"Im Annagraben", sagte Rack, "drei oder vier Uhr früh. Sie haben Onebes Leiche aus dem Auto gezerrt und über die Böschung gewälzt. Kasumba sagt, dass er nur eines wollte - weg, so rasch wie möglich weg. Der Professor hatte bereits das Auto gestartet, als sie das Handschuhfach öffnete, etwas herausnahm, die Türe aufriss und nochmals hinaussprang. Kasumba glaubt, dass sie ein Stanleymesser in der Hand hielt. Der Professor fluchte, aber er wartete. Es dauerte mehrere elendslange Minuten, bis sie zurückkam. 'Alles erledigt', soll sie gesagt haben!"
Der Reporter schüttelte den Kopf. "Neuland", sagte er, "steht ganz sicher in keinem Vernehmungsprotokoll!"
Rack nickte. "Frauenhass", sagte er. "Hat sie gevögelt, geschleckt und dann erpresst! Dafür wollte sie seine Eier und seine Zunge haben!"
"Stammesritual", ätzte Schopf.
"Er ist zu euch gekommen, weil er gehofft hat, durch den Druck der Zeitungsstory als Experte in die polizeilichen Ermittlungen einbezogen zu werden", sagte Rack, "dann wäre er an der Quelle des Wissens gehockt und hätte seine Fäden ziehen können. Schlauer Fuchs, der Professor."
Schopf griff nach dem Kugelschreiber und zeigte damit auf Rack. Mitten in sein Gesicht. "Womit wir endlich wieder am Anfang wären! Der Fall war tot, höchst offiziell begraben, hat keine Fliege mehr interessiert. Nur Sie! Und Ihren Freund Scheibengraf! Warum, Herr Rakowitz, haben Sie nie aufgegeben und wie sind Sie auf die Weitzendorfs gestoßen?"
Schopf war ein seltsamer junger Mann. Weder gut aussehend, noch sympathisch, auch nicht sonderlich Vertrauen erweckend. Er bestand aus wirrem Haar, einer großen, runden Brille, lästiger Neugierde, ungebremstem Wissensdurst und einer geballten Ladung Ehrgeiz. Rack hoffte, dass auch genügend Ehrlichkeit und Seriosität dabei sein würden. Und Dankbarkeit.
"Peter Onebe war so etwas wie ein Freund", begann er. "Ich war ganz unten. Alkoholiker, Obdachloser, Sandler, Bettler. Da gibt es nicht viele, die dich wie einen Menschen behandeln. Peter Onebe hat es getan."
Rack lächelte versonnen.
"Wenn man ihn nicht umgebracht hätte, dann würde ich vielleicht jetzt noch die Leute am Bahnhof um einen Euro anschnorren. Peter Onebe war für mich aber kein Drogendealer. Und das, was man mit den Schwarzen in dieser Stadt aufführte, war eine Beleidigung für das Afrika, aus dem ich gerade kam und das acht Jahre lang gut zu mir gewesen war. Ich habe natürlich keinen Kreuzzug starten können, dafür hat mir die silberne Rüstung gefehlt. Aber ich habe endlich wieder ein Ziel gehabt. Das ewige Polizistenziel. Die Suche nach der Wahrheit!"
(S. 250 f)
© 2002, Onebe-Verlag, Graz.