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Miriam starrt auf Ihre Beine. Aufstehen, denkt sie. Wenn ich nicht aufstehe, passiert ein Unglück. Sie bleibt sitzen und betrachtet die Menschen vor dem Flughafengebäude. Die Soldaten sind nervös. Sie halten ihre Gewehre verkrampft und blicken immer wieder in alle Richtungen. Der Präsident geht mit langsamen Schritten am Spalier der Offiziere entlang und schüttelt Hände. Der Kinderchor singt. Die Blasmusik spielt. Grässlich, denkt sie. Neben ihr steht einer der Bodyguards und gibt Anweisungen in sein Walkie-Talkie. Er schwitzt. Die Ankunft des Präsidenten ist immer eine heikle Phase der Reise. Sie ist froh, dass sie die Sprache nicht versteht. Die afrikanische Hitze hat das Flugzeuginnere ausgefüllt, Miriams Haut ist feucht, der Kragen ihrer Uniform klebt am Hals. Die Übelkeit trifft sie heftig. Sie kennt das schon, ihr wird jedes Mal übel, wenn sie wütend ist. Steh auf und sag dem Steward, dass wir die Parkposition ändern, denkt sie und betrachtet den Schlepper, der einen großen Abstad zu den Menschen hält und ein wenig entfernt auf seinen Einsatz wartet. Der Steward hätte die Tür nicht öffnen dürfen, er weiß es und tut es doch. Jetzt steht Mobutu Seseko Sese Seko vor dem Kinderchor und legt mit väterlicher Geste seine Hände auf ein paar der Köpfchen. Sie tragen an der Kopfhaut entlang geflochtene Zöpfe, weiße Maschen zieren die Enden. Sese Seko - der Hahn, der alle Hennen besteigt. Die Präsidenten im Kongo tragen solche Titel, und er trät ihn noch, der alternde Mann, dessen Zeit abgelaufen ist. Er weiß es und er hat Angst. Je näher die Rebellen seinem Wohnsitz kommen, desto größer wird der Kinderchor, desto wichtiger die Militärparade, die sich bei jeder Landung des Privatflugzeugs auf dem verlorenen Rollfeld mitten im Busch abspielt. Seit einigen Monaten steigen Kampfjets auf, um das Flugzeug des Präsidenten zur Landung zu eskortieren, Von oben sieht man besser, wenn sich eine Stinger-Rakete im Busch aufrichtet. Das Privatflugzeug im Landeanflug wäre ein einfaches Ziel. Es passiert nie etwas. Irgendwie geht immer alles gut, denkt sie. Trotzdem steht sie auf, endlich. Der Blick auf die Menschenmenge hinter der Absperrung, am anderen Ende des Rollfeldes, erinnert sie daran, dass sie das Essen verpacken muss.
(S. 9f)
© 2011 unartproduktion, Dornbirn.
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