Erster Teil
Daniel Goldstein saß auf der Terrasse des Neptun in Eilat und trank ungesüßten Tee. Der Himmel war wolkenlos, die Temperatur schon fast sommerlich. Viele Touristen bevölkerten das kleine Städtchen.
Seine Augen wanderten nach links, nach Akaba in Jordanien. Dort verschandelte eine Industrieanlage den Badestrand. Da Israel an seiner Südspitze nur ein paar Kilometer breit ist, konnte Goldstein mit einer leichten Kopfbewegung nach rechts mit seinem Blick ägyptisches Territorium erfassen. Kein Hotel und keine Strandkneipe störten dort das scheinbar friedliche Bild. Die Unterstände der Soldaten, die das feindliche Israel stets im Auge behielten, waren mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Er wartete auf seinen Sekretär Levy Spiegel, der ihm, obwohl Schabbat war, die Post brachte. Goldstein war mit sich und der Welt zufrieden. Die zehn Urlaubstage in Eilat hatte er gesund verbracht: Nur Schwimmen, wenig Essen, kein Alkohol und viel Schlaf.
Im Geschäft nahm alles seinen gewohnten Lauf. Levy Spiegel saß eine halbe Stunde später schon wieder im Auto nach Tel Aviv. Goldstein begab sich auf sein Zimmer und versperrte die Tür. Er wollte sich keinesfalls vom Hotelpersonal dabei ertappen lassen, wie er am Schabbat die Post bearbeitete. Ein paar Kontoauszüge, Briefe von Kunden, eine Ansichtskarte aus Zypern und ein Brief aus Jugoslawien. Ein handgeschriebener einfacher, weißer Umschlag, adressiert an Daniel Goldstein, privat, in Tel Aviv.
Goldstein öffnete das Kuvert und las:
An
Hermann Westermayer
SS-Sturmscharführer
derzeit Tel Aviv/Israel
...
(S. 7f)
© 2008 Mandelbaum Verlag, Wien.