Bruno Kreisky. Ein österreichisches Schauspiel, Belgrad.
Um 22.50 Uhr hat Kreisky noch ein Briefing, ein Gespräch mit den österreichischen Journalisten angesetzt, um ihnen Auskunft über die Ereignisse der Verhandlungen zu geben und sie über Ansichten der jugoslawischen Regierung, außenpolitische Aspekte betreffend, zu informieren. Die Villa, in der Kreisky untergebracht ist, entspricht im Kleineren dem, was über das Haus der Förderation gesagt wurde. Kreisky ist überraschend schnell vom Empfang zurückgekommen, so dass es anfangs ziemlich laut im Raum ist, da noch immer Journalisten eintreffen. Vor den Journalisten beherrscht und genießt Kreisky den Wechsel von vertrauensvoller Ausführlichkeit und zugeknöpfter Knappheit. Nach einiger Zeit verschränkt er die Hände über dem Bauch und lehnt sich beim Sprechen genießerisch zurück. (Augenblicklich glänzt er gerade durch Namens- und Ortskenntnisse.) Das Sakko rutscht zur Seite, kurz sieht man Hosenträger, bevor er sich wieder zurechtrichtet. Die Landeshauptleute Wagner und Sebastian sitzen daneben und schweigen. Kreisky lässt durch eine energische, verstärkende Geste mit der Hand neben dem schon bekannten Hosenträger nun auch die Initialen B. K., die in sein Hemd gestickt sind, sichtbar werden. Um Mitternacht beendet er das Briefing, nachdem keine Fragen mehr gestellt werden. Er steht auf und ruft seinen Sekretär: „Petritsch!“, und lässt sich das Programm für den nächsten Tag geben.
(S. 115, 116)
© 2012 S. Fischer, Frankfurt am Main.