DIE LEICHE IM KELLER
Albert Hahn lag da, als wolle er im Toten Meer den toten Mann spielen. Die Dunkelheit des unbeleuchteten Weinkellers trug sachte den schweren Körper, und nur die Wölbung eines sehr dicken Bauches ragte ins diffuse Licht, das von der Kellerstiege kam.
Gendarmerie-Inspektor Polt sah auf den ersten Blick, wer da unten lag. Das Tote Meer hingegen kannte er nur vom Hörensagen. In einer Illustrierten hatte er einmal ein Foto gesehen, das einen älteren Mann in schwarzer Badehose zeigte, der sich, auf dem Rücken liegend und offensichtlich schalkhaft aufgelegt, vom salzigen Wasser tragen ließ. Inspektor Polt lächelte unwillkürlich, als er sich an die Bildunterschrift erinnerte: Wahrscheinlich kann er auch mit den Ohren wackeln und andere Dinge, die Enkel erfreuen. Energisch wischte er sich die ungehörige Heiterkeit aus dem Gesicht, ließ die Stablampe aufleuchten und entzauberte die Szene. Plötzlich war der dicke Mann da unten einfach tot, schrecklich tot. (S. 5)
Simon Polt, der gerne ein kleines Gespräch mit Pahlen geführt hätte, wurde vom Wirt unterbrochen, der damit begann, nach der Suppe Schweinsbraten und Schnitzel aufzutragen. Offensichtlich war jeder froh, sich mit dem Essen beschäftigen zu können, ohne eine Rolle spielen zu müssen oder anderen dabei zuzuschauen. Allmählich löste sich die Spannung sogar ein wenig, die über der Tischrunde gelastet hatte. Doch dann öffnete sich die Tür, und ausgerechnet Bruno Bartl betrat den Raum. Niemand, der seine fast schon unterwürfige Höflichkeit kannte, hätte ihm zugetraut, daß er eine Trauergesellschaft störte, und dazu kam etwas noch viel Erstaunlicheres: Bartl war ganz offensichtlich stocknüchtern und zu allem Überfluß einigermaßen gewaschen und rasiert. "Ich wollte nur rasch vorbeischauen, weil ich ja auch sonst manchmal dabei war", sagte er, als wäre damit alles gesagt. (S. 49)
(c) 1998, Haymon, Innsbruck.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
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