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Elisabeth Klar: Himmelwärts.

Leseprobe:

"Sie haben das jetzt wirklich durchgebracht", sagt er [Jonathan]. "Das Vermummungverbot. Es wird schon zu einer Demo dagegen aufgerufen. Bald werden sie Demos auch verbieten. Dann ist Ruhe. Dann kommen sie die Schwuchteln holen, und dann bist du mich auch los."
Nein, die Schwuchteln werden sie nicht als Nächstes holen, denkt sie und setzt sich zu ihm aufs Bett. Sie nimmt ihm das Radio weg, schaltet es ab, kramt unter der Decke die Packung Schmerzmittel hervor und legt sie Jonathan in den Schoß. Als nächstes holen sie Leute wie mich. Das Paar aus dem dritten Stock haben sie schon, weil man die leichter findet. Da gibt es einen abgelehnten Asylantrag, man weiß, dass die da sein müssen, man muss sie nur abholen. Sylvia ist unsichtbarer. Weiße Haut und rostrote Haare. Nicht die übliche Fluchtgeschichte. Kein Akzent. Aber eine Diebstahlsanzeige – eine Haut ist abhandengekommen, sie hing in meinem Garten, und dann hat ein Fuchs sie weggerissen, hier die Beschreibung des gestohlenen Guts.
(63)

Und dann hat er [Feo, ein Aktivist] angefangen zu reden, davon, wie schlecht die CO2-Bilanz derart großer Staudammprojekte in Wahrheit ist, wegen der ganzen Abholzung und weil sich durch das Verfaulen der Stammreste in den überfluteten Gebieten zu viel Methan bildet. Davon, dass durch die Veränderung des Flusslaufs indigene Familien plötzlich den Fluss und damit ihre primäre Lebensgrundlage verloren haben, dass die Trockenlegung dieses Gebiets, der Volta Grande, für die Konzerne aber total praktisch ist, weil sie dann dort endlich eine Goldmine hinstellen können. Er hat davon erzählt, dass die Behauptung, man brauche den Staudamm für die Energieversorgung Brasiliens, eine reine Lüge ist, weil dafür die Sanierung der bestehenden Stromleitungen ausreichen würde, dass es in Wahrheit um billigen Strom für die Industrie geht. Dass die Strompreise in Altamira absurderweise gestiegen sind. Hat dann angefangen zu erklären, wie das Staudammprojekt mit der Drogenkriminalität, dem Menschenhandel und Landraub zusammenhängt, welche Aktivisten warum ermordet worden sind, was das Ganze mit dem Anstieg der Gewalt an Frauen zu tun hat, warum die Mieten in Altamira so teuer sind, obwohl es dort kaum Arbeit gibt, kaum Perspektiven. (98f.)

Jonathan schläft, als sie aufsperrt, sie legt sich neben ihn. Es kommt ihr komisch vor, fast falsch jetzt, wo sie nicht mehr die Flügel wegdrücken muss oder unter sie kriechen. Jetzt, wo sie wieder eine Decke braucht. Zwei Stummel sind noch da. Wie Griffe eines Fahrradlenkers, die von seinem Rücken abstehen, sagt Ronaldo. Jonathan sagt nichts dazu.
Jonathans Mund ist offen, er sabbert auf das Leintuch. Er ist ohnehin über kaum mehr etwas wütend, denkt sie, meistens dreht er sich nur um und schläft weiter. Ronaldo sagt, er mache sich Sorgen, und fragt bei ihr nach, wie es Jonathan geht, fragt ihn selten selbst.
Du musst dich um ihn kümmern, Sylvia.
Muss ich das?
Sie hat ihn ins Krankenhaus gebracht, sie hat ihn dort besucht, sie hat ihn abgeholt. Sie hat ihm Essen hingestellt, sie hat es weggeräumt, sie hat ihn ein oder zwei Mal auf Spaziergänge mitgezerrt. Er hat sie machen lassen.
Unruhe in ihren Beinen, sie zucken, manchmal würde sie ihn gerne vom Bett stoßen. Weil da etwas ist, das macht, dass sie all das für ihn tut, und sie versteht es nicht. Das ist nicht nur, weil sie sein Ohr beißen will, oder aufbügeln, es fehlt hier etwas, und sie kann es nicht benennen. Vom Bett stoßen will sie ihn manchmal. Sie tut es nicht. Die Katze springt stattdessen auf das Bett, kommt zu ihr, stößt ihren Kopf an Sylvias, schnurrt.
Du solltest vor mir weglaufen, Katze.
Sylvia fasst sich an die Innenseite des Unterarms. Dorthin, wo sich die Haut nie ganz geschlossen hat, eine ganz kleine Stelle nur, an der sich das Fell herausdrückt. Wenn sie dort nur ein wenig ritzte, würde alles aufreißen. Es spannt.
(114f.) 

© 2020 Residenz Verlag, Salzburg-Wien

 

 

 

 

 

 

 

 

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