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Ernst Herbeck: Die Vergangenheit ist klar vorbei.

Hrsg. von Carl Aigner und Leo Navratil.
Wien: Brandstätter, 2002.
254 S.;
ISBN 3-85498-164-3.

Es gehört zu den Besonderheiten der Kunsthalle Krems, daß sie neben massentauglichen Klassikern der Moderne - derzeit etwa Paul Klee oder Helmut Newton - immer wieder auch Ausstellungen präsentiert, die nicht den Kassenschlagern gewidmet sind, sondern jenen, die nur begrenzt wahrgenommen werden. Besonders beachtlich war dies im Falle Ernst Herbecks. Schließlich wurde der Gugginger Dichter, der nur dann schrieb, wenn ihn sein Psychiater Leo Navratil dazu aufforderte, zwar von vielen Literaturkollegen und -Kritikern in den Himmel gelobt, die Verkaufszahlen seiner Lyrik blieben aber stets eher bescheiden. Über die Schau anläßlich des zehnten Todes- und 80. Geburtstages konnte man sich daher besonders freuen und sie auch als Beweis sehen, daß in Österreich nicht nur vergessen und totgeschwiegen wird. Ebenso erfreulich ist es, daß zur Ausstellung ein Begleitbuch erschienen ist, da alle Bücher von Herbeck mittlerweile vergriffen sind.

Auf den ersten knapp 110 Seiten des neuen Bandes mit dem Titel "Die Vergangenheit ist klar vorbei" werden Texte Herbecks präsentiert. Die relativ schmale, wenn auch gelungene Auswahl wird ergänzt durch Autographen, die bezeugen, wie diszipliniert Herbeck den Aufforderungen Navratils nachgekommen war (Navratil war es bekanntlich auch, der Herbecks erste Gedichte unter dem Pseudonym "Alexander" publizierte): Schulmäßig präzise schreibt Herbeck, korrigiert wurden die Gedichte im übrigen wenn, dann gleich; eine spätere Veränderung schien dem Dichter unzulässig. Unter den abgedruckten Texten finden sich einige Herbeck-Klassiker, die einen immer wieder aufs Neue emotionell berühren und gedanklich entführen. "Rot ist die Wirklichkeit und der/Herbst. Rot sind manche Blaue Blätter", heißt es da etwa, nachdem die Farbe anfangs "korrekt" dem Wein, den Nelken oder den Lippen zugeschrieben wurde (S. 24). "Typisch Herbeck": Denn viele seiner Texte führen den Leser durch scheinbar sicheres Territorium, um ihn dann plötzlich mit einer Wirklichkeit zu konfrontieren, die der gewohnten Realität nicht entspricht. Besonders eindringlich sind die Textstellen, in denen Herbeck auf seine Situation als psychiatrisch Internierter eingeht: "Wie ein Adler flieht der Rauch der Zigarette./Wohl der Kopf und ganz allein das Auge. .... Wie ein Adler möchte ich gerne sein./da ist die Welt für mich allein." (S. 26)

Neben drei Texten, in denen Herbeck klassische Gedichte von Goethe und Walter von der Vogelweide paraphrasiert, und einigen Übersetzungen sei hier besonders auf den Textabschnitt "Ernst Herbeck und Oswald Tschirtner" hingewiesen: Leo Navratil hatte Tschirtner, einen der bekanntesten Künstler aus Gugging, aufgefordert, zu Gedichten von Herbeck Zeichnungen anzufertigen; in manchen Fällen schrieb auch der Schriftsteller nach einer Zeichnung Tschirtners. Die Ergebnisse, die bereits 1979 unter dem Titel "Bebende Herzen im Leibe der Hunde" im Münchner Verlag Rogner und Bernhard erschienen, kann der Leser nun aufs Neue entdecken - allein diese erstaunlichen, einzigartigen Text-Bild-Kombinationen sind den Kauf des Buches wert.

Im zweiten Teil des Bandes sind dann auf 130 Seiten Texte "befreundeter Autoren" abgedruckt, wobei es in vielen Fällen wohl passender heißen müßte: von Autoren, die an Ernst Herbeck interessiert waren/sind und dessen Bekanntschaft und Nähe gesucht haben. Hier erfährt man einiges über das Werk des Dichters (etwa in dem Aufsatz Roger Cardinals), aber auch über die Person Herbecks und sein Leben in der Anstalt, so zum Beispiel in dem Text von Paul Kersten, der einen Film über den Gugginger Künstler drehte und seinen Besuch in der Nervenheilanstalt beschreibt. Auch einige Texte, die anläßlich des Todes von Herbeck geschrieben wurden, sind in dem Band versammelt (u.a. von André Heller, Iris Radisch, W.G.Sebald, Gerhard Roth und Friederike Mayröcker). Mancher Leser hätte sich zwar möglicherweise etwas mehr von und etwas weniger über Herbeck erwartet. In den Texten Herbecks jedenfalls wird der Leser finden, was jener so grandios in seinem Text "Die Poesie" beschrieben hat: "Die Poesie ist eine mündliche Form der Prägung der Geschichte in Zeitlupe. (...) Die Poesie ist auch eine Abneigung zur Wirklichkeit die schwerer ist als diese." (zitiert nach Ernst Herbeck: Im Herbst da reiht der Feenwind. Residenz-Verlag, 1992, S. 95)

 

Peter Stuiber
29. Oktober 2002

Originalbeitrag

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