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Katharina J. Ferner: Der Anbeginn.


Leseprobe:

Vater erzählte, er sei früher umtriebiger gewesen, habe die Dinge selbst in die Hand genommen, von der Kunst gelebt, sogar architektonische Pläne gezeichnet, obwohl er von baulichen Konstruktionen nicht viel verstand, das mussten dann die Bauherren ausbaden. Er war nur einmal für kurze Zeit in sein Heimatdorf zurückgekehrt, als er erfahren hatte, dass seine Eltern im Sterben lagen. Als er wiederkam, hatten sich seine Brüder entschlossen, ihn zu begleiten. Mutter hatte ihre Schwiegereltern nie kennengelernt, sie weigerte sich, auf Reisen zu gehen. Angeblich brachte es einer Frau Unglück, den Ort der Geburt zu verlassen. Ich wisse doch, wie diese Reisen endeten, schärfte sie mir ein, an Tagen, an denen meine Abenteuerlust besonders drängend war.

Ich begann zu verstehen, dass Männer und Frauen jeweils verschiedene Gründe hatten, ein Dorf zu verlassen. Bei den Männern war es das Abenteuer, das sie lockte. Es wurde geradezu von ihnen erwartet, dass sie auszogen und sich die Hörner abstießen. Wer nicht wiederkehrte, wurde durch vorbeikommende Reisende ersetzt; es gab immer welche, die blieben. Bei den Frauen hingegen lag der Grund oft tiefer. Sie verließen die Heimat nach einem Verlust, auch aus Selbstvergessenheit, sie taten es heimlich, hatten abgeschlossen mit dem Leben, während es bei den Männern erst begann. Ich litt also an einer unerklärlichen Sehnsucht nach Aufbruch. An manchen Tagen floss das Blut so unruhig in meinen Adern, dass ich kaum an einem Platz bleiben konnte; ein junger Baumstamm im Wind, noch nicht ausreichend mit der Erde verwurzelt. Tante Ada riet mir ohnehin, niemals Wurzeln zu schlagen, nicht endgültig, schließlich könne man nie vorhersehen, was das Leben noch für einen bereithalte, ob es nicht manchmal besser sei, sich noch einen Weg offenzulassen, dann und wann zu verschwinden. Sie glaubte nicht daran, dass wir dazu bestimmt waren, für immer an ein und demselben Ort zu bleiben, nur weil wir zufällig an ebendiesem zum ersten Mal nach Luft geschnappt hatten. Sie bat mich allerdings, das nicht vor Mutter zu wiederholen, sie wolle keinen Streit mit ihr. Ich versprach es, erkundigte mich aber bei Großmutter, was sie von der Sache halte. Diese antwortete ausweichend, als hätte sie etwas zu verbergen. "Reisen kannst du, wenn du tot bist", flüsterte sie. – "Wohin ich will?", bohrte ich nach. Großmutter seufzte lange. "Wohin du willst, das kannst du nur in deinen Träumen", sagte sie und verdrückte sich, bevor ich weiterfragen konnte.

Unter den Kindern wurden Geschichten weitererzählt, die sie von den älteren Geschwistern aufgeschnappt hatten. Sie handelten von Jugendlichen, die fortgingen und sich im Wald verirrten, von der Natur abgelenkt und verloren gegangen. Sie fanden den Rückweg nicht mehr, hausten fortan in Baumhütten und ernährten sich von Waldfrüchten – unsere Spiele als lebenslanger Ernst. Es klang verlockend, aber zu einsam für unseren Geschmack. Mir war außerdem nicht klar, wie man sich verirren konnte; nicht zurückzufinden, kam mir ausgeschlossen vor. Aber auch Mutter warnte mich, nicht zu selbstsicher zu sein, auf die Zeichen zu achten, "dass du dich nicht in die Irre führen lässt".

(S. 45-47)

© 2020 Limbus Verlag, Innsbruck

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