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Leseprobe: Cordula Simon - Ostrov Mogila

Ich hatte kein Satellitentelefon, ich hatte nur noch dieses wackelige Internet, das das Hochladen meines Clips schon wieder verhindert hatte. Ich entschied, dass er zu lang war. Ich würde einen neuen aufnehmen, ich schaltete die Kamera ein, der Boden bebte, brach an einer Seite und ich schob mich mit meinen Fersen zurück unter meinen kleinen Schreibtisch, um nicht abzurutschen, die Aufnahme musste schnell gehen und alles Wichtige enthalten. Ich wischte mir die feuchten Augen ab. Ich versuchte, nicht zu schnell zu sprechen und nicht zu viele Wörter zu verschlucken. Immer wieder sagten mir Leute, ich würde zu viele Wörter verschlucken, wenn ich nervös war. Draußen tobte der Sturm, ich versuchte, auch laut genug zu sprechen, denn der Lärm war entsetzlich, während ich sprach zerbarst mein Zimmerfenster. Dann klickte ich schnell auf hochladen und beobachtete den Fortschrittsbalken, der mir wie immer viel zu langsam schien, aber selbstverständlich noch viel langsamer als sonst. Dieser beschissene grüne Streifen bewegte sich kaum, das Video war doch kaum ein paar Sekunden lang, es würde ohne Verzögerungen streambar sein, aber der Upload war zu langsam. Die ganze Stadt würde sterben in dieser Scheißkatastrophe, dachte ich kurz, bevor ich mir und dem Fortschrittsbalken vorbetete: "Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte ..." ohne damit aufzuhören, bis es endlich geschafft war. Ich war erleichtert, atmete durch, hörte aber ein lautes Krachen von draußen, dem sofort ein nervöser Schluckauf folgte. Fick dich doch, hätte ich gerne zu dem Geräusch gesagt, aber ich wagte nicht aufzustehen und ans Fenster zu treten, weil es nun kein Glas mehr hatte und es damit keine Barriere mehr zwischen mir und der fremden Katastrophe draußen, die nicht aus Beben und kaputter Satellitenschüssel bestand, gab. Ich schaltete den Videoclip ein, um zu kontrollieren, ob man mich hören konnte. Vielleicht würde es jemand sehen, der etwas tun konnte. Mein Gesicht auf dem Bildschirm wirkte blass und zerstört. Echt abgefuckt, dachte ich, ich hatte alles gesagt, was ich zu sagen hatte:
"Ich nehme an, dass das das Ende der Welt ist. Der Himmel ist finster und der Regen hört nicht auf, die Erde bebt, meine Straße ist gerade auseinandergebrochen, der Boden hat sie auseinandergezogen, eine Frau hat versucht davonzulaufen, vor der Lücke, die immer größer wurde, das sah noch irgendwie komisch aus, dann war der Riss schneller, der Asphalt hat sie gefressen. Ich weiß nicht, ob diesen Clip noch jemand zu sehen bekommt, es gibt Gaslecks in der Stadt, Brände sind ausgebrochen, ich weiß nicht, wie lange wir noch Strom und Internet haben. Wenn das jemand sieht: Bitte schickt Hilfe. Falls das mein letzter Eintrag für immer ist: Antonio, es tut mir leid, ich liebe dich." Dann schlug der Blitz ein.

S192ff.


































































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