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Rezension von Angelika Unterpertinger

 
 

Bettina Galvagni, Persona.
Roman.
München: Luchterhand, 2002.


Persona
, der zweite Roman der jungen Südtiroler Medizinstudentin Bettina Galvagni, ist nach ihrem Bestseller Melancholia erneut rezensionswürdig. Der Titel lässt ein psychologisches Thema, C. G. Jung im Hinterkopf , erahnen. Tatsächlich geht es in diesem Roman um die Lebensgeschichte einer allmählich neurotisch -psychotisch werdenden 21- Jährigen, der es nicht und nicht gelingt, sich in die Gesellschaft einzugliedern. Die Persona, im Sinne des Schichtenmodells der Persönlichkeit von C. G. Jung,  bezeichnet die soziale Rolle des Menschen, die er in der Auseinandersetzung mit der Außenwelt annimmt. Sie bedingt das Verdrängen anderer, den Gesellschaftsnormen entgegen gesetzter Persönlichkeitsanteile, so dass die Persona als eine Art Maske zu begreifen ist, die das eigentliche Wesen verdeckt. Diese Maske fehlt der Hauptfigur Lori.

Der Roman beginnt, als diese ungefähr zwanzig Jahre alt ist. Sie besucht Französischkurse an einer Universität in Paris, wo Mme Elvira ihre Lieblingsprofessorin ist. Regelmäßig geht sie zu einer Psychotherapeutin, Mme Eliza. Einen engeren Kontakt pflegt Lori zu Ulysses, einem älteren Professor. Gleichaltrige Freunde hat sie keine, allenfalls einen, nämlich Alexander, Annes älteren Bruder.

Ihre Kindheits- und Jugendfreundin Anne wurde regelmäßig von deren Vater missbraucht. Vergewaltigt wurde auch Lori. Anne hat inzwischen Selbstmord begangen. Loris depressive Mutter ist an einer Überdosis Tabletten gestorben, als Lori Teenager war. Über den Vater Loris erfährt man wenig. Über Weihnachten reist Lori mit Ulysses nach Israel, um dort ihre Psychotherapeutin zu sehen. Dafür opfert sie ihm ihren Körper. Die Therapiestunden bei Mme Eliza verlaufen erfolglos: Lori beginnt zunehmend Textstellen literarischer Werke in ihre biographischen Aussagen hinein zu nehmen und die Sprechinhalte zu sexualisieren. Mehr und mehr bindet sie sich, wenigstens geistig, an Mme Elvira und Mme Eliza, deren Optimismus sie bewundert. Eliza beschließt im Sommer in Tel–Aviv bei ihrem Mann zu bleiben. Darüber ist Lori traurig, sie versucht, Selbstmord zu begehen, überlebt. Der Weitergang des Romans bleibt offen.

 

Die Sprache ist leicht verständlich und dennoch sorgsam gewählt. Mit belebenden Worten, Sätzen und Absatzverknüpfungen kommt der Lesefluss in Gang.

Galvagni schreibt spannend über die Emotionen und Gedanken Loris. Es scheint,  als würde Lori selbst über ihr Leben erzählen,  dennoch tut dies ein im Außen stehender Erzähler.

Die Autorin führt durch die einfühlsame Sprache und die psychologisierende Darstellung, gegenwärtige Erlebnisse und Eindrücke mit vergangenen zu assoziieren, in die traumatisierte Welt ein. Durch diesen Erzählstil wird die Führungsübernahme des Unbewussten über das Bewusstsein  veranschaulicht. Ebenfalls psychologisch bedeutsam ist die ausgeprägte Farbsymbolik. Eine gewisse Spannung, die bis zum Schluss anhält, bleibt dank des langsamen Herantastens an die wesentlichen Momente der Lebensgeschichte erhalten. Dieses Buch bietet einen Einblick in das Innenleben Loris.

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