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Carlos Peter Reinelt: Willkommen und Abschied.


Leseprobe:

Verdammt, das Kind schreit sicher schon seit 2 Stunden. Ich halt’s nicht mehr aus. Aber noch viel schlimmer wie das Kind ist die Alte. Ihren Klagegesang erträgt doch kein Mensch. Würd ich ein bisschen näher bei ihr stehen, ich schwör, ich würd ihr eine reinhauen. Diese elenden Klagelieder. Wo soll dein scheiß Allah denn sein? Hat er uns nicht aus unserem eigenen Land vertrieben?
Aber die da checkt das natürlich nicht. Wieso auch. Drüben wollt’s auch keiner glauben, aber ich hab’s ja schon immer gesagt. An so einen Schwachsinn kann man doch nicht glauben… Aber die da tut’s. Wie meine Mama. Sogar als sie angefangen haben, unsre Leut zu köpfen, hat sie immer noch gesagt, dass Allah seine Gründe haben wird. Obwohl das mit dem Köpfen so eigentlich eh nicht stimmt. Die meisten werden einfach erschossen. Auf der Straße oder an der Wand. Hie und da köpfen sie auch einen, aber das ist eher die Ausnahme.
Das bekommen nur die Westler. Wenn sie einen von denen gefangen haben, einen Japsen oder einen Ami. Da gibt’s dann wieder das große Trara. Der bekommt nicht in irgendeiner Hintergasse eine Kugel in den Kopf. Nein. Da werden die Full-HD Kameras auf die Stative gestellt, da ist das Regieteam an Bord und tagelang liest man in den Blogs nichts anderes mehr. Und die werden dann geköpft. Sogar beim Sterben kriegen die noch die volle Aufmerksamkeit.
Am leisesten wars wahrscheinlich beim Al-Amad. Den haben sie einfach erwürgt. Das war mir zu viel. Als ich heimkommen bin und gehört hab, Al-Amad sei auf dem Weg zum Basar erdrosselt worden, hab ich gewusst: ich muss jetzt weg. Ich hab's allen gesagt. Wenn sie noch länger leben wollen, müssen sie mit mir mitkommen. Aber Mama meinte ja, Allah würde schon ein Auge auf uns werfen. Jaja. Und Yasin hat gesagt, Al-Amad sei einfach zu unvorsichtig gewesen. Ich wisse ja noch, was er damals mit dem Esel angestellt habe. Irgendwann habe es ja mal schiefgehen müssen.
Aber das mit dem Esel war wirklich eine witzige Geschichte. Ha. Jaja. Soraya war eine verdammt scharfe Braut. Ihr Vater, der alte Siham … hat das natürlich gewusst. Und der alte Eselzüchter war vielleicht ein sturer Kopf, aber kein Idiot. Er hat haargenau bemerkt, wie alle seiner Tochter hinterhergerannt sind. Darum hat er sie immer eingesperrt und als Einzige schon mit vierzehn in eine volle Burka gesteckt. Naja, eigentlich war er schon ein Idiot. Aber Al-Amad hat das alles nicht abgeschreckt. Wie hat er immer gesagt? … Echte Schönheit kann man nicht verschleiern. Ha, der Romantiker.
Mann, ich hab so 'nen Durst. Sobald wir draußen sind, kipp ich einen Kübel Wasser runter. Und 'nen zweiten schütt ich mir übern Kopf. Ich stink schon wie eine Sau. Aber es ist ja auch elend heiß hier drinnen. Dass die nicht mal kurz lüften können. Zahlt man den Ärschen ein halbes Vermögen und dann lüften sie nach Stunden nicht ein Mal durch. Der Iraker, der da die ganze Zeit vor sich hin murmelt, hat sich sicher schon drei Mal in die Hosen geschissen. Und bei mir dauerts auch nicht mehr lang. Aber die Alte preist immer noch ihren Allah.

(Textanfang S. 2-3)

© 2016 Wallstein Verlag, Göttingen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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