Er sieht die Hausschuhe der Großmutter sorgsam nebeneinandergestellt neben dem Schuhschrank im Vorraum, gleich bei der Eingangstür. Einige Zettel mit Maschinschrift, mit fremder Handschrift liegen auf dem Schuhschrank; Telefonnummern, die er anrufen soll. Jetzt setzt die Maschine ein: hör nicht auf zu atmen, leb weiter; er weiß nicht, ob er in die Vergangenheit hineinspricht, eigentlich müsste die Maschine die ganze Zeit gearbeitet haben, er weiß nicht, ob er in die Vergangenheit hineinsprechen kann. Er sieht sich in der Schulbank sitzen, leb weiter, leb weiter, sieht sich in die Augen einer Frau starren (die er wiedererkennen würde), leb weiter, sieht sich auf eine fremde Kellertreppe pinkeln, atme. Er zieht seine Turnschuhe aus und geht in die Küche; dort liegt, mit dicker gelblicher Haut und am weichen langen Hals zur Seite hängendem Kopf das Huhn, sonst ist der Kopf immer schon abgeschnitten und in den Müll gewandert, wenn er in die Küche kommt; der Bauch ist aufgeschnitten und die Eingeweide (er sieht die Finger seiner Großmutter blutig im offenen Brustkorb) ausgeräumt. Er denkt an das zarte weiße Hühnerfleisch und weiß mit dem toten Tier auf dem Küchentisch nichts anzufangen, es kann endlos hier liegen, Fliegen können kommen, sich durch die dicke gelbliche Haut bohren, das Fleisch zerfressen, er setzt sich auf einen Schemel und schaut das Huhn an, wartet. Oma, sagt er leise. Oma, Oma, Oma, Oma, Oma. (S. 142-143)
© 2009 Literaturverlag Droschl, Graz-Wien.