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RE: Literarisches Tagebuch
Treffen
"Schau, wer da drüben geht!"
Wir winken lachend, du winkst zurück. Ich nehm meinen Rucksack vom freien Sessel, du bleibst stehen, mager. "Hallo." Die normalen Höflichkeiten, "Wie geht's?" – "Hm", ein Schulterzucken, "es muss."
Kurzes Gespräch, du siehst mich fragend an wie früher, ich übersetze automatisch. Kein Lächeln von dir. Du bleibst weiter stehen, antwortest, solange es Fragen gibt, dann ruckst du mit dem Kopf, drehst dich weg und winkst "Ich muss".
Abrupt.
Welch kleine Gesten als Verrat gelten, für dich.
.
Krawehl, Krawehl!
Taubtrüber Ginst am Musenhain!
trübtauber Hain am Musenginst!
Krawehl, Krawehl!
"Kunst ist nichts anderes als das Portrait einer Idee." Manfred Kröplein.
18-08-2008, 23:01
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 18-08-2008, 23:10 von Mira.)
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RE: Literarisches Tagebuch
Nicht literarisch, mehr Tagebuch ...
18. August 2008
Rückkehr
Der Duft von
Wüstenblumen
in den Kleidern
(ein ganzer Koffer voll)
Fahrscheine
Zwei Eintrittskarten
Das ganze
Erinnerungsalbum
voll neuer Bilder
(ein Vogel
eine Blüte
ein paar Pixel
und du -
immer wieder)
Gedankensaat
Traumwirren
Schlaflose Erschöpfung
Wortfleddereien
Muss mich erst
zurechttasten
Die Ernte betrachten
Mein Lächeln
träumt noch weiter
Die Sehnsucht auch
.
Ich bin ein Fragezeichen
kein Punkt
- Rose Ausländer -
Avatar von Zwielichtstochter
08-10-2008, 20:26
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 08-10-2008, 20:39 von lu.)
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RE: Literarisches Tagebuch
.
Zug
Neonlicht auf Reihensymmetrie,
zwischendurch die Jackenlager;
abgenutztes Polsterschach.
Fixpunkt Mond,
durch ausblicklose Scheiben
kahle Zimmer im Vorüberzieh'n;
im Fenster
bleich gedoppelte Erschöpfung -
ankunftsbar.
(Halbleben)
8.10.08
.
Krawehl, Krawehl!
Taubtrüber Ginst am Musenhain!
trübtauber Hain am Musenginst!
Krawehl, Krawehl!
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11-10-2008, 13:51
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 11-10-2008, 13:52 von Libertine.)
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RE: Literarisches Tagebuch
Fensterrahmenbedingungen
Zwischen Fliegenschiss und Traumstaub
ein Blick durch die Scheibe:
Wie schwebend hängt ein Marienkäfer
zwischen Fäden, spindeldünn,
schwarz gefärbt die Spinnenbeine
im Gegenlicht.
Der größte Akt dieses Tages,
wie beiläufig ein Leben vergeht
- und ich könnte, wenn ich wollte,
nicht nur Staub fortsaugen,
doch wische nur über Glas.
.
... und von den wundersamsten Wegen bleibt uns der Staub nur an den Schuhen. (Dota Kehr)
Avatar von Eddie Haspelmann
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RE: Literarisches Tagebuch
Hier also nun meine literaischen Mitbringsel aus dem Urlaub.
Tagebuchnachtrag 29.09.2008
Zurück zur Unendlichkeit
Wie kann ich so naiv sein, die rauhe, wilde Schönheit des Meeres beschreiben zu wollen?
Welche Worte werden dieser Anmut gerecht? Welche Worte können die weite Unendlichkeit beschreiben, können diese Wildheit in Sätze einfangen?
Das Meer, die Wellen sie rufen mich. Ihre Stimme ist der Wind, der diesen Hauch von Meeresbrise zu mir trägt. Er kriecht durch die Ritzen des Hauses, erhebt seine Stimme und treibt mich an. Lässt mich unruhig werden und zieht mich schließlich hinaus.
Er zieht mich die Straße entlang, schiebt mich den Deich hinauf, bis ich endlich das Land im Rücken habe, es hinter mir gelassen habe und mit ihm die Realität.
Dann endlich liegt das Meer vor mir, die tobenden Wellen in all ihrer Schönheit. Jede trägt ihre Schaumkrone, kann Herrin über Leben und Tod werden. Zu meinen Füßen liegt die Unendlichkeit und ich habe das Gefühl, dass hier die Welt einfach zu Ende ist. Hinter mir kauen die Schafe zufrieden ihr Gras und über mir schwebt eine Möwe dem Horizont entgegen. Ich muss daran denken, dass viele Seelen so frei sein wollen wie diese Möwe, aber ich möchte so frei sein, wie die Wellen, hier am Ende der Welt, wo es nichts weiter zu sehen gibt, als die Unendlichkeit. Das Meer, die wilde Schönheit, hat schon viele Menschenleben erobert, manche haben ihm ihre Seelen geopfert, weil sie in den Himmel wollten. Ich stehe am Ufer, die Wellen säuseln mir zu, gaukeln mir ein Bild von einer besseren Welt vor. Noch einen Schritt. Mit nur einem Schritt könnte ich in die Unendlichkeit gehen, in ihr versinken und niemals mehr auftauchen.
Aber auf mich kann der Himmel noch warten.
Und dann höre ich nur noch das Meeresrauschen, den Gesang der Wellen. Mal ist es ein Plätschern, dann wieder ein Rauschen und Gurgeln. Der immerwährende Gesang des Meeres. Ich schmecke Salz auf meinen Lippen und ich weiß, dass so die Freiheit schmeckt.
Ich nehme den Geruch der Schafe wahr und den des Grases.
Neben mir erhebt sich ein Schwarm Austernfischer in die Luft. Einen Moment lang verdunkelt sich der Himmel und das Meer vor mir, bis die schwarz-weißen Vögel einige Meter entfernt neben mir landen.
Doch dann dringt die Wirklichkeit zurück in meinen Verstand und ich muss dem Meer den Rücken kehren, um mich auf den Weg zurück in die Realität zu machen.
Tagebuchnachtrag 03.10.2008
Fünf Minuten Weltuntergang
Die Wellen rollen schäumend ans Ufer. Beanspruchen immer mehr Raum. Spritzen, schäumen, ziehen sich wieder zurück, um mit neuer Kraft wieder zu kehren.
Der Wind zerrt. Fegt über alles hinweg und treibt die Wellen an den Strand. Dunkle Wolken türmen sich auf, schieben sich vor die Sonne, verdüstern die Welt.
Es beginnt zu regnen. Kleine Tropfen schließen sich den Wellen an, fallen auf das bereits nasse Gras. Der Regen wird stärker, die Tropfen größer. Minutenlang versinkt die Welt im Unwetter. Menschen flüchten in ihre Häuser. Der Wind stürmt, treibt die Regenwolken vor sich her und nimmt sie mit sich fort. Dann ist der Regen vorbei. Die Sonne scheint fahl, milchglasgleich, hinter einer hellgrauen Wolkendecke hervor.
Der Wind weht sanfter. Aber die Wellen rollen noch immer schäumend an den grünen Strand. Erobern zurück, was ihnen genommen wurde.
Wer nicht kann, was er will, muss das wollen, was er kann. Denn das zu wollen, was er nicht kann, wäre töricht. -Leonardo da Vinci-
Wörterwelten
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RE: Literarisches Tagebuch
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Allerheiligen
Oktobertag mit Krähen;
letztes Jahr hab’ ich dich
hier heraufgeschoben.
Dort, wo die Kränze waren,
haben sie Mulch gestreut;
an Blumen hab’ ich nicht gedacht.
Mein Licht
vor den schmucklosen Granit,
dein Name leuchtet am hellsten;
nicht weinen.
28.10.08
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Krawehl, Krawehl!
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RE: Literarisches Tagebuch
29. Oktober 2008 / mittags
...die gedanken am freien tag sind eingezwängt in muster / wieder
holbar warten die leichen im keller neben schrott & altem papier /
vorm spiegel gesessen vor alten gedichten voraussehbar bieder
männische ecken / haut wird heller / stirn umgrabnes revier
zwischen grenzzaunpfosten ohne maschen ohne draht / gespannt
als leine fremder worte / habseligkeiten wässernd im wein
glas zersprungen / ausgewrungen tintet schreibers hand...
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RE: Literarisches Tagebuch
lu ...
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30. Oktober 2008
Keinerseelen
Atemstill-
stand, wieder
entkommener Rück-
spiegel-
blick
(noch bist du mir zu
nah)
Deine kaltkalten Hände, den
meinen
entglitten
(spinn ich Blind-
fäden uns zum
Schutz)
Kann noch nicht an-
denken, nur
fort
Irgendwann vielleicht in
keine Augen
sehen
Eine Kerze entzünd ich,
die nie schien – hattest
dein eigenes Irr-
licht
inmitten der Nebel
.
Ich bin ein Fragezeichen
kein Punkt
- Rose Ausländer -
Avatar von Zwielichtstochter
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RE: Literarisches Tagebuch
Graugrünes Morgenlichtertrinken
auf spielenden Wellen zwischen
jetzt, vielleicht und immer:
entrückt, entrüstet, enthauptet.
Morgentauhäuten, allmählich,
im Schaudern der Brise
ohne Ziel.
Engmaschig in den Wahnsinn,
erwidere ich deinen Blick
nicht, nicht jetzt,
nicht so.
9. 11. 2008 - für M.
Ich bin absolut dafür, daß man Narren von gefährlichen Waffen fernhält. Beginnen wir mit Schreibmaschinen. (Frank Lloyd Wright)
Prinzessin von Kagran
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RE: Literarisches Tagebuch
Tachycardien.
Du!
Nimmst mir die Luft zum Atmen,
drehst mit dem Kopf mir
Inneres zuäußerst.
So tanz ich nackt und atemlos
für Dich, der Du doch
geblendet bleibst.
Du!
Reizableitung.
Im unfehlbaren Algorithmus
bleib' ich PQRST.
*
11. Nov 08
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Prinzessin von Kagran
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