Richtig führen: Zwischen Nähe und Distanz
Jun20
Führungskräfte befinden sich in mehr als einer Hinsicht stets im Zwiespalt, schließlich hängen von ihren Entscheidungen das Schicksal von ganzen Unternehmen und unzähligen Mitarbeitern ab. Der Aufstieg auf die Management-Ebene erfolgt meist schrittweise und bringt auf jeder Stufe seine ganz eigenen Herausforderungen mit sich. Besonders schwierig: Wie gehe ich als neuer Chef mit meinen alten Kollegen um?
Es spricht einiges dafür, als Führungskraft Distanz zu den Mitarbeitern zu wahren: Vor allem Gerechtigkeit spielt eine Rolle. Ein Geschäftsführer muss in der Lage sein, jeden Mitarbeiter objektiv zu beurteilen und Kritik ehrlich zu äußern. Nichts kann verhindern, dass man den einen oder anderen Mitarbeiter sympathischer findet – dies darf sich jedoch keineswegs in den Management-Entscheidungen widerspiegeln. Freundschaften müssen angesichts der Mitarbeiterführung zurückgestellt werden.
Gerade Mitarbeiter, die erst in eine leitende Position befördert worden sind, fühlen sich häufig unsicher, wie sie mit der neuen Situation umgehen sollten. Wenn man vorher Teil des Teams und nicht sein Leiter war, muss man die Kollegen, mit denen man regelmäßig in die Mittagspause ging, jetzt plötzlich siezen und sich von ihnen fernhalten?
Die Antwort darauf lautet ganz klar nein: Heutzutage hat das „Sie“ viel von seiner formellen Bedeutung verloren und stellt nicht mehr automatisch eine autoritäre Distanz her. Es ist völlig in Ordnung, als Chef von seinen Mitarbeitern geduzt zu werden.
Dennoch müssen sich Führungskräfte eines klar machen: Gemeinsame Mittagspausen, Gespräche über Privates etc. erfolgen eingeschränkter. Der unbeschwerte Austausch mit den Kollegen sollte sich auf Oberflächlichkeiten beschränken. Natürlich kann man herzlich gerne nach dem Befinden der Familie fragen, doch sollte man nicht mehr erwarten, bei Themen wie Unzufriedenheit mit bestimmten Projekten ins Vertrauen gezogen zu werden.
Führungskräfte wandeln auf einem schmalen Grat: Einerseits möchte man nicht den harten Entscheider mimen, andererseits muss man in der Lage sein, Missstände deutlich anzusprechen und zu kritisieren. Einerseits möchte man nicht das Gefühl vermitteln, sich bei den Kollegen anzubiedern, andererseits möchte man nicht auf den persönlichen Kontakt verzichten.
Letztlich gibt es kein Patentrezept für den einen perfekten Führungsstil. Das Wichtigste ist, dass sich Chefs mit ihrem Stil identifizieren können und es zu einem positiven Outcome des Unternehmens beiträgt. Die Grundlage für erfolgreiches Führen ist das Gefühl für Angemessenheit, für die Kollegen und für Situationen. Als Chef muss man Verantwortung übernehmen und Vertrauen verdienen. Ein ausgewogenes Verhältnis von Nähe und Distanz kann dabei helfen.