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Leseprobe: Julian Schutting - "Jahrhundertnarben."

Im Nebenzimmer

sei er versteckt gewesen und habe durch die einen Spalt offenstehende Tür mitanhören müssen, wie seine Frau unter den Schlägen der Gestapo-Männer alles, aber auch alles, verraten habe -
würde einer, der mitanhören müßte, wie sie seine Geliebte schlagen, nur eines wünschen können: sie solle ihn, ihre Freunde und Verwandten möglichst rasch durch ein allumfassendes Geständnis zum Tod verurteilen, ins Gefängnis bringe, zur Deportation bestimmen, solle sie alle miteinander, welchem Schicksal auch immer, schon preisgegeben haben, damit nur endlich kein Schlag mehr zu hören ist, nicht länger ihren Schreien entgegenzubangen wäre,
ja würde er unter der Folter der auf die Geliebte niedergehenden Schläge sein Versteck auch schon verlassen haben und für sie gestehen, gestehen auch das, was sie nie gestehen könnte, weil sie nichts davon weiß, damit nur ja jeder weitere Schlag in ihr Gesicht unterbleibt?
kann einer, der mitanhören muß, wie seine Frau geschlagen wird, selbst dann noch, als sie zum erstenmal aufschreit, bangen und beten, sie möge standhaft sein und nicht ihre Kinder verraten, sich lieber erschlagen lassen, als die Genossen zu nennen, ja sie solle, ehe sie schwach würde, unter diesen Hieben tot zusammenbrechen, damit nicht alles umsonst gewesen sei, nicht der Tod der standhaft Gebliebenen und auch nicht seine Qual, daß er sich nicht rührt, sich nur die Ohren zuhält, während sie halb erschlagen wird?
in solchen vor Ohnmacht und Entsetzen bald nur mehr als ein Albtraum durchlebten Augenblicken müßte man vielleicht auch noch eines bedenken: derjenige, welcher die eigene Frau so schwer leisen hören könne, statt aller Vernunft, Ideale und Moral vergessen, während des ersten Hiebes oder Schreies auf ihre Peiniger loszustürzen, sei nur eines wert: ohne Verhör zur Strafe erschlagen zu werden!
(und noch weniger wäre in einem Film wiederzugeben, ohne daß die gleich wahre Begebenheit zu verfilmter Kolportage herabgewürdigt würde, was einem österreichischen Widerstandskämpfer zustößt, der mit falschen Papieren in Paris lebt: ein Fahrzeug der deutschen Wehrmacht nimmt ihn vom Stadtrand ein Stück Weges mit, wobei er durch einen Sprengstoffanschlag akkurat auf dieses Fahrzeug das Augenlicht verliert. Tage später kommt endlich der Genosse zu ihm ins Hospital, der über geheime Pläne instruiert werden muß. an dem Geflüster kann er nicht erkennen, daß ihm mit Notizbuch und Bleistift ein Fremder gegenübersetzt. an die zwanzig Namen und Adressen gibt er preis.) (S. 82f.)

© 1999, Residenz, Salzburg, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

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