Wenn ich genügend Geld hätte, würde ich als Allererstes ein Auto kaufen. Der Wind blies kräftig, ich fror in meinem dünnen Mantel. Ein Auto und eine gescheite Winterjacke. Ich verschränkte die Arme vor dem Oberkörper und marschierte flotter. Eine Familie kam an mir vorbei, Mami und Papi starrten mich an, die Kinder lachten und zeigten mit dem Finger auf mich. Es dauerte, bis ich begriff, dass ich noch die Schminke im Gesicht hatte. Ich zog die Schultern hoch und versteckte meinen Mund im Mantelkragen. Wenn ich erst jeden Abend auf dem Fernsehschirm war, würden mich die Leute auf der Straße auch anstarren. Ich hob den Kopf. Das war es, was ich wollte. Man sollte mich erkennen. Ich hatte die ewigen Erklärungen zu meinem Beruf satt. Erst hoben die Leute anerkennend die Augenbrauen, wenn ich "Schauspielerin" sagte, und dann fragten sie, wo ich denn zu bewundern wäre. Meine Standardantwort: "Ich möchte kein fixes Engagement, will flexibel bleiben, solange man jung ist, muss man das ausnutzen." Zum Heulen! Ich hatte seit fast einem Jahr gar kein Engagement, und so jung war ich auch nicht mehr. Dann natürlich die obligatorische Frage: "Warst du schon mal im Fernsehen?" – "Ich bin Theaterschauspielerin, Fernsehen hat nicht den gleichen Stellenwert für mich. Aber ja, ich hab im Tatort mitgespielt." – "Die Leiche? Hahaha." An dieser Stelle stimmte ich stets ins Lachen ein, verschwieg, dass ich tatsächlich nach einem halbminütigen Auftritt erdrosselt wurde – aber hey, werden Sie mal erwürgt, wissen Sie, wie schwierig das ist? – und dass ich natürlich eine Fernsehkarriere wollte!
Und wenn es nicht anders ging, dann eben über die Werbung. Ein Zweijahresvertrag! Das erste Mal in meinem Leben, dass ich eine gesicherte Arbeit für mehr als ein paar Monate hatte. Und keine Geldsorgen, keine Geldsorgen! Halleluja!
Jetzt musste nur noch das lästige Stimmchen aus meinem Ohr verschwinden, das säuselte: "Vielleicht haben sie dich ja genommen, weil sie sonst keine Blöde gefunden haben?"
Mein Magen knurrte hörbar. In diesem Moment war ich sicher, dass ich mich richtig entschieden hatte. Und dumme kleine Stimmen im Ohr gehörten einfach verboten.
© 2010 Argument Verlag, Hamburg.
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