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Kraus-Symposium und Ausstellung in Jicin 2004

"Karl Kraus in Jicín geboren, in der Welt zu Hause"

In der Geburtsstadt von Karl Kraus, dem tschechischen Jicin, wurde zu dessen 130. Geburtstag ein Fest und ein 3-tägiges Symposion veranstaltet.

  • Lesen Sie einen Bericht von Victoria Lunzer-Talos:

In Österreich pflegt man die Erinnerung an den unbequemen Mahner Karl Kraus offenbar nicht so gerne, gerade 10 Minuten in Ö 1 war die schäbige Bilanz zu seinem 130. Geburtstag. Im Gegensatz dazu widmete seine Geburtsstadt, das tschechische Jicín (damals Gitschin), ihm ein glänzendes Geburtstagsfest: ein 3-tägiges Symposium, eine Ausstellung im Stadtmuseum, die äußere Restaurierung des Geburtshauses, einen festlichen Abend in diesem Haus mit einem Kraus-Programm, und schließlich eine Rückkehr im Bild (mit der Zeichnung Max von Esterles) auf einer neuen Gedenktafel an der Fassade. Österreichs Tat dazu bestand in nichts als einigen kurzen freundlichen Worten unseres Botschafters und die Enthüllung durch ihn dieser Gedenktafel, zu der er und Österreich nichts beigetragen hatten. Die Finanzierung aller Veranstaltungen trugen neben tschechischen nur deutsche Einrichtungen.

Die wichtigste Veranstaltung dieser "Kraus-Tage" war das dreitägige Symposium. Mit Beteiligung vieler namhafter Kraus-Experten bot es einen breites Panorama an Informationen zu Kraus, ergänzt durch einen substantiellen Anteil tschechischer BeiträgerInnen, die ihrerseits das Wissen auch der deutschsprachigen Germanisten bereicherten.

Aus dem allgemein guten Niveau der Krausforschung ist zunächst der Einleitungsvortrag des Doyens der Krausforschung, Kurt Krolop zu nennen. Neue Erkenntnisse boten besonders Friedrich Pfäfflin und Alena Wagnerová (nach ihrem Buch zur Persönlichkeit Sidonie Nádhernýs). Pfäfflin belegte mit neu gefundenen Daten den Beginn der finanziellen Misere des Verlags der "Fackel": Nicht der Nationalsozialismus, nicht Kraus' ungenügende Distanz zu Dollfuß, sondern schon die Wirtschaftskrise Ende der 20er Jahre minderten die Einnahmen aus dem Verkauf der Zeitschrift und der Bücher maßgeblich; auch der mühsame Transfer des Buchlagers von Leipzig nach Prag nach 1933 bracht Kraus Streit, aber keine Einnahmen.
Aus den tschechischen Referaten sind besonders die Beiträge von Sarka Sirová zu Mechtilde Lichnowsky und von Eva Bilková zur ersten tschechischen Publikation der "Letzten Tage der Menschheit" in der engagierten Buchgemeinschaft Druzstevni prace hervorzuheben. Josef Cermáks Ausführungen zu Kraus' frühen Vorträgen in Böhmen setzen exakt in der Folge der zwei Jahre davor im Akademischen Verband für Literatur und Musik in Wien begonnenen Usancen an, etwa den Kartenvorverkauf oder die Tatsache, daß Kraus möglichst ungesehen vom Künstlerzimmer zum Podium kommen wollte.

Neben diesen germanistischen Beiträgen brachten die Gastgeber wichtige lokale Funde und interessante neue Ansätze zur Familiengeschichte ein. Vladimir Úlehla referierte zahlreiche neue urkundliche Details zu Jakob Kraus' Leben und geschäftlichen Aktivitäten in Jicín; zwei Gymnasiastinnen trugen die Ergebnisse ihres Archivstudiums vor - damit lag ein erfolgreicher Versuch der Integration von Jiciner Jugendlichen in die kulturelle Traditionen der Stadt vor. Ein eingeschobenes Kurzreferat von Eva Lososová berichtete über Archivfunde zu Personen namens Kraus, die, wenn sich ihre Verbindung zu Karl Kraus' Vater bestätigen, belegen würden, wie sehr sein Vater noch in den 1850er Jahren durch,die repressiven Judengesetze privat und in seiner beruflichen Entwicklung behindert wurde.

Die kleine, leider knapp befristete Sonderausstellung im Stadtmuseum nimmt die Erinnerung an Kraus zum Anlaß, Aspekte der Geschichte der jüdischen Gemeinde in Jicín zu dokumentieren. Zu beiden Themen präsentiert sie auch neue Dokumente, so die erschütternden Belege für die verzweifelten und letztlich erfolglosen Versuche von Kraus' Brüdern Rudolf und Josef, mittels einer neuerlichen Einbürgerung in ihrer Geburtsstadt 1938 der nationalsozialistischen Mordmaschinerie zu entkommen. Die Dokumente tragen auch Paßphotos der beiden Männer (und ihrer Ehefrauen), von denen allen bisher kein Bild bekannt war. (Beide sehen dem bekannten Altersbild des Vaters Jakob Kraus ähnlicher als dem Bruder Karl). Auch Musterblätter der Papiersackerl-Produktion, Grundlage des Krausschen Wohlstands, sind zu sehen. Die Organisatoren machten selbst auch einen Erfolg daraus: nachgemachte Sackerln wurden als Gastgeschenke bei Symposium und Abendveranstaltung verteilt, am Abend sogar mit einem Datumsstempel.

Bemerkenswert auch der jüngste Fund zur Geschichte der Jicíner Synagoge, eine im Gebälk versteckt gewesene Handschrift vom Stadtbrand 1840, die bestätigt, daß das Gebäude keinen Schaden dabei erlitten hatte (und damit hilft, die erhaltenen Elemente des Baues zu datieren).
Die kompetenten Betreuer von Jicíns Synagoge und jüdischem Friedhof ermöglichten den Symposiumsteilnehmern den Besuch beider Einrichtungen: Auch im Bereich der jüdischen Vergangenheit zeigen sich, mit Unterstützung der Regionalbehörden, Ansätze zur Restaurierung und Pflege.
Diesem Engagement - wenn schon nicht dem aus dem Judentum ausgetretenen Kraus - zu Ehren eröffnete der Prager- und Landesoberrabbiner Karol Sidon die Ausstellung

Das große Bürgerhaus nahe am Hauptplatz, das Jakob Kraus in den 1860er Jahren erwarb und wo die meisten seiner Kinder geboren wurden, ist äußerlich sehr schön restauriert. Im Inneren ist das Haus stark verändert, nur Haustor und Stiegenhaus sind alter Bestand des Architekten Josef Oppolzer, der Innenhof hingegen wurde erweitert und ausgebaut. Dieser Hof war dann Schauplatz des mehrheitlich von jungen Leuten mit Phantasie gestalteten "Gesellschaftsabends bei Kraus": Lesungen, Musik, Kunstausstellung und eine Filmvorführung zu Karl Kraus bezogen auch literarisch nicht so engagierte Jicíner in angenehm-festlicher Atmosphäre ein, und ließen die Knallerbsen vergessen, die einige Jugendliche während der Enthüllung der Gedenktafel platzen ließen.

Die Kraus-Veranstaltungen stellten für Jicín einen weiteren Schritt zu internationaler kultureller Vernetzung dar, trägt man sich doch mit Plänen, mit EU-Unterstützung und in europäischer Kooperation eine Universität zu gründen, die nach einer weiteren bedeutenden Jiciner Persönlichkeit benannt werden soll: Eurouniversitas Wallensteinensis.

Publikationen

Die geplante Publikation wird alle angekündigten sowie auch die kurzfristig eingeschobenen Vorträge enthalten. Sie wird vom Museum der Tschechischen Literatur in Prag herausgegeben werden.

Dazu sind zwei zweisprachige Publikationen erschienen und über das Regionalmuseum (Regionální muzeum a galerie, Valdtejnovo nám.1, 50601 Jicín) erhältlich: Ein hübscher Katalog zur Ausstellung, verfaßt von den MitarbeiterInnen des Regionalmuseums, und ein Buch mit Fotografien des Geburtshauses im jetzigen Zustand und einem Text zur Stadt und zu Kraus von Josef Rodr.

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