Die Verzweiflung des Geldes
Der "steirische herbst" hat einen neuen Intendanten. Gratulieren kann man eigentlich niemandem zu dieser Position, es handelt sich, wie ich mit angemessenem Ernst feststellen muß, um ein kulturelles Himmelfahrtskommando. Es ist halt schwierig, ein Avantgardefestival zu machen, wenn weit und breit keine Avantgarde auszumachen ist. Die alte "Vorhut" ist schon lange eine "Nachhut". Wobei dieser unschöne Begriff aus der Welt des Hauens und Stechens für Vertreter eines gewaltfreien Diskurses ohnehin keinen Gebrauch finden sollte.
Peter Oswald, der neue Intendant, hat zu meinem Erstaunen angekündigt, das bisherige Budget in seinem zweiten Jahr verdoppeln zu wollen. Vielleicht in der Hoffnung, daß dann ohnehin niemand mehr weiß, was er da vollmundig von sich gegeben hat. Überall in Europa, nur nicht in Österreich, ist laut Oswald "Geld geparkt, das verzweifelt darauf wartet, abgeholt zu werden". Also, diese Parkplätze würde ich gerne finden und dem Geld aus seiner Verzweiflung helfen. Liebe Leserin, lieber Leser, falls Sie irgendwo Geld finden, schicken Sie es bitte an mich! Ich verliere meines immer.
Anregend finde ich Oswalds Idee eines Kultur-Parcours, der mit einer Ausstellung beginnt und über Konzert und Theater bis an die Weinstraße führt. Ich werde das Programm abkürzen und gleich nach Kitzeck fahren, wo ich mich intensiv mit Georg Lambauers Weinkultur beschäftigen werde.
Originell ist der Plan, Künstler mit Astrophysik, Quantenmechanik und Biotechnologie zu konfrontieren. Endlich wieder einmal die Schulbank drücken! Und den Herrn Lehrer Oswald ärgern durch obszöne Zwischenrufe, provokante Kenntnislosigkeit und notorisches Nasenbohren.
(S. 27)
© 2003, Residenz Verlag, Salzburg, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.