"Ein Fußballklub ist kein Sparverein!" sagte Rotter, ohne seinen Kaugummi auszuspucken. Er war dicht zu Haller, dem Präsidenten des FC, getreten. Die Hände in den Hosentaschen, kaute er mit offenem Mund. Er sah ziemlich lässig aus. Mit schläfriger Ironie fügte er hinzu: "Wenn ein kluger Geschäftsmann einen Schilling verschenkt, bekommt er zehn zurück. In jeder Branche. Fragen Sie Georg Susacek."
"Wollen Sie den FC endgültig umbringen?" entgegnete Haller. "Zum hundertstenmal, wir dürfen nicht mehr Geld ausgeben, als wir haben! Fragen Sie die Leute hier, fragen Sie Georg Susacek!"
"Gute Idee!" lachte Rotter. "Fragen Sie Hernn Susi, was er davon hält."
Ich hob abwehrend die Hände. Ehe ich eine diplomatische Antwort gefunden hatte, brach auf den Rängen ein Pfeifkonzert los. Alle Blicke richteten sich auf das Spielfeld. Unsere Spieler schlurften zur zweiten Hälfte auf den Platz. Auf der verfallenen Anzeigetafel zeigten Plastikschilder an: Heim 0, Gast 3. Die Zuschauer buhten und schleuderten volle Bierbecher auf den Rasen. Wir auf der Ehrentribüne blickten einander an und zuckten die Schultern. Die anderen waren gewiß ebenso froh wie ich, daß uns von den Proleten, die unter Gebrüll Trainer und Vorstand zum Teufel wünschten und eine Klubfahne verbrannten, ein meterhoher Zaun und Ordner trennten.
"Tritt zurück, du Koffer", sagte Rotter. "Es gibt Bessere als dich."
"Ich trete nicht zurück! Ich bringe uns wieder hinaus." Haller legte mir die Hand auf die Schulter. "Und ich weiß, daß ich den nötigen Rückhalt habe."
"Bist du auch der Meinung?" fragte Rotter lauernd.
Die Umstehenden blickten mich an. Ich starrte auf Rotters blitzende Gürtelschnalle.
"Eine Generalversammlung", sagte ich. "Dort diskutieren und klären wir alles, so etwas ist ja keine Schnapspartie, die man schnell erledigt."
Im Grunde war der Vorschlag gewagt. Haller konnte fragen, warum ich nicht gleich offen für ihn eintrat. Doch die anderen ringsum murmelten Zustimmung.
"Es geht wohl nicht anders", sagte der alte Haller.
Auf dem Weg zum Buffet zupfte mich Elmar Auer, ein Pelzhändler, der im Vorstand saß, am Ärmel und wies auf den freien Platz neben sich. "Was meinst du, Susi?" frage er. "Was wird passieren? Und was soll passieren?"
"Das kann ich auch dir noch nicht sagen."
Gleich darauf nahm mich Leopold Rotter beiseite. "Wieso hast du den Schwanz eingezogen?"
Ohne um Erlaubnis zu fragen, fingerte ich einen Kaugummi aus Leos Brusttasche. "Bis zur Gneralversammlung mußt du's aushalten", sagte ich halblaut, während ich das Papier abwickelte. "Aber wir kriegen das hin."
Als ich vom Buffet zurückkehrte, bat mich Haller mit einem Wink zu sich. Weil ich zu spät gekommen war, hatten wir noch gar keine Gelegenheit, einander richtig zu begrüßen, und so machte er seinen Hofknicks. Ich knickste ebenfalls und reichte ihm einen Plastikbecher Bier. Die Frage wartete ich gar nicht ab. "Ich bin doch kein Narr", flüsterte ich, "daß ich hinter diesem Zuhälter herlaufen würde."
"Ich hoffe, die anderen sehen das auch so. Wer weiß, was dem Falotten noch alles einfällt." (S. 7ff.)
© 2000, Volk und Welt, Berlin.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
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