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Wilhelm Pevny: Luft.

Erzählungen.
Klagenfurt: Wieser-Verlag, 2009.
181 S., Euro 18,80.
ISBN: 978-3851298352.

Link zur Leseprobe

Um die Welt steht es schlecht! Zu diesem Befund kommt zumindest Wilhelm Pevny in seinem neuesten Erzählband Luft. Ein Umstand, den er mit hoffnungsfrohem Humor nimmt. Nach seinem 2008 erschienen Roman "Palmenland" schildert der Autor nun in zehn Kurzgeschichten groteske Einzelschicksale, die Resultat einer pervertierten Gesellschaft sind.

Es entspricht dieser Gesellschaftswahrnehmung, dass Obsession und verrückter Spleen in Pevnys Erzählungen großgeschrieben werden. Auch in der titelgebenden Geschichte Luft, in der ein Mann in den mittleren Jahren sein Dasein "wie durch eine verrußte Scheibe" bis zu dem Tag erlebt, an dem ihm ein ganz besonderer Geruch in die Nase steigt. Ähnlich Prousts erinnerungsträchtigem Biss in die Madeleine, löst jener Duft auch bei Pevnys Protagonisten eine Rückschau in die intensive Empfindsamkeit seiner Kindheit und Jugend aus: "Längst vergessene Begebenheiten tauchten bruchstückhaft vor seinem inneren Auge auf, dann verflüchtigte sich der berauschende Geruch wieder, und mit ihm die aus der Tiefe dringenden Bilder." Die Hauptfigur begibt sich auf eine frenetische Hetzjagd nach diesem duftenden Stoff, aus dem seine Träume gemacht sind.

Nicht nur die Protagonisten leiden an Abgestumpftheit, die gesamte Bevölkerung ist daran erkrankt. Denn Pevnys Figuren bewegen sich in einer hierarchischen Welt, in der man nur unter größter Verstellung überleben kann. Allzu deutlich zeigen dies die Geschichten Der Traumjob, in der ein aufstrebender junger Mann für seinen Weg nach ganz oben die quälende Devise "Dabei sein ist alles" bis auf die Spitze treibt, oder Der Club der Gesichtslosen, in der das Tragen einer Maske der Schlüssel zu Ruhm und Reichtum ist. Die Angst, mit dem Menschsein allein den fremden Ansprüchen nicht genügen zu können, setzt einen paranoiden Keim in die Gedanken der Protagonisten.

Mitschuldig an jenem dumpfen Gefühl der Pevnyschen Figuren sind nicht zuletzt die Medien. Vor allem die Presse wird als Wurzel allen Übels ausfindig gemacht und scharf kritisiert. In der kurzen Geschichte Die größte Erfindung der Menschheit – nicht die einzige mit Anklängen an das Science-Fiction-Genre – hat eine Testphase von X-Gamma-B2-Wellen, die das Gewaltzentrum der Menschen deaktivieren, nicht nur erfreuliche Auswirkungen. Medienbosse und Journalisten sind ganz und gar nicht begeistert davon, sich ihr tägliches Geschäft – Skandale, Krieg, Mord und Totschlag – nehmen zu lassen. Klar, dass der Erfinder einer solchen Verrücktheit kein langes Leben hat.

Die Hoffnung stirbt für den in Wien lebenden Pevny aber scheinbar zuletzt, denn diese pessimistischen Geschichten finden ihr positives Gegenstück in Der Tag ohne Mitleid. Der Zusammenbruch eines verwahrlosten Mannes vor einem Einkaufszentrum wird von seinen Mitmenschen ignoriert, doch plötzlich, als ob eine höhere Macht diese rücksichtslose Welt zur Vernunft bringen will, grollen Blitz und Donner über die Erde und pflanzen Mitgefühl in ihre Bewohner. Mit ironischer Distanz schildert der Autor nun eine Welt, in der Nächstenliebe herrscht.

Zweifelsohne präsentiert sich die Kurzprosa des 1944 geborenen Pevny hoch moralisch. Die saloppe und anekdotische Sprache dient seinen oftmals amüsanten Betrachtungen, die eine Leistungsgesellschaft, in der Ecken und Kanten unerwünscht sind, karikieren. Der ständige Abgrenzungsdrang, den die Figuren gegenüber ihrer Umwelt empfinden, produziert in beinahe jeder Erzählung eine Stimmung des Verfolgungswahns. Leider gelingt es dem Autor nur selten diese bis zum Schluss zu halten. Das mag auch an den Enden seiner Geschichten liegen, deren Aussagen er nur allzu deutlich macht. So lässt ein Mangel an Interpretations-Spielräumen in Luft es manchmal ganz schön stickig werden

Julia Zarbach
19. August 2009

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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