Donnerstag, 1. April (1909, München)
Tag wie ein wilder Fiebertraum! Wieder viel kranker! Aber heut' kommt der Zeppelin und da gibt's kein Halten! Schon um 3/4 8 schnurrt das Auto vor der Tür, Olaf sitzt noch im Bad! Ich vergeh' fast vor Aufregung bis er endlich fertig ist. Wir sehen zum 2. Mal, dass der Arenz auf der Insel Eier stiehlt. Alles strömt zur Theresienwiese. Wir sitzen selig in unserem schönen Auto. Fahren dem Zeppelin auf der Pasinger Landstrasse entgegen. Der erste Anblick ist überwältigend. Wie die weisseidne Riesenwurst zielbewusst durch die Luft steuert! Fremde Leut' stürtzen auf unsern Wagen zu und wir umarmen einander schier. Wir fahren schnell auf die Theresienwiese zurück und einen uns dem brausenden Jubelgeschrei und Gewink das den ganzen weiten Plan erfüllt! Oh man könnte laut weinen vor grossem Gefühl über diesen Moment. Das Luftschiff wird vom starken Wind schräg über die Wiese getrieben. Zeppelin winkt zurück! Dann verschindet es hinter den Dächern! Ich will zum Oberwiesenfeld fahren, aber der Olaf und der Chauffeur meinen es sei jetzt fertig. So fahren wir also heim! Ein wütender Sturm bläst! Ich sitz todtelend im Biedermeierzimmer. Da sausen im englischen Garten eine Menge Autos mit Militär vorbei. - Jetzt ist dem Zeppelin etwas passiert! - Ich vergess meine Krankheit und stürtz' davon! Ja - alle Leut' meinen es sei ihm was passiert! Ich reiss' schier das Telephon herunter beim Wirt - kein Automobil in ganz München zu haben! Ich bin nass von wütendem Schweiss! So lauf' ich hinaus in den eisigen Wind und im schnellsten Galopp zum Nazet wo mir die alte Frau ein Pferd verspricht. Und so fahren wir also los dem Zeppelin nach querfeldein über den frühlingsweichen Wiesenboden. Am Aumeister vorbei - am Föhring vorbei - eine wundervolle Lenzfahrt! (S. 268f.)
© 1998, Stroemfeld / Roter Stern, Frankfurt / Main, Basel.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
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