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Leseprobe: Michael Stavaric - "Böse Spiele."

Wenn ich bei der Wahrheit geblieben wäre ... dass ich gelernt habe, mich täglich neu abzuschirmen, dass ich mir keinesfalls trauen kann, dass ich wach bin und ihr alles abverlange, dass die Männer und Frauen sich nur noch selten genügen. Und ob sie weiß, dass mir die Worte schwer fallen, dass mir diese zu schaffen machen, noch bevor ich ihrer habhaft werde, dass sie hängen bleiben und sich aufstauen, dass sie Kerben schlagen in meine Zunge und mir die Lust rauben. Dass die Kerben mit den Jahren tiefer wurden und die Wahrheit sich darin gern verlor, dass es besser dabei geblieben wäre, einander nicht zu fordern, dass man es gut und gern dabei hätte belassen können: Eingekesselt! Und bei ihr doch: Eingelocht! Schon in der Schule bringen sie einem bei, dass man sich sein Leben nicht aussuchen kann, dass es mit den ersten Atemzügen langsam entweicht und man ein Mann bleibt, umzingelt von den Frauen.

Ob du dich noch daran erinnerst, als ich dir erzählte, wie es so ist als Mann, wie die Männer durch die Gegend schleichen, die Soldaten und Träumer, deren Schritte man kaum hört, die Indianer mit goldenem Händchen, die das Leise-Sein übten. Wie sie doch sind, die Männer, dass sie verstohlen nach Hause schleichen mit schweißnassen Händen, dass sie ihre Frauen betrügen, dass sie ein schlechtes Beispiel abgeben, nirgendwo ankommen und darüber nie verzweifeln. Nicht die Liebe macht ihnen zu schaffen. Es bleibt der Wunsch leise zu sein, weil keiner hören darf und wissen schon gar nicht. Und wie die Männer schweigen, um einander nicht in die Quere zu kommen, und wie sie im Schlaf davon sprechen, dass sie nicht mehr Herren der Lage sind, dass sie gern übertreiben oder verharmlosen: Den gefallenen Schnee, das Maß der Fische, die Morgenstunden, das Gold im Mund und ihren ersten feuchten Traum. Und doch sind es Dinge, die dazugehören, die gar keiner Entgegnung wert sind in ihren Augen, und du antwortest nur: Dass du dich nicht im Ton vergreifst. Und ich weiß genau, was sie meint, dass ich bislang vielleicht einfach nur Glück hatte.

Am nächsten Tag stehen wir unter einer grünen Plastikpalme, sie trägt ihr Herz links, wo es hingehört, und ich trage es viel zu weit oben, zu nahe am Kopf, und immer habe ich dieses Gefühl, es müsste besser sitzen. Wir stehen vor einem Haus, wo sie wohnt, und ich begleite sie bis vor die Tür, weil sich das gehört und sie sich gar nicht mehr sicher ist, ob es zwischen uns überhaupt etwas Fassbares gibt. Ob sie mich überhaupt jemals bittet: Auf einen Sprung! Dass ich Geduld mitbringe, ob sie weiß, dass ich einer dieser Männer bin, die es nicht eilig haben, die sich einen Teufel darum scheren, leise zu sein, diskret bisweilen, aber das ist etwas völlig anderes. Und sie schaut empor zu der Palme, dass man sie von ihrem Fenster aus viel besser sehen kann, dass sie überhaupt nicht versteht, warum es in dieser Stadt Palmen gibt, dass sie im Winter frieren und im Sommer die Sicht verstellen, was es damit bloß auf sich hat?

Und ich kann ihr nicht folgen, weil ich glaube, dass sie mir etwas mitteilen will, dass sich nur noch alles auf mich bezieht, dass mich etwas mit ihr verbindet, und dann öffnet sie die Tür und geht. Und ich stelle mir vor, wenn ich vor einem Haus warte, wie ich die Stiegen hochlaufe und an irgendeiner Tür läute, und wenn eine Frau öffnet, sage ich: Schatz, es ist spät geworden. Und ich wundere mich über den Mann und das Kind, die hinter ihr hervorlugen, und sie zuckt etwas unbeholfen mit den Schultern, natürlich ist sie überfordert, aber dann sagt sie, dass wir ein andermal auf einen Kaffee gehen können, aber nicht jetzt, das gehöre sich nicht, es sein spät und das Kind müsse längst schlafen.
(S. 9f)

© 2009 C.H. Beck, München.

 

 

 

 

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