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Anna Rottensteiner: Lithops. Lebende Steine.

Roman.
Innsbruck: Edition Laurin, 2013.
121 Seiten, Hardcover, Eur 16,90.
ISBN 978-3-902866-06-6.

Leseprobe

Autorin

Ein Dorf in Südtirol am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Alleinerziehende Mutter, ein Sohn. Es geht schon. Irgendwie. Eine starke Frau kann hart arbeiten, auch einen Hof alleine bewirtschaften, wenn es sein muss. Und ein intelligentes Kind kann etwas lernen und in der Stadt ins Gymnasium gehen. Es geht schon. Irgendwie. Solange man auf der richtigen Seite steht, wird man unterstützt. Aber was ist die richtige Seite? Gibt es überhaupt eine richtige Seite? Und welche Sprache spricht man da? Anna Rottensteiner erzählt in ihrem Roman die Geschichte von kleinen Leuten, konfrontiert mit der großen Geschichte. Der Zusammenhalt im Dorf endet dort, wo die Frage, wer deutsch spricht und wer italienisch, zu einer politischen Frage wird. Natürlich, wenn eine deutschsprachige Bäurin den italienischen Dorflehrer beherbergt, um ihre Familie über die Runden zu bringen, ist das schon ihre Sache. Macht nichts. Sie sitzt dann halt alleine in der Kirchenbank. Und ihr Junge braucht auch nicht mehr ministrieren kommen und das Schulgeld für das Franziskanergymnasium in Bozen kann leider auch nicht mehr bezahlt werden. Aber es geht schon. Irgendwie. Eine starke Frau kommt über die Runden. Und wenn man sich nicht explizit Feinde macht, wird man auch nicht angegriffen. Oder doch?

Ein zentrales Thema des Romans ist die Möglichkeit oder vielmehr die Unmöglichkeit einer Flucht vor der Geschichte ins Private. Man kann sich nicht tot stellen. Man muss sich entscheiden. Und man muss auch damit leben können, wenn man sich falsch entschieden hat. Wer an der Wegbiegung stehen bleibt, wird von den Ereignissen überrollt. Man kann sich nicht verstecken, aber vielleicht kann man sich tarnen, um unsichtbar zu bleiben, wie Lithops in einer Steinwüste. „Lithops“ sind Pflanzen, die von den Steinen, zwischen denen sie leben, kaum zu unterscheiden sind. Sie sind an ihre karge Umgebung ideal angepasst und sehr genügsam. Sie werden auch „Lebende Steine“ genannt. Und sie geben dem Roman seinen Titel.
Wie diese Lebenden Steine sind Franz, der deutschsprachige Bauernjunge aus Südtirol, und Dora, die Tochter des ursprünglich aus Rom stammenden Dorflehrers: Sie brauchen nicht viel, wollen nicht viel, vor allem nicht auffallen, und wünschen sich Ruhe und Frieden und ein Leben miteinander. Nach dem Krieg ziehen sie nach Norden, nach Finnland. Dora sammelt Steine und baut aus ihnen Skulpturen. Und Franz erzählt ihre Geschichte im Rückblick:
Dora ist begeistert vom italienischen Faschismus, sie arbeitet als Ausiliaria, als Stubenmädchen für Clara Petacci, die Geliebte des Duce. Franz gerät in die deutsche Spionageabwehr, verbringt den Krieg hinter einem Abhörgerät und soll Mussolini und seine Geliebte überwachen. Da hört er eine Stimme, die er kennt, die Stimme von Dora. Und er weiß nicht, was er tun soll. Stillhalten bringt beide lebend durch den Krieg. Und als Dora einmal nicht stillhält, als sie weint beim Anblick der Leichen von Clara und Benito, da fällt der Mob über sie her, schneidet ihr die Haare und misshandelt sie.

Jahrzehnte später fahren Dora und Franz nach Italien und stellen sich ihren Erinnerungen und ihrer Vergangenheit. Ihre Liebe hat überdauert, ihre Traumata aber auch. Anna Rottensteiner erzählt, zuweilend nüchtern dokumentarisch, zuweilen melancholisch von einem Mann, der seine Frau geduldig durch ein Leben begleitet, in dem sie für vieles keine Worte findet. Ihre Ausdrucksweise sind die Steine, die sie in Finnland in immer neuen Figuren anordnet, und so, wie sie die Steine schleppt, schleppt sie das Gewicht von allem, was war. Es wird hin- und her geblendet zwischen der Gegenwart in Finnland bzw. einer Rom-Reise und den Begebenheiten in der Vergangenheit. Anna und Franz sind Lithops, lebende Steine, Fossilien der Weltgeschichte. Man hat sie nie gefragt, was sie wollen, aber sie und ihre Liebe haben überlebt. Gut getarnt.

Sabine E. Dengscherz
19. März 2013

Originalbeitrag
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.


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