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Franzobel: Rechtswalzer.

Leseprobe:

– Den Ehering muss ich Ihnen abnehmen.
– Wieso? Nein! Ich trage den seit der Hochzeit ... Elvira, meine Frau, sagt, es bringt Unglück, wenn man ihn herunternimmt.
– Wollen Sie sich lieber den Finger abschneiden lassen?
Während Malte am Ring zog, telefonierte der halslose Zwerg, sagte etwas von Zugang, Österreicher und freier Zelle. Rhabarberrhabarber. Nachdem er aufgelegt hatte, blickte er Malte an und sagte:

– Wir haben Glück, in Trakt sechs ist ein Platz bei einem Österreicher frei.
– Ich bin eine echter Glückspilz! Malte bearbeitete immer noch den Ring. Elvira wird das nicht gefallen.
– Wäre Ihnen eine Zehnmannzelle mit Schwarzafrikanern oder Osteuropäern lieber? Die würden sich über so ein hübsches Büberl freuen. Wir haben hier eine Belegung mit achtzig Prozent Ausländern.
Büberl? Ich bin achtunddreißig!

– Der Ring geht nicht ab.
– Kaltes Wasser! Der Beamte zeigte auf ein Waschbecken, und es funktionierte tatsächlich. Über dem Wasserhahn hing ein Plakat der neuen Regierung. Schwarze Füllfeder und Hammer auf gelbem Grund in einem Mauerring – »LIMES« stand darüber. »Wir für Euch«, »Der wahre Sozialismus«. War politische Werbung in öffentlichen Gebäuden nicht verboten? Die neue Regierung hatte nicht bloß eine Wahl gewonnen, sondern die Macht ergriffen und damit begonnen, den Staat nach ihren Vorstellungen umzugestalten. Das, was die türkis-blaue Regierung ein paar Jahre zuvor angedacht hatte, wurde von LIMES in Windeseile umgesetzt: neue Verfassung, ein nationales Glaubensbekenntnis, jede Beleidigung staatlicher Symbole wurde bestraft, alle Medien hatten sich gegenüber einer Regierungsbehörde zu verantworten, Sozialhilfeempfänger mussten gemeinnützige Arbeit verrichten, Kinder von Flüchtlingen kamen in Erziehungslager ... Malte hatte von diesen Maßnahmen gehört, aber da er davon nicht betroffen war, war ihm der Protest der Künstler und Randgruppen wie ein pawlowscher Reflex erschienen. Keineswegs war er mit allem einverstanden, hatte jedoch kaum Veränderungen festgestellt, außerdem gab es Steuererleichterungen, mehr Kindergartenplätze, höhere Pensionen, billigeres Benzin ..., aber jetzt, da er diesem Staat ausgeliefert war, begann er zu ahnen, was das alles bedeutete. Interessanterweise ängstigten ihn weder die dicken Mauern noch die Gitter oder gleichgültigen Beamten, sondern dieses Plakat, die Selbstverständlichkeit, mit der es hier über dem Waschbecken hing.

(S. 61-62)

© 2019 Zsolnay Verlag, Innsbruck Wien

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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