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Marlene Mussner: Entwicklung und Schicksal des Französischen im Spiegel von Arthur Schnitzlers Schriften ("Reigen" und "Leutnant Gustl").

Wien: Praesens 2006.
(Studia Interdisciplinaria Aenipontana. 8).
118 S.; brosch.; EUR 24,30.
ISBN 3-7069-0397-0.

Bei aller Hochschätzung des interdisziplinären Ansatzes der nicht germanistischen, sondern romanistischen, nicht literatur-, sondern sprachwissenschaftlichen Arbeit von Marlene Mussner kann eine Rezension an dieser Stelle allein jene Aspekte berücksichtigen, die unsere Schnitzler-Kenntnis bereichern. (Dass die Bedeutung des Französischen für das österreichische Deutsch enorm und Mussners Fragestellung für eine Stilgeschichte der Literatur aus Österreich sowie für ein exaktes Verstehen von deren Texten höchst wichtig ist, kann aber nicht deutlich genug gesagt werden.)

Eine weitere Vorbemerkung: Es lässt sich nur bibliografisch ermitteln, dass das Buch eine (wohl überarbeitete) Diplomarbeit, betreut von Maria Iliescu, ist. Denn seit Neuestem schämen sich die Verlage, gedruckte Hochschulschriften (auch Dissertationen) als solche zu bezeichnen - als ob es eine Schande wäre, Neues im akademischen Kontext herauszufinden, als ob Hochschulschriften nicht lesbar geschrieben sein könnten (ein Vorurteil, das durch diese Arbeit wie durch viele andere widerlegt wird). Stolz sind die Verleger wahrscheinlich auf so fetzig geschriebene wie fehlerhafte Sachbücher ...

Im ersten Teil der Arbeit untersucht Mussner einige französische Wörter aus "Reigen" und "Leutnant Gustl" in Hinblick darauf, ob es sie im Französischen überhaupt gibt und ob sie dort das Gleiche bedeuten wie im (österreichischen) Deutschen. (Überraschend etwa, dass "chambre séparée", durch Léhar bekannter als durch Schnitzler, in französischen Wörterbüchern nicht gebucht ist; S. 19ff.) Dabei stellt Mussner auch (wenngleich nicht systematisch) Überlegungen zum Stilwert dieser 'Fremdwörter' und zum Unterschied zwischen ihrem Gebrauch in Österreich und im 'Reich' an. Sehr weit kommt sie freilich nicht: Einerseits ist ihr Textcorpus doch sehr schmal; andererseits, und das wiegt schwerer, benützt sie nur einen Teil der Wörterbücher für Austriazismen, nicht einmal Hornung für das Wienerische, und insbesondere nicht die zeitgenössischen Fremdwörterbücher; selbst Schulz-Basler steht weder in ihrem Literaturverzeichnis noch wird daraus zitiert. Ebenso fehlen Felix Kreisslers Wortlisten zu den Gallizismen bei Raimund und Nestroy. An manchen Stellen merkt man Unsicherheiten: Z. B. kommt (kam) 'Genierer' wohl kaum isoliert, sondern nur im Fraseologismus 'keinen Genierer kennen' vor (S. 36; nicht in den untersuchten Schnitzler-Texten).
Obwohl Schnitzler für diesen ersten Teil nicht viel mehr als Quelle der Beispiele ist und obwohl Mussners Interesse eindeutig auf den Entlehnungsvorgängen in allen ihren Aspekten liegt, kann der Abschnitt für Schnitzler-Untersuchungen als modellhafte Materialsammlung dienen; und da und dort werden doch auch Funktionen von Schnitzlers Fremdwortgebrauch angedeutet (etwa die Abstufung der Fremdwörter nach dem Bildungsgrad der sie gebrauchenden Figuren im "Reigen").

Der zweite Teil ist ein skizzenhafter Beitrag zur neuesten französischen Sprachgeschichte. Mussner vergleicht Übersetzungen der Schnitzler-Texte ins Französische von etwa 1930 mit solchen von etwa 1990 und beobachtet Unterschiede in der Wortwahl (zunehmendes Eindringen der Umgangs- in die Literatursprache), der Morfologie und der Syntax. (Über das Problem des Übersetzens in großer zeitlicher Distanz zum Ausgangstext denkt sie dabei nicht nach.) Dieser an sich interessante Abschnitt kann nicht Gegenstand einer notwendiger Weise auf Schnitzler sich konzentrierenden Besprechung sein.

Am Ende stellt sich doch die Frage, ob man eine Diplomarbeit - selbst eine so intelligente wie diese - drucken soll. Denn sie kann als Prüfungsarbeit nur eine sehr begrenzte Textmenge analysieren und nicht allen Aspekten des Problems nachgehen. Eine Erweiterung der Untersuchung, die dann interdisziplinär nicht nur zwischen Germanistik und Romanistik sowie synchroner und diachroner Sprachwissenschaft, sondern auch zwischen Literaturwissenschaft und Sprachwissenschaft sein sollte, wäre willkommen.

Sigurd Paul Scheichl
19. September 2006

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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