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Robert Stähr: In einem Stück.

Wien: Passagen Verlag, 2011.
104 Seiten. 12,50.
ISBN: 9783709200032.

Link zur Leseprobe

Dieser Text fängt abrupt an. Mitten im Satz. Ehe man sich es versieht, ist man hineingezogen. Wie in einen plötzlich auftauchenden Strudel. Oder wie in einen plötzlich beginnenden Traum. Mit diesem seltsamen Anfang überrascht uns Robert Stähr in seiner neuen Prosa „In einem Stück“. Sie ist im Wiener Passagen Verlag erschienen. Bisher sind von Robert Stähr u. a.  die Bücher Karte (edition selene 2003) sowie Umtexte (Blattwerk, 1997) veröffentlicht. Der im Jahr 1960 geborene Linzer Autor ist zudem Lektor des Verlags edition pro mente.

Wie der Titel verrät, kommt diese Prosa ohne Kapitel aus. Blockartig oder gar sperrig ist sie dennoch nicht. Stähr arbeitet übersichtlich mit Absätzen und Interpunktionen – vorerst. Doch eins nach dem anderen: Wir beobachten eine Clique, die friedlich in die „City“ geht, um zu shoppen. Im Kopf des Ich-Erzählers werden die einzelnen Freunde vorgestellt. Dabei erweist sich beispielsweise Hans als marktfreundlich. So glaubt er, dass Menschen nach „Maximen des ökonomischen und persönlichen Vorteils“ handeln. Hingegen sind Hemma und Walter eher skeptisch gegenüber Markt und Konsum.

Doch als er einen Shop betritt, vollzieht der Ich-Erzähler eine Wandlung. Er agiert fortan als rational handelnder Konsument, der nach dem günstigsten Markenprodukt bei gleicher Leistung giert. Dabei bombardieren ihn Produkte mit perfider Werbesprache. Mehr noch: Diese Sprache tritt in den Vordergrund anstelle des Ichs. Die Identität des Protagonisten löst sich somit im Markt auf. Banale Werbesprüche etwa von CD-Playern oder Küchenmaschinen reihen sich ohne Interpunktion nacheinander. Verstärkt durch die Auflösung von Absätzen erzeugt dieser Teil des Textes eine wuchtige Wirkung.

Nach dem Kaufrausch erfährt der Text die nächste Umwandlung: Die Figuren treten wieder in den Vordergrund. Allerdings ohne Ich-Erzähler. Stattdessen gibt es von nun an eine Stimme in der dritten Person. Diese skizziert kurz die Situation der einzelnen Figuren nach dem Kauf. Es werden meist zufällige Treffen beschrieben. Sie arten tragischerweise in körperlicher Gewalt aus. Aggression aus Eifersucht oder aus scheinbar unerklärlichen Gründen. Wie pervertierte Werbespots wirken diese grotesken, gewalttätigen Szenen.

Robert Stähr gelingt es in seinem Text, die absurde Seite des Marktes am einzelnen Individuum zu zeigen. Er verzichtet klugerweise auf allgemeine Schuldzuweisungen gegenüber einem anonymen Markt. Stattdessen schaut er auf den Einzelnen, wie er im Kaufrausch einen Teil seiner Identität verliert oder durch etwas anderes ersetzt. Ihr übersteigertes Selbstbewusstsein bekommen die Figuren über die gekauften Waren. Ein Verweis auf eine Marketingtheorie, die Markenprodukten eine identitätsstiftende Funktion zuweist. Doch bei Stähr kippt diese „gekaufte Identität“ schnell in Aggression um. Sie kann als Symbol gelesen werden für eine Gesellschaft, die sich immer mehr individualisiert, entsolidarisiert und in der jeder nach seinem eigenen Vorteil strebt – auch mit Gewalt.

Die im Text befindlichen Umwandlungen können auch als Schlafphasen angesehen werden. Gerade die einprägsamen, groteskverlaufenden Bilder können auf die REM-Phase hindeuten. Man könnte sogar sagen, dass der gesamte Text den (Alb)Traum einer Konsumgesellschaft darstellt.  – Welche tiefen Spannungen sind in einer marktorientierten Gesellschaft nicht verarbeitet und daher explosiv?

Mit „In einem Stück“ ist dem Linzer Autor eine brillante psychologische Marktkritik gelungen. Auch ästhetisch besticht er durch die kongeniale Verbindung zwischen Inhalt und Form. Und Stähr zeigt uns sehr eindrücklich die tiefenpsychologische Seite der so oft beschworenen oberflächlichen Konsumgesellschaft!

Angelo Algieri
7. Dezember 2011

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.



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