im fünften Stockwerk steht mein Fenster dem Nachthimmel offen, aber dank dem uns nahen Gebäum, nach dessen Ausläufern sich fast greifen läßt, werden Schreibblatt und ich zu später Stunde gern besucht – nicht der enzianblaue, bloß trichterblütengroße Lampenschirm scheint die Besucher anzulocken, sondern der Widerschein fast weißen Lichts auf der Schreibplatte, weiß wie das Schreibblatt. vertraute Gäste, bis in den Winter hinein, sind kleinfingernagellang, einen Filzstiftstrich breit und braun marmoriert wie unter den Fischen die Koppen; kleinwinzige stumme Zikaden? können fliegen, springen aber lieber. einmal gegen den heißen Lampenschirm gesprungen, lassen sie das ein zweites Mal sein. schurln oder wieseln über die Schreibmaschintasten, sooft ich pausiere, fallen da manchmal auch in einen Graben, meist nur für ein kurzes Dahinsein: zwischen den großen Tasten wie AUTO und MOD tauchen sie wieder auf. etliche von ihnen sind Dauergäste, untertags an den Lamellen der hinaufgeholten Jalousien und an deren Zugschnüren anzutreffen, seltener am ihnen wohl zu glatten Fensterrahmen. oder die kleinen, meist nur daumennagelgroßen Nachtschmetterlinge, in Ockerfarben gemustert. scheuen das direkte Licht, reihen sich gern an der rauhen Wand hinterm Lampenschirm wie hingewehte Birnblütenblätter zu einer Schmetterlingssammlung- von denen abgerückt ein weißes Gespenst: samt allerzartestem Corpus von der Form eines Kreuzes. aber die größeren pelzigen! die stäuben um die Lampe, werfen im Anstoßen flattrige Schatten auf mein Schreibblatt– Schluß jetzt! In den um sie gekrümmten Händen schlagen sie um sich, sind schon mit einem Schwung durch den Fensterspalt in die Nacht bugsiert."
(S. 30f)
© 2010 Jung und Jung, Salzburg, Wien.