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Tonio Schachinger: Nicht wie ihr.

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Roman.
Wien: Kremayr & Scheriau, 2019.
304 Seiten; geb.; Euro 22,90.
ISBN: 978-3-218-01153-2.

Autor

Rezension


Leseprobe:

1

Wer keinen Bugatti hat, kann sich gar nicht vorstellen, wie angenehm Ivo gerade sitzt. Er streckt die Beine aus und schaut durch seine Sonnenbrille nach draußen auf den Platz vor dem Merkur, wo nichts ist, nur eine Telefonzelle und ein leerer Käfig. Er hätte gar nicht mit dem Bugatti kommen sollen, aber er ist froh, es gemacht zu haben, weil durch den Bugatti alles besser wird, die Fahrt her, die Fahrt zurück und sogar das Warten. Bugattis sind Autos für Leute, die nicht warten, und sie alle, die, die keinen Bugatti haben und die, die keine Zeit haben, in ihrem zu warten, verpassen etwas. Ivo würde gerne für immer so in seinem Bugatti sitzen. Die Mittagshitze sieht durch die verdunkelten Scheiben aus wie früher Abend und die 33 Grad, die es draußen angeblich hat, erreichen den Innenraum des Autos nicht. Ivo stellt sich vor, wie das von außen aussieht, ein schwarzer Bugatti, ganz alleine irgendwo im 20. Bezirk, wie ein Raumschiff aus einer anderen Welt, das von der Sonne nicht berührt wird; eine Black Box, die alle anschauen, ohne reinsehen zu können, eine Fata Morgana in der heißen, flimmernden Luft. Wer jetzt aus dem Merkur kommt und ihn sieht, wird glauben zu träumen, außer es ist Jessy, die wird Ivo sagen, dass er nicht mit dem Bugatti hätte kommen sollen. Ivo lässt seinen Blick über den Platz schweifen. Für einen Moment rinnen ihm die Hitzewellen als Kälteschauer über den Rücken, und er lehnt sich noch weiter zurück.Die Türen vom Merkur gehen auf und heraus kommt nicht Jessy, sondern ein Mann, irgendein fades Opfer mit Stoffsackerl, und natürlich schaut er her, aber nicht wie jemand, der mitten in der Wüste eine Oase sieht, sondern wie jemand, der Scheiße riecht. Er hält sich eine Hand vor die Stirn, als würden die goldenen Felgen ihn blenden, und verzieht seinen Mund. Soll das ein Lachen sein? Ivo setzt sich ein bisschen auf und kneift die Augen zusammen, um ihn besser zu sehen, aber das hätte er nicht machen müssen. Er könnte sogar noch 30 Meter weiter weg stehen und ein Brett vor dem Kopf haben und würde trotzdem das Gleiche wissen: dass dieser Typ einfach ein Hurenkind ist. Er sieht es an der Art, wie der den Mund seitlich verzieht, wie er lacht, ohne ein Geräusch zu machen. Er sieht, dass der Typ nicht echt ist.Der Mann holt sein Handy heraus, lehnt sein Stoffsackerl gegen die Wand, macht ein Foto, und Ivo sieht seinem Gesicht an, dass er überlegt, was er Witziges dazuschreiben soll, bevor er es hochlädt. »Du Hurenkind«, sagt Ivo, und die Entspannung fällt von ihm ab, »du dummes, dummes Hurenkind.«

(S. 5f)

7
Ivo sieht aus dem Fenster, wo die Gebäude genauso unbeteiligt vorbeiziehen wie in der Nacht davor. Sie wissen nicht, wer er ist und wer er gestern war und schon gar nicht können sie seine Gefühle sehen, seine Aufregung und sein Kopfweh. Gut, dass er nicht mit Mirna geschlafen hat.
Gleichzeitig haben der weiche Körper, den er bei der Halbumarmung gespürt hat, und der Ausdruck in ihrem lachenden Gesicht nur dazu geführt, dass er noch mehr mit ihr schlafen will. Und Mirnas Hand auf seiner im Taxi sagt ihm, dass es ihr genauso geht. Ich bin ein freier Mensch, ich kann treffen, wen immer ich will. Aber Jessy darf es nie erfahren. Sie fände es vielleicht sogar schlimmer, dass Ivo nicht mit Mirna geschlafen hat, sie, die am besten weiß, wie notgeil er ist, wie übersexualisiert, vom zu frühen Porno schauen, wie sie sagt. Das wär, wie wenn ein Alkoholiker in eine Bar geht und dort einen ganzen Abend lang Spaß hat, ohne zu trinken. Nein, es wäre noch schlimmer, wenn er mit Mirna geschlafen hätte. Es wäre schlimmer, als nur zu reden, und trotzdem ist nur mit Mirna zu reden eigentlich schlimmer, als egalen Sex mit irgendwelchen 20jährigen Models zu haben.
Ivo lässt sich nach hinten sinken und gerät in einen stressigen Traum, wo er jemanden ganz nah an dessen Gesicht mit explosionsartigem Zorn anschreit oder dieser Jemand ihn, bevor er gefühlte zwei Sekunden später in einer lang ausgleitenden Kurve einer Autobahnabfahrt aufwacht. Er checkt den Inhalt seiner Taschen und richtet alles so zurecht, dass die Musik genau dann einsetzt, wenn er mit seinem Rollkoffer in der Hand losgeht.

(S. 25f.)

© 2019 Kremayr & Scheriau, Wien

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