Das Wort Kaufhaus steht zwar deutlich in einer altmodischen Schreibschrift über dem Portal und dem kleinen Schaufenster daneben zu lesen, ist aber dennoch irreführend. In Wahrheit betritt man ein schlauchartiges, halbdunkles Gewölbe, in dem sich zu beiden Seiten jede Menge Holzkisten und Pappschachteln auf dicht gefüllten Regalen türmen, deren System einzig und allein der Inhaberin des Ladens bekannt ist, die von Mehl, Zucker, Wurst und Käse bis hin zu Schreibheften, Fahrradpumpen, Teppichklopfern, Knoblauchpressen, Korkenziehern, Babynahrung, Strümpfen, Pudelmützen, Schuhlöffeln und Brieflosen alles verkauft, was jemand, der nicht weit über Schattenbach hinausgekommen ist, im Laufe eines Lebens benötigt. Jede Bestellung wird von Frau Litschauer sorgsam bearbeitet, die gemessenen Schrittes zwischen ihren Kisten herumwandelt und für ihre Kunden wahrlich alles hat, nur keine Eile. Auf diese Weise scheint sie jene Schattenbacher, die ihr noch die Treue halten und es nicht vorziehen, in einem der beiden Großmärkte am Ortsrand einzukaufen, im Laufe eines langen Lebens zu einer eingeschworenen Gemeinschaft von Stoikern erzogen zu haben, die wissen, dass ein Besuch ihres Kaufhauses kein zwischenzeitlicher Akt, sondern eine lang andauernde Handlung ist. Niemand ist ungehalten, wenn die Litschauerin der Anschaffung eines passenden Hosenknopfs so viel Zeit widmet, wie man andernorts für den Ankauf eines Kleinwagens benötigt. Schließlich weiß man ja, dass sie die nämliche Zeit für einen selbst übrig haben wird, wenn man die Kaffeebohnen frisch von ihr gerieben haben möchte oder sich nicht entscheiden kann, ob man lieber die ungarische oder die billigere heimische Salami aufgeschnitten haben will. Eine Folge dieses kontemplativen Kaufverhaltens ist, dass die wartenden Menschen miteinander ins Reden kommen und der Dorftratsch stets für einen gewissen Geräuschpegel im Raum sorgt. (S. 94)
©2002, Kremayr und Scheriau, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
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