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Leseprobe - Barbara Frischmuth: Bindungen

"Hat denn keine Zeit für mich?" Er schrieb bereits, kam sich witzig vor und selbstironisch, er, der Arme, vom Tod Betrogene, mit dem nicht einmal mehr eine Hure ging. Er konnte sich kaum daran erinnern, wann er das letzte Mal bei einer Hure gewesen war. Aus Neugier vielleicht einmal und ein andermal aus Trotz, gewiß aber war es lange her.
Als er schon umkehren wollte, löste sich eine Gestalt aus dem sachte fallenden Schnee. In einem schmalen weißen Plastikregenmantel, weißen Regenstiefeln und mit einem weißen, langgriffigen Schirm. Sie kam auf ihn zu, und ihm fiel nicht gleich ein, was man in so einem Fall zu sagen hatte.
"Sind Sie frei?"
Sie bot ihm den Arm und ließ ihn unter den Schirm. Er ging neben ihr her, wich nicht einmal mehr den Lacken aus, ließ sich führen. Als sie vor ihrem Auto standen, stieg er gehorsam ein, kauerte sich auf die hinteren Sitze, legte den Kopf auf die Arme und döste vor sich hin. Er fuhr nicht einmal hoch, als sie den Gang falsch einlegte, wollte es nur so rasch wie möglich hinter sich gebracht haben und in einem warmen Bett einschlafen. Als sie endlich da waren und er ausstieg, wußte er nicht mehr, wo er sich befand.
"Wir sind am Fluß", sagte sie, als sie ihm die Stufen zum Eingang eines Holzhauses wies. Es war finsterste Nacht, und er hörte es bloß rauschen.
"Vorne steht es auf Pfählen", sagte sie, nachdem sie Licht gemacht hatte. Er prüfte die hölzernen Wände mit den Fingern.
"Im Wasser?" Er trat an das große, verandaähnliche Fenster, sah aber so gut wie nichts.
"Nein. Darunter ist Platz für das Boot, zum Überwintern. Das Grundstück reicht noch ein paar Meter weiter, bis es ins Wasser fällt." Ihr Gesicht hellte sich langsam auf.
Er legte den Mantel ab. "Wie heißt du?"
Sie kehrte ihm das erste Mal, und im Licht, voll das Gesicht zu. "Otter!"

S. 26/27


Auf der Heimfahrt schaute ich mir Jakob zum erstenmal genauer an.
Einmal griff er beim Schalten nach meinem Knie und lachte dabei, als sei er diesen Witz mir und sich schuldig gewesen. Zu Hause versuchte er dann Malwine so etwas wie eine Kumpanei zwischen ihm und mir vorzuspielen. Dabei trug er so dick auf, daß es eher wie eine therapeutische Maßnahme denn wie ein Spiel herauskam. Mit der Zeit merkte er es selber, und als Malwine in die Küche ging, um das Abendessen fertig zu machen, schenkte er uns beiden wortlos einen Schnaps ein, der dann doch noch so etwas wie Kumpanei bewirkte.
Malwine zieht sich immer um, bevor Jakob nach Hause kommt. Als hätte er ein Anrecht auf absolute Frische und ein mattes Glänzen der Oberfläche. "Warum?"
"Weil dann auch für mich Feierabend ist", sagt Malwine. Und wenn man schon selten wohin kommt, so wie wir?"
Sie zündet Kerzen an, und ich trage das Geschirr hinaus in die Abwasch, die einzige Art von Arbeit, die ich ihrer Fürsorge abgetrotzt habe. Während ich das Geschirr wasche, kann sie Jakob erzählen, was sie tagsüber mit mir erlebt hat. Inwieweit sie sich noch oder nicht mehr Sorgen um mich macht und ob Zeno sich nun endlich an mich gewöhnt hat.
Später dann, wenn sie Musik hören, setze ich mich wieder zu ihnen, wenn es nicht gerade die ewige Barockmusik ist. Und Jakob schenkt mir immer wieder nach, bis ich sentimental werde und ganz in die Musik finde oder halb heulend nach oben flüchte.
Malwine hat Blockflöte gespielt, Jakob Geige, das geht nicht so gut zusammen. Malwine malträtiert Zeno mit der Flöte und Jakob?"jeder ist eben kein Gidon Kremer, kein Pinchas Zukerman. Da hör ich mir lieber Platten an."
Mich hat Mutter kein Instrument lernen lassen. Mich hat sie in den Italienisch-Unterricht geschickt statt dessen. "Sprachen, das ist es, wofür du begabt bist, was soll ich dich jahrelang Tasten hämmern lassen?"

S. 50/51





























































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