Leseprobe
Nach einem Zögern, in dem er sein Gesicht so ins Licht dreht, dass ich erste Konturen erfassen kann, löst er sich vom Treppenabsatz und kommt auf mich zu. Streckt seine schlanke, behaarte Hand aus, versucht ungezwungen zu lächeln und stellt sich höflich vor. Ich lasse den Strumpf hinter mir fallen, wische die feuchte Handfläche an meinem steifen Jeansrock ab und erwidere seinen enttäuschend weichen Händedruck. Arbeiter in der Fabrik kann er nicht sein, denke ich, als ich seine blasse, saubere (nach Seife riechende!) Hand loslasse und warte, was nun geschehen würde. Wer hat in dieser Gegend jemals so weiße Hände gehabt, frage ich mich. Weiße Hände am Land, das haben nicht mal die Lehrer, die Richter, die Ärzte. Das Grobe, um das kommt hier niemand herum. Hier werden die Hände unweigerlich braun: auf den Straßen, auf den steilen Feldern, in den Ställen, in den Vaginas der minderjährigen Töchter. Ich wage nicht, an ihm hochzusehen, seine Kleidung zu inspizieren, seine Augenfarbe zu ergründen, und tue es dann doch, da er viel zu nahe an mir stehen geblieben ist und keine Anstalten macht, mehr zu sagen, als seinen komischen Namen:
Alain Bonmot.
(S. 59)
© 2016 Luftschacht, Wien