Die Wohnung befand sich in einem fünfstöckigen Gründerzeithaus. Das mächtige schmiedeeiserne Eingangstor war das Sinnbild bürgerlicher Wohlhabenheit. Die rechte Front des Hauses setzte allerdings einen Kontrapunkt, denn hier befand sich der straßenseitige Eingang zum Kaiserbründlbad, einer bekannten Schwulensauna. Vom Gang, der in einen Innenhof mündete, zweigten links und rechts Flure ab, die in die Stiegenhäuser der beiden Flügel übergingen. Maria und Phillip studierten die Liste mit den Türnummern. Sie mussten nach rechts und in den letzten Stock. Glücklicherweise gab es einen Lift, eine metallene Box, die wohl in einen ehemaligen Lichtschacht eingebaut worden war, denn ihr Stil passte so gar nicht zum Rest des Hauses. Der Lift ruckte sich viermal auf Position, wobei das vierte Mal so heftig war, dass Maria und Phillip aneinanderprallten. Phillip hielt den Blick gesenkt und hob Maria behutsam, aber bestimmt von sich. Vor zwei Tagen noch hätte er die Situation ausgenützt und sie mit ein paar guten Griffen zu einem Stehfick überredet. Vielleicht war er ja wegen der Zurückweisung heute früh im Auto angefressen. Aber er konnte doch nicht glauben, dass sie ihm bei solch einer unbeholfenen, ruppigen Aktion zu Willen war. Der Mann war ein Rätsel.
© 2009 Rotbuch Verlag, Berlin.
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