Am besten hätte ich die ganze Sache vergessen, doch die Zurückweisung hatte meinen Ehrgeiz angestachelt. Ich mußte auf einem anderen Weg in die bewaldeten Steilhänge der Challanas gelangen. Seringueiros, Kautschuksammler, so wußte der Führer zu berichten, hätten vor hundert Jahren einen Fußpfad aus dem Tiefland benutzt, einen Steig aus alten Zeiten, der in Guanay, einer Siedlung von Goldgräbern um Fuß des Gebirges, seinen Anfang nahm. Den Steig gäbe es schon lange nicht mehr, Wald habe ihn überwachsen, vom feuchtheißen Vorland bis hinauf in die kalten, oft nebeldüsteren Regionen an der Grenze zum Ödland. Von der Kuppe, wo wir am Morgen erstmals das Dorf erblickt hatten, betrachtete ich noch einmal aus der Vogelschau das steile, in zahllose scharfe Rippen zersägte Relief. Ein menschenleeres Land, durch welches das Wasser der Gletscher in die Tiefe schoß, unsichtbar, denn selbst an den senkrechten Wänden der felsigen Schluchten klammerten sich noch Bäume fest und verbargen die auf dem Grund weiß dahinschäumende Gischt.
Wo, wenn nicht an einem Ort wie diesem, muß der Traum vom Fliegen geboren worden sein? Allein der Anblick der grünen, unerreichbaren Grate weckte in mir den Wunsch, Flügel zu besitzen. Mir war, als spürte ich Aufwind im Kopf, und in Gedanken segelte ich hinaus ins Freie. Es gab kein Zurück mehr, ich mußte diese Gegend erforschen, und das konnte nur aus der Luft geschehen. Wäre ich nur ausdauernd und hartnäckig genug, fände ich den einen oder anderen Ort, an dem ich mit einem Hubschrauber landen und neue, noch nie gesehene Pflanzen finden und sammeln könnte. Mit diesem Plan kehrte ich in die Hauptstadt zurück.
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© 2011 Otto Müller Verlag, Salzburg.