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Heinrich Steinfest: Mariaschwarz.

Kriminalroman.
München, Zürich: Piper, 2008.
320 S.; geb.; Euro 16,90 [D], 17,40 [A].
ISBN: 9783492051804.

Link zur Leseprobe

"Österreichische" Krimis gelten – insbesondere wenn sie in der Alpenrepublik mit ihren sattsam bekannten Abgründen hinter den touristisch verwertbaren Fassaden spielen – gemeinhin als besonders schräg, skurril und lustvoll bösartig. Dass ihre Autoren der Sprache einen höheren Stellenwert einräumen als einer stringenten Handlung oder dem schnöden whodunit-Schema, wird im Feuilleton auch schon als naturgemäß vorausgesetzt. Heinrich Steinfest ist da keine Ausnahme, eher das Gegenteil: Der 1961 in Australien geborene Österreicher mit Wohnsitz Stuttgart legte in den letzten zehn Jahren zehn Krimis vor und hat sich dabei langsam, aber sicher zum Parade-Österreicher des Genres gemausert. An seinen vielfach ausgezeichneten Romanen schätzt die Kritik vor allem die pointierte Sprache, die Skurrilität der Charaktere und die Verrücktheit der Konstruktion, wenn diese auch nicht immer den Gesetzen der Logik folgt.

Soweit, so vorhersehbar? Steinfests neuer Roman Mariaschwarz überrascht dennoch, wenn auch auf zwiespältige Weise. Er setzt mit der großartigen Beschreibung eines düsteren, nebelverhangenen Bergdorfs an einem "Mariaschwarz" genannten, abgestorbenen See ein und wartet zunächst einmal durchaus mit einer spannenden Krimihandlung auf. In diesem Bergdorf mit dem eigenartigen Namen Hiltroff säuft sich im Pub des nicht minder seltsam benamsten Job Grong seit drei Jahren ein Ortsfremder, Vinzent Olander, Tag für Tag in einen Dämmerzustand. Das schweigende Einverständnis zwischen Wirt und Gast findet ein jähes Ende, als letzterer bei einem Spaziergang beinahe im See ertrinkt und von Grong gerettet wird. Im daraufhin unvermeidlichen Gespräch erfährt der Wirt Olanders tragische Geschichte. Dessen Lebensglück wurde durch die Entführung seiner Tochter zerstört. Nach langwierigen Recherchen ist Olander zu dem Schluss gekommen, dass des Rätsels Lösung in Hiltroff liegen müsse, wo er die bange Hoffnung auf ein Lebenszeichen der Tochter nur durch regelmäßige Betäubung mittels Alkohol zu ertragen vermag. Olanders Geschichte führt vom unheimlichen Bergdorf in die ebenfalls nicht sonderlich heimeligen Kreise gut organisierter italienischer Menschenhändler; eine noch ungeklärte Rolle spielen dort mysteriöse, aus Knochen gefertigte Affenfigürchen.

Ein Anruf des mitfühlenden Grong bei Olanders Ex-Frau gibt der Geschichte eine unerwartete Wendung: Die verzweifelt gesuchte Tochter existiere gar nicht, Olander sei verrückt. Als dann auch noch ein Ungeheuer im Bergsee gesichtet wird, die internationale Skandalpresse in Hiltroff einfällt und Wissenschaftler ein Skelett am Grund des toten Sees finden, ist es mit der unbehaglichen Ruhe des Bergdorfs endgültig vorbei.
Der Skelettfund ruft Kriminalinspektor Richard Lukastik aus Wien auf den Plan. Der etwas arrogante, aber ausgesprochen effiziente Ermittler dürfte so manchem Steinfest-Leser aus dem Roman Nervöse Fische in Erinnerung sein. Geduldig und scheinbar ungerührt dröselt er die verworrene Geschichte um das Skelett und um die Existenz des vermeintlich entführten Mädchens auf.

Wer äußerst unwahrscheinliche, hart ans Absurde grenzende Krimihandlungen mag und kein Problem mit einem ziemlich geschwätzigen, nicht immer nur tiefsinnig philosophierenden Erzähler hat, ist mit Mariaschwarz fürs erste gut bedient. Neben vielen für die Handlung überflüssigen Bemerkungen, beispielsweise über verborgene mathematische Talente von Randfiguren, gelingen ihm immer wieder auch orginelle Bilder. So stehen zum Beispiel die Hochhäuser in einer italienischen Vorstadt da "wie besoffene Männer vor einer Pißrinne, schön geordnet, aber desolat. Irgendwann würde einer umfallen und die anderen mitreißen."

Der Roman ist allerdings mit der Klärung des Falls noch lange nicht zu Ende. Über etwa hundert Seiten, also ein Drittel seines Umfangs, erstreckt sich eine Art Nachspiel, aufgehängt am Rätsel um die knöchernen Affenfiguren, die Lukastik noch einmal von Hiltroff nach Italien führen. Ein roter Faden ist in der sich völlig auflösenden Handlung kaum noch zu erkennen. Sie dient vor allem als Aufhänger für eine etwas seichte Hommage an Thomas Bernhard und die ausführliche Beschreibung der wiederaufflammenden, leidenschaftlichen Liebe zwischen Lukastik und seiner älteren Schwester.

Problematisch macht dieses letzte Romandrittel, dass neben der Handlung auch die Figurenzeichnung zunehmend beliebig wird. Der hartgesottene Schnüffler Lukastik wird über Nacht zum abergläubischen Angsthasen, während der versoffene Vinzent Olander plötzlich über Fähigkeiten verfügt, die eines Geheimagenten würdig wären. Verlass ist letztendlich nur auf den Erzähler, der auch gegen Ende des Romans noch ein paar Weisheiten und originelle Vergleiche auf Lager hat. Die Wiederholungen in Thomas Bernhards Romanen wirken für ihn etwa so, "als würde ein Ei ein anderes legen, ohne ein Huhn bemühen zu müssen". Ob das Mitteilungsbedürfnis dieses gutgelaunt, aber einsam vor sich hin monologisierenden Erzählers allein ausreicht, um die Leser von Mariaschwarz nach Abschluss des Falls noch bei der Stange zu halten, ist eine andere Frage.

 

Georg Renöckl
11. November 2008

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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