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am samstag lebt die dorfjungend in den diskotheken von st. anna oder neusiedl. am sonntagabend sitzt sie wieder im zug und erzählt sich ihre wochenendgeschichten. die ganze woche arbeitet sie wieder in wien und die monika weiß längst, wie geldverdienen funktioniert - und auch, dass das verdiente nicht reicht. nur wenige leute in martinsdorf sind nie weitergekommen als nach wunschdorf oder nach eisenstadt. die meisten haben wenigstens in wien verwandtschaft, die besucht werden will, manche müssen dazu gar bis kanada oder argentinien fahren. trotzdem tut das ganze dorf so, als sei martinsdorf die welt. und irgendwie stimmt das auch. die jungen, die in wien arbeiten und sich dort besonders städtisch fühlen, kommen am wochenende heim in die heile welt, die so bleiben soll, wie sie immer schon gewesen ist. so progressiv sie sich in wien gebären, so konservativ sind sie in martinsdorf, denn dort soll es gemütlich und altmodisch bleiben, so wie es in ihrer kindheit gewesen ist, als in der gstetten noch der wermut gewachsen ist, meterhoch und bitter geschmeckt hat. die meisten von ihnen träumen vom eigenen haus im dof, nur wenige wollen für immer in wien bleiben. sogar die zugereisten, von denen es im weltoffenen martinsdorf gar nicht so wenige gibt, haben hier ihre insel der seligen gefunden. nur die, die ihr ganzes leben und ihre arbeit im dorf haben, wollen modern werden und keine fremden sehen. die bauern sind nicht weltoffen, auch wenn sie ihre söhne ins gymnasium schicken. das moderne zeigt sich an ihren großen häusern mit den riesigen fensterscheiben und an ihren großen traktoren und autos. für manche braucht es nicht einmal ganz martinsdorf als welt, ihnen genügt schon der obere ort oder auch nur die nußbaumgasse. im unteren ort soll es leute geben, die aus der schwazlackengasse höchstens noch in den angrenzenden ackerweg kommen, mehr welt brauchen sie nicht.
© 2005, Sisyphus Verlag, Klagenfurt. Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
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