Textprobe:
Letztendlich war alles so banal. Sogar die Liebe war austauschbar. »Wenn das so ist«, dachte Agatha, »dann können mich alle mal. Es kann doch nicht sein, dass man für nichts leidet, dass man alles umsonst ernst nimmt, dass da ein Mann daherkommt und mir jahrelang den Kopf verdreht, bis ich nicht mehr weiß, wo oben und unten ist, der mir die Hirnstränge verknotet und das Gefühlsgarn verzwirnt, bis nur noch Verwirrung herrscht, Verspinnung, Verknotung, Verklumpung. Und dann ist plötzlich alles vorbei, auf einen Schlag, einfach so und natürlich nicht einfach so, all die Jahre, all die Haare, all die Beziehungsfäden, weil er den Knoten gordisch löst. Wie blöd bin ich eigentlich, den hoffnungslosen Filz immer noch entwirren, aufknüpfen, auseinandersortieren zu wollen, ist das Leben vielleicht eine Handarbeitsstunde, schlag doch auch einfach hinein ins Knäuel, zweieinhalb Jahre auf einen Streich, du tapferes Möchtegern-Schneiderlein!«
Vielleicht konnte eine Liebe auch daran zerbrechen, dass eine sich einsperrte und abriegelte und zurückzog und der andere auszog, um das Fürchten zu lernen, dass eine weinte und der andere lachte, dass beide sich veränderten, aber leider in entgegengesetzte Richtungen, dass eine den Luxus Zeit liebte und der andere in einem fort arbeitete.
(S. 55)
© 2016 Czernin Verlag, Wien