Am nächsten Tag trieb es mich wieder ins Museum. Ich erfuhr, dass es der letzte Tag der Ausstellung war. Wollte wieder zu May-June 1973, doch auf dem Weg dorthin sah ich etwas, das mich nicht vorbeiließ. Drei Gesichter, wieder ein Triptychon, die einzelnen Bilder allerdings nicht zwei Meter hoch, sondern nur 35 Zentimeter. Drei Porträts einer Frau, halb von der Seite, von vorne, im Profil. Sie hieß Isabel.
Was war hier eigentlich los? Schickte mir ein toter britischer Maler höhnische Kassiber aus dem Jenseits? Saß er in seinem Höllenpfuhl, vor sich einen kleinen Monitor, auf dem er jeden meiner Schritte verfolgen konnte? Und lachte sich tot? Dem Himmel sei Dank, dass ich nicht zur Paranoia neigte.
Three Studies for Head of Isabel Rawsthorne. Gemalt 1965, acht Jahre vor dem sterbenden Mann. Ebenfalls auf schwarzem Grund – aber sonst war alles anders. Die schiere Lebensgier platzte dieser Frau aus allen Ritzen und Falten ihres Gesichts. Gleißend das Weiß, das ihren Schädel durch die Haut nach außen drückte. Auf der Stirn, auf allen drei Stirnen. Nasenbein links, Jochbein rechts. Rechts ein weißer Zyklon, im Zentrum das linke Auge. Die Haare aufgewühlt von einem Wind, der auf jedem Bild aus einer anderen Richtung kam. Nie hatte ich ein schöneres Rot gesehen. Ich stellte mir Isabel vor, die andere Isabel, wie sie Modell saß, Champagner trank, auf ihrem Sitz hin und her wetzte, ich hörte ihre ungeduldigen, geistreichen Scherze. Bacon lief im Atelier herum, mit einem Pinsel in der rechten Hand und einem Ventilator in der linken. Der Ventilator sah aus wie in Casablanca, Bacon sah aus wie Bogart. Alles war Hitze, Marokko, elektrisierte Körper, flimmernde Luft, Gelächter, Abschied und Moskitos. (S. 41)
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