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Günther Rüther (Hrsg.): Literatur in der Diktatur.

Schreiben im Nationalsozialismus und DDR-Sozialismus.
Paderborn, München, Wien, Zürich: Schöningh, 1997.
508 S., brosch.; DM 29,80.
ISBN 3-506-77365-8.

Die Titelgebung des voluminösen Bandes (22 Aufsätze plus einer brauchbaren Auswahlbibliografie) suggeriert ein wenig eine Vergleichbarkeit in der schriftstellerischen Praxis der NS- und DDR-Autoren und legt den Schwerpunkt der angespielten Gemeinsamkeit auf die diktatorische Regierungsform, die gewissermaßen als "Erlebniskonstante" gesetzt wird. Tatsächlich sind, so Eberhard Lämmert, moderne Diktaturen immer Gesinnungsdiktaturen und - so Günther Rüther - beide Diktaturen "verordneten" sozusagen eine Symbiose von Geist und Macht, Kultur und Politik, in der Schriftstellern und ihrer Arbeit zentrale Bedeutung zugeschrieben wurde.

Vor allem die monografischen Bearbeitungen einzelner Schriftsteller/innen, vermitteln allerdings den Eindruck, daß das unmittelbare Erlebnis dessen, was mit "Diktatur" zwingend verbunden war, nur ein Segment der Motivenlage rund ums Schreiben, nur einen kleinen Teil der rekonstruierten politisch-literarischen Bewußtseinsformen ausmacht. Jürgen Schröder ortet in seiner Gottfried Benn-Studie den "Unterschied" zwischen den beiden Diktaturen in einer vertrackten Vater-Sohn-Beziehung: die große Diktatur hätte die "kleine" produziert. Schon Eberhard Lämmert verweist auf grundlegende Unterschiede, die sich aus der Konkurrenz DDR und BRD ergeben, die zahlreiche Modifikationen der DDR-Kulturpolitik begünstigt hätte, während die nationalsozialistische relativ statisch war. Der Band insgesamt läßt wohl sehr heterogene Leserefahrungen zu, er scheint aber eher an der Herausarbeitung von Differenzen zu orientieren, als auf einen Vergleich, ja fast führen die in den einzelnen Studien herausgearbeitenen Unterschiede die Idee eines solchen Vergleichs ad absurdum. Wichtig zur Erfassung dieser Unterschiede sind vor allem die beiden Aufsätze zu den "Institutionen der Literaturpolitik im "Dritten Reich" (Jan-Pieter Barbian) und zu "Schriftsteller und Staatsicherheit" (Joachim Walther).

Die beschriebenen schriftstellerischen Erfahrungswelten sind äußerst heterogen. Manche instruktive Arbeiten, wie etwa der Aufsatz von Carola Groppe über die Konflikte im George-Kreis zur Bewertung der Ereignisse des Jahres 1933, oder der Versuch Helmuth Kiesels über Ernst Jünger rekonstruieren einfach die Auseinandersetzung oder - wie im Falle Günter Eichs (Axel Vieregg) die "Verstrickung" eines Autors. Ähnliches gilt für die monografischen Studien über Brecht (Theo Buck), Becher (Walter Schmitz), Huchel (Birgit Lermen) und de Bruyn (Michael Braun). Mancher wie Franz Fühmann, so Reich-Ranicki, zitiert von Günther Rüther, schrieb "H.J.-Gedichte mit FDJ-Vorzeichen".

Ein schöner Text, der ein wenig den Rahmen des Bandes sprengt, ist die eingestreute deprimierende Erinnerung Hertha Müllers über ihre sie selbst und die ihr anvertrauten Kinder deformierenden Erfahrungen als Kindergärtnerin im Rumänien des Personenkults rund um Ceaucescu. Eine thematische Ausweitung erfährt der Band auch durch den wohl interessantesten Text, einer Fortführung der von Hans Dieter Schäfer schon 1976 formulierten These, daß die im Dritten Reich verbliebenen Autoren "im Verborgenen die Lebenskraft der Moderne teilweise bewahrt hätten". Schäfer zeigt hier in einem thematisch weit ausgreifenden Aufsatz die ungeheure Komplexität der Erfahrungswelt im Nationalsozialismus und beschreibt ein Klima der "zerstückelten Erfahrungswelt", das er als Voraussetzung der Postmoderne ansieht.

Alfred Pfabigan
2. Juni 1998

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