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Leseproben: Erwin Uhrmann - "Der lange Nachkrieg."

"Allmählich tauscht man jeden Lebenden gegen einen Toten aus", sage ich. Carla drehte sich um. Carla, man könnte den Tod im Plural denken."

"Mein Zustand war schal, aber ich konnte nichts anderes erzwingen, also versuchte ich zu onanieren. Ich zog mein Glied in die Länge, als mir der Dicke aus dem Traum einfiel. Es gelang mir nicht, an Stimulierendes zu denken. Sah ich den nackten Körper einer Bekannten sich vor mir aufbäumen, mischte sich der Dicke hinein. Der Wecker hätte noch zwei Stunden nicht geläutet. So früh hatte der Tag begonnen, dass ich nicht wusste, wie ich den frühen Morgen verbringen sollte.
Eine Zeitlang wartete ich einfach nur. Meine Augen brannten. Für alle Städte war es noch zu früh. Schaltete das Radio ein. Sieben Tage hintereinander war es schwül. In der Gasse gegenüber gab es einen Wohnungsbrand. Und weil sich der Rauch in meinen Vorhängen verfangen hatte, spürte ich diesen noch, bis ich auszog, in der Nase.
"Du könntest deine Vorhänge ja waschen", sagte Mutter am Telefon."
(S. 62)


Ich las den Brief zwei Mal. Was Nenad schrieb, klang nicht wie das Belgrad, das ich kannte. Die akzeptierten Schwarzmärkte, die Bohemiens in den freakigen Nachtlokalen, die Mafia im Hintergrund. Hier war der Mief einer Wunde zu ahnen. Ein Brocken aufgehackten Fleisches, das da unten in Europa vor sich hin stank. Das Kosovo, Bosnien, die unter ihren Leichentüchern Schimmelpilze ansetzten. Belgrad der Wunderherd.
Der Unternehmensberater-Onkel von Nenad hatte mir erzählt: "Auch Slowenen entdecken Belgrad wieder. Das war einmal die gemeinsame Hauptstadt. Zum Jahreswechsel ist die Stadt voller junger Slowenen. Belgrad ist das Amsterdam von Südosteuropa an diesen Tagen." Und hinter dem Jargon verbargen sich blutige Jahre. Wie hinter meinem Studium das Soutterrain von Internatsräumen dahinmiefte und den Moder in mein Leben trieb. Die Schimmelpilze wuchern und wuchern und sie stinken auch, und wenn man zu viel davon einatmet, ist man benebelt. Und wenn ich einmal zu faul bin, den Schimmel zu entfernen, dann muss ich alle Kraft anwenden, damit ich nicht selbst davon befallen werde. Wie hinter den Rücken der Großmütter der Krieg brannte und flackerte. Nicht einmal daran denken, dass man schon einmal vorher gelebt hat."
(S. 166-167)


© 2010 Limbus Verlag, Hohenems

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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