Ein Wort hätte alles verändern können. Ein Wort hätte sich ausbreiten können wie Feuer.
Ein Wort hätte sie beide retten können. – S.204
Erster Satz:
Wenn du merkst, dass deine Tochter verschwunden ist, breitet sich eine Eiseskälte in deiner Magengrube aus, deine Beine tragen dich nicht mehr.
Inhalt:
Die Liebe eines jungen Mannes, die plötzlich in Gewalt umschlägt, die Ohnmacht seines Opfers und die Macht längst vergessener Ereignisse – präzise, berührend und mit beeindruckender Menschenkenntnis erzählt Weltbestsellerautorin Jodi Picoult die dramatische Geschichte eines jungen Mädchens, dessen Vater eine schwere Entscheidung zu treffen hat.
Meine Meinung:
„Schuldig“ ist nun mein fünftes Buch der Autorin. Dadurch ging ich mit relativ hohen Erwartungen an die Geschichte rund um Trixie und ihre Familie heran. Jodi Picoult gehört zu meinen Lieblingsautoren und bisher haben es all ihre Bücher geschafft, mich restlos zu begeistern. „Schuldig“ schaffte dies nun nicht vollkommen und ist wirklich nicht Picoults bestes Werk – trotzdem ist es ein wirklich lesenswerter und solider Roman, den man ohne Bedenken weiterempfehlen kann.
Ich bin immer der Meinung, wer noch keinen Roman von Picoult gelesen hat, hat auf jeden Fall etwas verpasst. Denn auch in dieser Geschichte beweist die Autorin wieder ihr feinfühliges Gespür für die Welt der menschlichen Empfindungen und Verhaltensweisen. Jeder ihrer Charaktere ist vielschichtig und liebevoll gezeichnet. Jeder Charakter hat seine eigene Vergangenheit und seine eigenen Probleme. So konstruiert Picoult komplexe Charaktere, die sich in einer tiefgründigen Geschichte vereinen, die auf den Leser authentisch und wahr wirkt. Allerdings muss man bei dieser komplexen Erzählweise auch ein Fan von wechselnden Perspektiven sein. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von jedem Charakter geschrieben - die Protagonisten, in diesem Fall Trixie und ihr Vater, Daniel, haben in dieser Geschichte den Löwenanteil zu erzählen. Doch auch der ermittelnde Detektiv bekommt immer wieder ein paar Seiten, in denen er die Geschichte aus seiner Sicht erzählen kann. Ich finde diese wechselnde Erzählweise immer unheimlich interessant, weil ich so das Gefühl habe, dass ich einfach viel mehr von der Geschichte mitbekomme. Trotz der wechselnden Perspektiven ist die Geschichte flüssig und logisch geschrieben, sodass man zu keiner Zeit Angst haben muss, den Faden zu verlieren. Gerade bei Picoults Büchern finde ich diesen Wechsel unheimlich wichtig, weil dadurch ihre komplexen und vielschichtigen Charaktere erst so richtig zur Geltung kommen, da jeder Charakter mal zu Wort kommt und man somit als Leser nachvollziehen kann, warum er so handelt und sich so verhält.
Gerade auch dieses Verständnis für jeden Charakter fasziniert mich immer wieder an Picoults Büchern. In ihren Büchern gibt es kein Schwarz oder Weiß, kein Böse oder Gut, kein Hell oder Dunkel. Jeder ihrer Charaktere trägt beides in sich, hat seine guten Seiten, aber auch seine Fehler – eben genau so, wie es im wirklichen Leben auch ist. Dadurch schafft sie es, dass man sogar den Täter auf irgendeine Weise verstehen kann. Und das man sich als Leser selbst auf einmal nicht mehr sicher ist: kann man diesen Charakter wirklich nur als bösen Täter sehen oder steckt vielleicht auch etwas Gutes in ihm? Und genauso stellt man sich auch in „Schuldig“ die Frage: Ist es immer so einfach, dass der Täter der Böse und das Opfer der Unschuldige ist? Denn so einfach ist es im wahren Leben auch oft nicht. Auch im wahren Leben gibt es nicht nur schwarz und weiß – auch hier gibt es so viele Facetten dazwischen, sodass kein Mensch nur das Gute und sich tragen kann.
Zudem ist die Geschichte hinter „Schuldig“ wieder einmal sehr gut recherchiert. Man merkt, dass sich die Autorin wirklich mit dem Thema und mit der Gefühlswelt der Menschen auseinander gesetzt hat. Wie die Charaktere in ihrem Buch handeln und sich verhalten – es ist einfach absolut authentisch und realistisch geschrieben. Picoult hat einfach ein Händchen dafür, die Gefühlswelt ihrer Charaktere vielschichtig und facettenreich zu beschreiben.
In „Schuldig“ geht es nicht nur um eine Vergewaltigung, sondern auch noch um einige Dinge mehr, die das Leben so für manche Familien als Hindernisse bereit hält. Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, aber da jeder Charakter so seine Vergangenheit und Fehler mitbringt, könnt ihr euch auf einen facettenreichen und interessanten Roman freuen. Was ich allerdings auch noch an diesem Buch unheimlich interessant finde, ist die Tatsache, dass Picoult nicht nur diese Probleme des Lebens beschreibt, sondern auch die Folgen unseres Handelns. Dinge, die für uns klein erscheinen, bei denen wir uns entscheiden, sie zu tun oder eben nicht zu tun. Dinge, die wir aussprechen oder bei denen wir uns entscheiden, sie für uns zu behalten – so unbedeutend diese kleinen Dinge für uns auch sein mögen: Auf das Leben eines anderen Menschen kann es ein ungeheures Ausmaß haben.
Nun noch zu den kleinen Kritikpunkten, die ich an diesem Roman habe, denn die gibt es durchaus, auch wenn ich Picoult bisher nur so in den höchsten Tönen gelobt habe. Die Wendepunkte in „Schuldig“ sind nicht so erschreckend und dramatisch, wie in ihren bisher gelesenen Büchern, sondern eher fast schon vorhersehbar. Allerdings kann ich nicht mit Genauigkeit sagen, ob dies daran liegt, dass „Schuldig“ nun schon mein fünftes Buch der Autorin ist, oder ob in diesem Buch die Wendungen wirklich eher vorhersehbar sind. Da das Buch trotzdem nicht langatmig wird, ist dies wirklich nur ein kleiner Kritikpunkt. Was mich mehr gestört hat, war, dass ich in diesem Buch, trotz der wirklich vielschichtigen und komplexen Charaktere, keinen wirklichen Sympathieträger finden konnte. Ich fand alle Charaktere zwar unheimlich interessant und komplex gestaltet, doch war keiner dabei, der mir während meiner Zeit mit „Schuldig“ so richtig ans Herz gewachsen ist. Dadurch denke ich auch, dass dieses Buch leider nicht allzu lang in meinem Gedächtnis verweilen wird. Dafür fehlte bei mir einfach dieser Sympathieträger, der wirklich meine Emotionen anspricht und weckt.
Fazit:
„Schuldig“ ist nicht Picoults bestes Werk, aber trotzdem lesenswert. Ihre vielschichtigen und komplexen Charaktere vereinen sich zu einer tiefgründigen und gut recherchierten Geschichte, der jedoch der Sympathieträger fehlte, sodass zwar alle Charaktere wirklich gut ausgearbeitet worden sind -doch fehlten mir dadurch beim Lesen einfach die Emotionen. Trotzdem kann ich dieses Buch ohne Bedenken weiterempfehlen, denn Picoult beweist auch in diesem Werk, dass sie ein unglaublich gutes Gespür für menschliche Verhaltensweisen und Emotionen besitzt, sodass auch dieser Roman absolut authentisch und real wirkt.