzung Edward Hoppers das enigmatische Rätsel ihrer numinosen Faszination aufdrückt. »Wäre es in Worte zu fassen«, zitiert die Ausstellung Hopper, als er offenbar wieder einmal ablehnte, eines seine Bilder zu erklären, «gäbe es keinen Grund zu malen«. Es ist natürlich ebenso banal wie zutreffend, dass Malen (wie auch Musizieren) dort beginnt, wo Sprache endet – selbst wenn einem Dichter »Gott« die Artikulationsfähigkeit gäbe, »zu sagen, was er leidet«. Für Hopper, der wie Fellini Jungianer war, ist »Kunst in so hohem Maße ein Ausdruck des Unbewussten, dass mir scheint, dass sie dem Unbewussten das Wichtigste verdankt und das Bewusstsein nur eine untergeordnete Rolle spielt«. Es ist die nicht-allegorische, nicht-symbolische Ding-Poesie von Hoppers Landschafts-, Straßen- & Häuserbildern – fernab der geschäftigen, industriellen, sozialen Moderne & Misere -, welche den rätselhaften, nicht entschlüsselbaren Charme seiner farbsatten Landschaftsbilder ausmacht. Selbst wenn er, in den dreißiger Jahren, aus einer Perspektive von unten Felsen & dahinter geparkte Autos zum Sujet wählt, sucht man den bizarren Eindruck des nun wirklich »sehr usamerikanischen« Bildes zu entschärfen, würde man in den einzig sichtbaren Autodächern metaphorisch urtümliche Tiere assoziieren. Als habe die sinistre Phantastik des neuenglischen Horror-Erzähler H.P.Lovecraft, die lokal dort situiert ist, auf die somnambule realistische Landschaftsmalerei Edward Hoppers übergegriffen. So unzweifelhaft Hopper sich von seinen genau lokalisierten realen Vorlagen inspirieren ließ, so wenig darf man von ihm dabei aber Detailtreue erwarten. Es sei sein Ziel beim Malen immer gewesen, »möglichst exakt« seine »intimsten Eindrücke der Natur« ins Bild zu übertragen, also nicht Abbild der empirischen Realität, sondern subjektivste Imago des real Erlebten/Erfahrenen/Gesehenen sind seine Bilder von Landschaften, Häusern, Straßen & Telegrafenmasten. Soweit ich weiß – zumindest gibt die Riehener Ausstellung keinen Hinweis darauf -, ist die Frage, warum die zahlreich bei ihm vertretenen kreuzförmigen Telephonmasten niemals mit Leitungen verbunden sind, unbeantwortet & ob, wie Wenders behauptete, zutrifft & was man daraus dann schließen soll, dass alle Häuser Hoppers keine Glasfenster hätten. (Zumindest spiegelt sich nichts in ihnen.). Auch sind die Titel der Bilder in den allermeisten Fällen schlichte Ortszuschreibungen (worauf das Abgebildete sich bezieht). Irritierend aber an einem Gemälde (»Road and Houses«, South Truro), das im morgend-/abendlichen Licht einige kastenförmige Gebäude in braun-grüner Hügellandschaft zeigt, ist ein befremdlicher kahler Stamm (?), der an der gelb-orangenen Landstraße im Vordergrund steht – von der außerbildlichen Sonne angeleuchtet. Dieses Objekt ist in dem Bild so rätselhaft & befremdlich wie der außerirdische Monolith in Stanley Kubricks »2001-A Space Odyssee). Schien dem Maler diese einzige Senkrechte ästhetisch notwendig, um die wellenhafte horizontale Bewegung der dünenhaften Landschaft zu unterbrechen – wie etwa der Stellwerksturm & ein Signalmast die vielfachen, abgestuften horizontalen Farbschichten in »Railroad Sunset« vertikal durchbrechen?
In der Regel
sind auch die Texte der Bilder-mit-Personen nicht mehr als knappe Angaben zu
dem, was man sieht, z.B. »Summer Evening«, auf dem man eine nachdenklich vor
sich hinblickende, leicht bekleidete Frau sieht, auf die ein mit T-Shirt &
langer Hose bekleideter Mann einredet, während beide auf einer hell erleuchteten
Sommerhaus-Veranda sich an ein Geländer lehnen & rundum schon das finsterste
Dunkel der Nacht herrscht. Rätselhafter ist dagegen der Titel »High Noon« für das Bild eines frontal gesehenen, einstöckigen weißen Sommerhauses vor blauem Himmel mit Zirruswolkenschlieren, in dessen dunklem, türlosem Eingangsbereich eine nur notdürftig bekleidete blonde Frau steht – als sei sie von dem belgischen Surrealisten Paul Delvaux ausgeliehen. Sie hält ihren Kopf so, dass seine eine Seite voll in der Mittagssonne liegt & dadurch ihre andere Gesichtshälfte beschattet. Dagegen scheint das Bild der sich auf einen Tisch stützenden Frau, die aus einem Haus-Erker der sie & das Innere des Erkers erleuchtenden Morgensonne entgegenblickt, mit dem Titel »Cape Cod Morning« hinreichend genau definiert zu sein – wäre die semantische Wiederholung des ikonographischen Schnappschusses nicht gerade durch seine Redundanz verdächtig: als Camouflage eines Hintersinns. Freilich bleibt jede interpretative Auslegung eine subjektive Spekulation – außer der Eindeutigkeit eines erwartungsvollen Blicks aus dem Inneren eines Hauses. Nur einmal unter den ausgestellten Werken hat der Maler durch den Titel eine ironisch-allegorische Spannung zu seinem Gemälde hergestellt. Zu sehen sind zwei nebeneinander platzierte weiße Häuser. Sie sind verschieden groß, beide tiefer gelegen als die sich quer durch das Bild ziehende weiße Balustrade, die sie kategorisch von dem öffentlichen Weg vor ihnen trennt. Die Balustrade wird nirgendwo für einen Eingang unterbrochen & signalisiert Abweisung Sie bietet so wenig eine Zutrittsmöglichkeit, wie beide Häuser, die zwar eine Tür, aber ohne Türöffner haben.
Der Titel »Two
Puritans« wird doch wohl so gemeint sein, dass wir uns, derart »on her own« &
verschlossen, den konservativen Melancholiker Edward Hopper& seine Frau Jo, die
der Riese von einem Mann auch physisch überragte (wie Photos der beiden zeigen)
als zwei alte Häuser vorstellen müssen/sollen.
Artikel online seit 04.02.20 |
»Hopper-
Ein neuer Blick auf Landschaft«
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