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Rezension von Irene Kreutzinger

 
 

Norbert Gstrein, Das Handwerk des Tötens.
Roman.
Frankfurt: Suhrkamp, 2003.


„Schon wieder Kosovo!“ mag man vielleicht denken, wenn einem das Buch Das Handwerk des Tötens von Norbert Gstrein in die Hände fällt und man den dazugehörigen Klappentext liest. Aber immerhin: Ausgezeichnet mit dem Uwe-Johnson-Preis, da muss ja was dran sein an dem Buch.
Drin in dem Buch ist die Geschichte von gleich drei Journalisten, die, jeder auf seine Weise, versuchen, sich der Geschichte des Krieges im ehemaligen Jugoslawien anzunähern.

Paul, ein Freund des namenlosen Ich-Erzählers, versucht seiner verkrachten Existenz ein Highlight aufzusetzen, indem er die Ermordung des österreichischen Kriegsberichterstatters Allmayer zum Anlass nimmt, den Roman seines Lebens zu schreiben. Paul kannte Allmayer aus Studienzeiten, und wie alles, was Paul im Leben passiert, sieht er das als einen Wink des Schicksals, ist dadurch von seinem Lebenszweck überzeugt und übernimmt die Aufgabe, den Nachlass Allmayers literarisch zu verwerten. Zu diesem Zweck reist er zusammen mit seiner Freundin Helena, deren Eltern zufälligerweise aus Jugoslawien stammen, und dem erwähnten namenlosen Ich-Erzähler zu den Kriegsschauplätzen, um Licht ins Dunkel der (Kriegs-) Wirrnisse zu bringen.  Als dann ein auf Tonband aufgezeichnetes Interview mit einem ehemaligen kroatischen Kriegsherren auftaucht, in dem der verstorbene Allmayer die alles entscheidende Frage, wie es denn sei, jemanden umzubringen, stellt, merkt man, dass das Dunkel einfach nicht zu erhellen ist. Paul wird immer tiefer in das Leben und Sterben von Allmayer hineingezogen und geht letzten Endes daran zugrunde.

Eine kleine Romanze, die sich zwischen der Freundin Pauls und dem Ich-Erzähler anbahnt, würzt das Ganze, bleibt aber letzten Endes doch nur Nebenschauspiel, und eigentlich weiß nach der dreieckigen Beziehung nun endgültig niemand, worum es denn überhaupt geht und was das eigentlich soll.

 

Was an dem Buch ziemlich bald auffällt, ist die Distanziertheit zu sämtlichen geschilderten Ereignissen, die dadurch erreicht wird, dass der Leser alles was passiert aus dritter Hand erfährt. Grausame Bilder, Leichen, Verstümmelung, Entsetzen, Mord und Totschlag, das alles wird einem nicht direkt vor den Latz geknallt, sondern immer ist eine Instanz dazwischengeschaltet, der Ich-Erzähler, der die Schrecken sozusagen dadurch relativiert, dass er sie nur vom Hörensagen kennt. Auch der zeitliche Abstand zu den Kriegsereignissen trägt dazu bei.

 

„Schon wieder Kosovo!“ ist es also allein deshalb nicht, weil das Bild das vom Krieg übermittelt wird, nicht das allgegenwärtige der blutrünstigen Medienaufmachung ist, sondern das Bild der Menschen, die versuchen, ohne das ganze Betroffenheitsgetue die Wahrheit hinter der Kulisse zu finden. Dass es diese Wahrheit gar nicht gibt und letzten Endes alles mehr medialer Schein als Sein bleibt, ist das Ergebnis, zu dem sie kommen.

Es geht nicht darum, möglichst blutrünstig und dadurch reißerisch das Übel des Krieges zu verdammen, sondern um den Umgang mit all dem Entsetzen, vor allem um dessen Verarbeitung durch die Medien, aber letzten Endes auch um den Umgang jedes einzelnen damit. Seitenhiebe auf Kriegsberichterstatter und Reporter, die den Krieg dazu nützen, sich eine goldene Nase zu verdienen, werden kräftig ausgeteilt.

 

Die Zwischenschaltung eines Ich-Erzählers ist ein literarischer Kunstgriff. Problematisch daran ist aber, dass sich Gstreins Erzähler in endlos langen, verschachtelten und dadurch komplizierten Satzkonstruktionen in seiner Skepsis über alles Gehörte ergeht, und man als Leser manchmal einfach die Geduld darüber verliert. Diese Langatmigkeit fällt an dem Buch störend auf. Aufgeblasen auf satte 380 Seiten wird ein Bild auf die Kriegsberichterstattung und die mediale Umsetzung des Großereignisses „Krieg“ vermittelt, das in diesem Umfang einfach langweilig gerät. Man verzweifelt über teilweise seitenlanges, banales Gewäsch und null Handlung.

Irgendwie erweckt das Buch einen erzwungenen, zu gekünstelten Eindruck, weil man das Gefühl nicht los wird, dass eigentlich nichts mehr zu sagen bleibt.

 

Das Handwerk des Schreibens beherrscht Gstrein ganz ohne Zweifel. Leider bleibt es in diesem Buch beim reinen Handwerk. Auf der Strecke bleiben  Einfühlung, Intuition und das Interesse des Lesers.

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