Mitunter muss man ganz bewusst die Augen schließen, um den Stillstand überhaupt noch ertragen zu können, kommt es Matthias. Den blinkenden Cursor hinter den letzten Worten ausblenden, oder: vor der Leere, die mit dem letzten Wort beginnt (dies ist sein Land) und alles davor streichen, Saintjust mit seinen Freunden, die sind nicht mehr als ein schlechtes Vorwort vor die eigentliche Geschichte. Die muss er noch schreiben und er muss sich noch einfallen lassen, wie sie weitergeht, und vielleicht wird einer sterben müssen, dann werden die Verleger zumeist hellhörig und er muss zusehen, dass er noch rechtzeitig zur Feier kommt. Dass er überhaupt noch dorthin kommt. Dass man ihn sieht, und was man nicht alles muss und wie viel Zwanghaftigkeit der Kunst in ihrer Freiheit plötzlich innewohnt, kommt es Matthias.
Wenn man die Augen schließt, gefriert das letzte Bild von der Welt im Negativton vor den Augenlidern, ein trompe l’oeil der letzten Reize auf der Netzhaut und alles das, was sich eben noch bewegt hat, was schiebt, was drängt, bleibt als ein stilles Tableau vor der Finsternis, die langsam darüber hinauswächst. Das Armaturenbrett und das Lenkrad, die Uhr über dem Radio angehalten, der Kilometerstand arretiert und die Tachometeranzeige unveränderlich auf denselben Punkt gebannt. Wir rasen reglos von Bild zu Bild, und nur wenige von uns berührt der Schrecken, der ihr Stoff ist, dies könnte das Letzte sein, das wir sehen. Was wir als Letztes voneinander sehen, und nur mit geschlossenen Augen bleibt die Zeit, in der Textur des Bildstills überhaupt nach einem solchen Gedanken zu fassen, durch sein Leinwandgewebe hindurch und ob es deshalb ist, womöglich, aus der Angst heraus, was uns alles einholen müsste, wenn wir nur erst einmal anhalten, dass wir beständig auf der Flucht sind.
(S. 50)
© 2011 Leykam Verlag, Graz.