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Nun stand Benshi vor ihm, eine Schürze um den dürren Leib gebunden, auf der in großen Buchstaben "BARBECUE" stand.
Auch sonst hatte er Aufwand betrieben – auf einem Tisch waren Soßen und Beilagen angerichtet, in einem großen rechteckigen Grill glühte Holzkohle, und es stand eine Kühltruhe da, die mit Eis, Grauburgunderflaschen und Dosenbier gefüllt war.
Das Einzige, was Keller nirgends entdecken konnte, war das Grillgut.
"Was grillen wir?"
Benshi grinste und wies in den Kanal daneben, in dem Koi schwammen. Er drückte Keller einen Kescher mit langem Stiel in die Hand: "Such dir ein paar aus!"
Keller schüttelte den Kopf und gab den Kescher zurück.
"Spielverderber", sagte Benshi. "Soll ich alter Mann das etwa machen? Ich werde hineinfallen und ertrinken, wenn mir nicht gar den Rücken wehtun."
"Tun Sie sich keinen Zwang an", sagte Keller, der in der Nacht von dünnen Frauenschreien geträumt hatte, die einen Tod ankündigten.
"Sich Zwang antun …", wiederholte der Alte und überlegte, "das tu ich doch nie."
Keller hatte einen schweren Anfall von Scheißdrauf und holte mit etwas Mühe drei Karpfen heraus. Ikeage nannte man das, das Aus-dem-Teich-Heben dieser Geschenke der Götter. Nishikigoi, göttlicher Karpfen, schwimmt die Wasserfälle nach oben und verwandelt sich in einen Drachen. Akzeptanz des Schicksals und Streben nach Exzellenz. Bloßes Marketing-Gerede. Benshi ließ sich die Fische nacheinander geben, nachdem sie Keller getötet hatte, nahm sie aus und schnitt sie ein.
"Ich zerlege gerne", sagte er zu Keller, als dieser mit dem dritten Fisch ankam, und unterbrach für einen Moment sein eifriges Würzen. "Ich habe immer gerne zerlegt.".
"Ja", sagte Keller und erinnerte sich an die Motorsäge, aber die hatte hinterher wenigstens noch funktioniert.
Benshi legte zwei der Karpfen auf den Grill. Keller war über sich selbst ungehalten und zündete sich eine Zigarette an. Er ärgerte sich, dass er trotzdem Humger hatte. Der Alte sah dem Zischen der Fische zu, die Hände vor dem Bauch ineinandergefaltet.
"Was sagst du eigentlich zum Tod, Fischsitter?", fragte Benshi. "Also ich meine, zu deinem Tod, nicht alle Tode, das wäre zu viel."
"Na ja", Keller öffnete eine Dose Bier, "es wird halt sein."
"Der Fischsitter schwimmt immer im Flachen."
(S. 118 f)
© 2018 Milena Verlag, Wien