Freitag, 22. Juni 2012

Weshalb man Mitarbeitende in der Krisenkommunikation nicht vergessen sollte.

Für einmal folgt an dieser Stelle der Hinweis auf einen Blogbeitrag, den ich für die Kalaidos Fachhochschule und AKAD Business auf dem Portal hrundleadership.ch geschrieben habe. Der Beitrag zeigt auf, welch wichtigen Wert der Einbezug der Mitarbeitenden in Krisensituationen hat. 

Dienstag, 14. Februar 2012

Grosser Kommunikationsausfall bei upc cablecom

Eigentlich sollte upc cablecom in den letzten Jahren viel Erfahrung in Krisenkommunikation gesammelt haben. Doch die jüngste Grosspanne im Telefonienetz beweist das Gegenteil. Dem Telekomunternehmen droht damit erneut harsche Kundenkritik und wirtschaftlicher Schaden.


Kommunikation beim Telekommunikationsgiganten? Fehlanzeige. Die Kundenreaktionen unter den Online-Berichten sprechen Bände. Entgegen der usprünglichen Angaben von upc cablecom scheint das Telefonienetz auch 24 Stunden nach dem Grossausfall noch immer nicht bei allen Kunden zu funktionieren, was das Unternehmen über Twitter auf Anfrage von Usern auch bestätigt. 


Kunden beklagen sich online über lange Wartezeiten bei der Hotline und sind entsprechend frustriert. Kein Wunder, sind die Mitarbeitenden im Kundenservice überfordert. Dass upc cablecom keine Entschädigung ausrichten will, dürfte noch verkraftbar sein. Für viel Unmut und lange Wartezeiten am Telefon (so denn funktionierend) sorgt vielmehr die äusserst dürftige Krisenkommunikation von upc cablecom.


Auch 24 Stunden nach der Störung findet sich im Medienbreich auf der Homepage von upc cablecom nicht einmal eine offizielle Medienmitteilung. 


upc cablecom Mediacenter 14.2.2012 - 13.20 Uhr


Nicht wirklich besser sieht es auf der Homepage selber aus. Wer Informationen zur Grosspanne sucht, muss beinahe mit der Lupe suchen.


Wer findet die Informationen zur upc-cablecom-Grosspanne? (Hinweis: gelb markiert)


Kein Wunder also, rufen die Kunden massenhaft auf die Hotline an, wo sie dann in der Warteschlaufe hängenbleiben.


Klar leidet das Image von upc cablecom allein durch die Panne an sich. Doch wesentlich gravierender dürfte sich die miserable Kommunikation auswirken. Da hilft auch eine magere Entschuldigung via Pressesprecher herzlich wenig, wenn die Informationspolitik auf Beschönigung und Verheimlichung sowie falsche Ankündigungen ausgerichtet ist. So wirkt die Entschuldigung letztlich eher wie ein Hohn auf die Kunden. upc cablecom wäre gut beraten, unverzüglich zu einer offenen, transparenten und aktiven Krisenkommunikation auf allen Kanälen übergehen. Das würde nicht nur das Image stärken, sondern auch die Toleranz der verärgerten Kundinnen und Kunden.


Das wäre auch mit Blick auf die Zukunft ratsam: Denn die nächste Panne kommt bestimmt. Und die öffentliche Sensibilität wird dann umso höher sein...

Montag, 6. Februar 2012

Gute Krisenkommunikation muss menschliche Reflexe überwinden.


Wie Unternehmen und Persönlichkeiten mit kritischen Situationen optimal umgehen und ihre Reputation bewahren können. Interview in der WIRTSCHAFTSzeit (Nr. 74 / Februar 2012).

Herr Binz, Sie haben 2009 mitgeholfen, in der Schweiz den Verband für Krisenkommunikation zu gründen. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Die Bedeutung der Krisenkommunikation heute wird nach wie vor unterschätzt. Wir waren damals eine Handvoll Spezialisten, die dem entgegenwirken wollten. Obschon wir anfangs zum Teil belächelt wurden, haben wir beschlossen, mit Hilfe eines Verbandes den Stellenwert und die Qualität der Krisenkommunikation zu verbessern. Inzwischen verfügen wir über einen qualitativ hochstehenden Kodex, zählen 60 Mitglieder und stossen auch bei Unternehmen auf immer grösseres Interesse.

Und was bringt der Verband den Mitgliedern und Interessierten?
Der Nutzen ist sehr vielfältig. Einerseits werden wir oft als Experten befragt. Organisationen gelangen an uns, wenn sie Beratung oder Fachreferenten suchen. Besonders hilfreich ist der fachliche Austausch. Wir treffen uns regelmässig und diskutieren aktuelle Krisenfälle, aus denen wir Lehren ziehen. Meistens liefern betroffene Unternehmen selber einen Input.

Weshalb wird denn Ihrer Ansicht nach Krisenkommunikation oft unterschätzt?
Das ist eine gute Frage. Hierzu müssen wir das mediale Umfeld genauer betrachten. Der öffentliche Diskurs hat sich mit der rasanten Entwicklung des Internets komplett verändert. Geschichten eskalieren nicht mehr erst dann, wenn die Zeitung am anderen Tag erscheint. Storys sind heute blitzschnell publik, in Online-Medien und insbesondere in Social Media wie Facebook und Twitter. Jedermann ist heute quasi Reporter. Diese Beschleunigung geht einher mit einer zunehmenden Empörung und Skandalisierung in den Medien. Gleichzeitig haben Journalisten immer weniger Zeit, Fakten sorgfältig zu prüfen. Selbst eine vermeintlich kleine Ursache kann heute rasch zur Affäre oder zum Skandal ausbreiten, und zwar in Windeseile über Landesgrenzen hinweg. Krisenkommunikation spielt sich international und in Echtzeit ab. Je schneller man informiert, desto grösser ist die Chance, Schaden abzuwenden. Doch darauf sind viele potenziell Betroffene schlicht ungenügend vorbereitet.

Was hat dies für die Betroffenen für Konsequenzen?
Die Folgen sind verheerend. Wer in einer kritischen Situation zu lange mit der Kommunikation wartet, bereitet blauäugig selbst den Nährboden für Spekulationen und «Enthüllungen». Beispiele dafür gibt es fast täglich. Nehmen wir den Deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff, Karl-Theodor zu Guttenberg oder den zurückgetretenen Schweizer Nationalbankpräsidenten Philipp Hildebrand. Sie alle haben nur zögerlich und häppchenweise auf die erhobenen Vorwürfe reagiert. Darunter hat nicht nur ihre eigene Reputation, sondern auch jene ihrer Institutionen massiv gelitten. Hätten sie stattdessen rasch und transparent agiert, hätten sie viel Glaubwürdigkeit bewahren können.

Kann man denn eine solche Entwicklung überhaupt verhindern?
Ja, mit Sicherheit. Für eine gute Krisenkommunikation ist es nie zu spät. Dies bedingt jedoch ein Bewusstsein darüber, dass die heutige Gesellschaft volle Transparenz verlangt. Und zwar nicht erst, wenn man öffentlich dazu gezwungen wird. Gerade zu Guttenberg und Hildebrand hätten sich mit Sicherheit ohne grossen Vertrauensverlust im Amt halten können, wenn sie von Beginn weg alle Fakten offen auf den Tisch gelegt hätten. Und auch Herr Wulff hat durch Intransparenz alle Glaubwürdigkeit verspielt – nicht wegen des kritisierten Privatkredits notabene, sondern weil er mit den medialen Fragen sehr seltsam umging. Langes Zuwarten, Vertuschung, Ablenkungsmanöver, mangelnde Selbstkritik, Schuldzuweisungen oder oberflächliche Rechtfertigungen sind häufige Fehler, durch die Exponenten ihr Gesicht verlieren. Was früher noch möglich war, funktioniert heute nicht mehr. Im Gegenteil: Betroffene werden so lange kritisiert, bis die Öffentlichkeit das Gefühl hat, man habe jetzt wirklich alles offen gelegt.

Das klingt sehr einleuchtend. Wie erklären Sie sich, dass gerade hochrangige Persönlichkeiten in kritischen Situationen offensichtlich falsch reagieren?
Das trifft nicht nur Menschen in Top-Positionen, sondern kann uns allen passieren. Wir reagieren einfach menschlich. Das heisst, Angriffe kontern wir instinktiv mit Abwehr oder Gegenangriff. Kritik empfinden wir oft als unberechtigt oder übertrieben. Und wir neigen dazu, etwas als weniger schlimm darzustellen, zu beschönigen oder zu vertuschen. Das sind menschliche Reflexe, die es in der Krisenkommunikation zu überwinden gilt. Das hat viel mit Psychologie zu tun. Es gilt, die selbstschädigenden Verhaltensmuster zu durchbrechen.

Das klingt sehr belastend. Wie schafft man das in der Praxis?
Oft wird gesagt, hochrangige Persönlichkeiten seien «beratungsresistent». Das lasse ich für mich nicht gelten. Ich arbeite intensiv an der Einsichtsfähigkeit meiner Mandanten. Und ich verstehe, dass es für sie meist schwierig ist, über den eigenen Schatten zu springen, kritische Fragen wirklich ernst zu nehmen oder sogar Selbstkritik zu üben. Das ist belastend, weil die Fakten für Betroffen sehr unangenehm sein können. Sie werden von der Angst vor negativen Schlagzeilen getrieben. Ich versuche deshalb jeweils aufzuzeigen, dass das Gegenteil jetzt entscheidend ist: Lieber eine etwas negative Geschichte erdulden, als später wochenlang in den Schlagzeilen zu stehen. Wer aktiv informiert, den Dialog mit Kritikern offen und transparent pflegt, wirkt glaubwürdig. Das zeugt von gutem Krisenmanagement. Wer dagegen verschlossen bleibt, erleidet einen Vertrauensverlust. Diese Argumentation hilft meistens, eine Krise wirklich als Chance zu begreifen.

Sie haben eingangs erwähnt, dass sich der öffentliche Diskurs komplett verändert hat. Haben damit klassische PR und Marketingmassnahmen in der Krisenbewältigung ausgedient?
Das würde ich so nicht sagen. Tatsache ist aber, dass ein Umdenken stattfinden muss. In vielen Unternehmen sind Kundenservice, Marketing, PR und Kommunikation an verschiedenen Orten angesiedelt. Jeder pflegt sein Gärtchen. Um Kommunikationskrisen zu verhindern oder effektiv zu bewältigen, müssen diese Abteilungen eng zusammenrücken. Ein Beispiel: Im November 2010 gab es bei der Swisscom einen mehrstündigen Ausfall im mobilen Datennetz. Erste Hinweise lieferten Hunderte von Kunden über Twitter und Facebook. Bis das Unternehmen auf denselben Kanälen und auf der Homepage informierte, vergingen Stunden. Das führte dazu, dass besorgte Kunden massenhaft auf die Swisscom-Hotline anriefen. Sofort waren die Telefonberater überlastet. Es gab lange Wartezeiten, was zusätzlich für Ärger sorgte. Ironie des Schicksals: Gleichzeitig lief eine Werbekampagne, in welcher Swisscom sich für «das beste Netz der Schweiz» selber lobte. Die Inserate erschienen online und in Zeitungen teilweise direkt unter den Berichten über den Netzausfall... Hätte die Kommunikation rasch und bereichsübergreifend funktioniert, hätten sich die Kunden besser betreut gefühlt – und die peinlich wirkende Inseratekampagne wäre unverzüglich ersetzt worden, zum Beispiel durch eine Entschuldigung. Aus diesem Fall hat Swisscom sicher viel lernen können.

Könnten Sie zum Schluss noch die wichtigsten Empfehlungen für eine erfolgreiche Krisenkommunikation zusammenfassen?
Entscheidend sind heute die unverzügliche, wahrhaftige und transparente Kommunikation. Und zwar nach innen (Mitarbeitende, Familien- und Bekanntenkreis) wie auch nach aussen gegenüber Stakeholdern und der Öffentlichkeit. Ich staune immer wieder, wie sehr die interne Kommunikation vernachlässigt wird: Alle Mitarbeitenden einer Firma in den Schlagzeilen müssen heute zwingend wissen, was sie sagen können zur aktuellen Lage. Denn sie werden zuhause, von Bekannten oder im Dorfverein darauf angesprochen. Hier vernachlässigen Unternehmen oft wertvolles Multiplikationspotenzial, das eine sehr grosse Glaubwürdigkeit hätte. 


Montag, 9. Januar 2012

Nationalbank: Willkommen im Zeitalter moderner Krisenkommunikation.

Mit dem Rücktritt von Philipp Hildebrand ist die leidige Geschichte der Schweizerischen Nationalbank rund um die «Dollar-Affäre» noch lange nicht zu Ende. Es ist das eindrücklichste Beispiel dafür, dass Krisenkommunikation nach alter Schule heute ins Verderben führt. Am Anfang stand die Intransparenz. 


Ein bisschen Lobbying, ein paar mediale Exklusiv-Ablenkungsmanöver starten, selber lange schweigen und abwarten, dann ein wenig in die Offensive gehen, am Schluss bei vollem Druck salamitaktisch alle Karten auf den Tisch legen, wenn es schon zu spät ist. Und fast vergessen: Mit Anwälten drohen. So sehen die typischen Muster der «Old School»-Krisenkommunikation aus, welche regelmässig hochrangige Akteure zum Rücktritt bewegen. Nach einem mehr oder minder gravierendem, vorangehendem Verhalten natürlich. Zum Rücktritt, der ex ante betrachtet nicht notwendig wäre – und ex-post, weil man ja nachher schlauer ist, nicht notwendig gewesen wäre.


So erging es auch Nationalbank-Präsident Philipp Hildebrand. Er ist heute zurückgetreten. Seine Hauptbegründung: Die beschädigte eigene Glaubwürdigkeit lässt eine Ausübung seines Amtes nicht mehr mit voller Kraft zu. Es war nochmals ein guter Auftritt mit einer äusserst gescheiten und logischen Argumentationskette. Völlig nachvollziehbar. 


Doch bei nüchterner Beurteilung führt die Geschichte wieder an den Anfang zurück. Philipp Hildebrand ist nicht gescheitert in den letzten Tagen, in denen er souverän und solide argumentiert, breit überzeugt hat. Er scheiterte an den zwei Wochen zuvor. Ursache für den nicht mehr wettzumachenden Glaubwürdigkeitsverlust ist das lange Schweigen der Nationalbank und ihres Präsidenten seit der völlig missratenen Initialkommunikation am 23. Dezember. Diese war national wie international der Nährboden für Spekulationen, Verunsicherung und «Enthüllungen». Mit jedem Tag des neuen Jahres litt die Glaubwürdigkeit massiv. Erst auf medialen Druck wurden die Fakten tatsächlich offengelegt, Transparenz geschaffen. Da war es – wie befürchtet – schon zu spät. Der bereits eingetretene Vertrauensverlust verhinderte einen Sieg der Fakten, die an Beweiskraft verloren hatten. Auch wenn es die Verantwortlichen ungern hören: Das war Salamitaktik, ein tiefer Schnitt ins eigene Fleisch. 


Hätte man der Meute von Anfang an die ganze Salami hingeworfen und reinen Wein eingeschenkt, hätten nicht so viele Köche die Suppe heissgekochen. Die meisten Angriffe wären elegant ins Leere gelaufen. Aber so, so stehen die Hauptakteure am Ende nach viel guter Arbeit mit abgesägten Hosen da, weil sie mit der vollen Wahrheit nur scheibchenweise und unter Druck rausgerückt sind. Es riecht zumindest nach Vertuschung und Lügen. Das erträgt es heute nicht mehr.


Nun tragen jene den politischen Sieg davon, die offensichtlich lügen (Blocher) und eine Kampagne gegen die SNB fahren (Weltwoche). Das ist staatspolitisch sehr bedauerlich und dürfte noch viel zu reden geben. Eine von Beginn weg strategisch optimierte Kommunikation hätte niemals den aggressiven, polemisch argumentierenden Gegnern so offen in die Hand spielen dürfen. 


Nationalbank wird noch lange unter der Affäre leiden.
Eine Illusion wäre es zu denken, mit dem Rücktritt Philipp Hildebrands werde nun Ruhe einkehren bei der Nationalbank. Der Bankrat muss nun unter Argusaugen zunächst seine Hausaufgaben machen, faktisch bezüglich strengerer interner Richtlinien, aber auch in der Kommunikationsstrategie. Auch die Bank Sarasin, die Wirtschaftsprüfer von PwC, die Eidgenössische Finanzkontrolle, der Bundesrat mit Eveline Widmer-Schlumpf an der Spitze – und nicht zuletzt die konspirativ wirkende SVP-Führungsriege um Christoph Blocher – werden noch unzählige kritische Fragen zu gewärtigen haben.


Es werden Geschichten auf Geschichten folgen. Und jede von ihnen wird wohl oder übel direkt oder indirekt ein negatives Licht auf die Schweizerische Nationalbank werfen, abfärben. Man bedenke: Am Anfang stand die intransparente Kommunikation derselben, die auf einem heiklen Verhalten ihres Präsidenten fusste. Es ist das beste Beispiel dafür, dass Krisenkommunikation heute rein über Beziehungen, Lobbying und Spielchen hinter den Kulissen nicht mehr funktioniert. Willkommen im Zeitalter moderner Krisenkommunikation. 


www.rolandbinz.com | www.crisiscommunicators.ch

Donnerstag, 5. Januar 2012

Kommunikation der Nationalbank desaströs und wertvernichtend.

Ein Blick in die Presse vom Donnerstag zeigt: Die bisherige Kommunikationspolitik der Nationalbank erweist sich als desaströser Bumerang. Sollte SNB-Präsident Philipp Hildebrand zum Rücktritt gezwungen werden, ist dies nicht primär auf dessen heikle Dollar-Geschäfte zurückzuführen. Dies hätte mit einer transparenten Kommunikation von Beginn weg weitgehend kompensiert werden können. Hauptursache für den immensen Glaubwürdigkeitsverlust der SNB und Philipp Hildebrands sind typische Fehler in der Krisenkommunikation: Intransparenz, Beschönigungsversuche, Ablenkungsmanöver, langes Schweigen, Schuldzuweisungen an Dritte, mangelnde Selbstkritik, Salamitaktik.

Die Zeit, 5.1.2012
Nun bestätigt sich, was an dieser Stelle gestern unter dem Titel «Riskantes Spiel der Schweizerischen Nationalbank» befürchtet wurde. Mit der viel zu späten Publikation des PwC-Gutachtens und der internen Richtlinien für Eigengeschäfte wird klar, dass die Nationalbank in ihrer Initialkommunikation am 23. Dezember 2011 alles andere als die volle Wahrheit publizierte – und der Persilschein für ihren Präsidenten Philipp Hildebrand bei weitem nicht so weiss ist, wie es die SNB dargestellt hatte. Auch die von der SNB als Im Mitteilungstitel als "haltlos" bezeichneten Gerüchte erscheinen inzwischen doch in etwas anderem Lichte. Dies bestätigt ein kurzer Blick in ausgewählte Zeitungsschlagzeilen von heute Morgen:
  • Das Potenzial eines Skandals (NZZ)
  • Die Affäre um SNB-Präsident Hildebrand spitzt sich zu (NZZ)
  • Hildebrand in heikler Mission (St. Galler Tagblatt)
  • Hildebrand muss die Konsequenzen ziehen (Berner Zeitung)
  • Es reicht, Herr Hildebrand (Aargauer Zeitung)
  • Revisoren rügen Hildebrands heikles Devisengeschäft (Der Bund)

Vorausschauende Kommunikation würde helfen.
Wenn nun Philipp Hildebrand weiter unter Druck gerät, ist dies nicht die Schuld der wie oft zugespitzten Weltwoche-Kampagne, auch nicht jene der Whistleblower aus der Bank Sarasin – und auch nicht der SVP. Zwar sind die heiklen Dollar-Geschäfte der Familie Hildebrand Auslöser für die Kritik. Am Anfang stand also ein mindestens streitbares Verhalten in seiner Funktion als SNB-Präsident. Das lässt sich nicht wegreden. Er und die Nationalbank haben es jedoch verpasst, durch eine vorausschauende Kommunikationsstrategie rasch Klarheit zu schaffen. Sie haben damit den Raum für fortdauernde Spekulationen und immer neue «Enthüllungen» selber zu verantworten. Die Nationalbank hat damit massiv an Eigenwert vernichtet. Offenkundig waren Hildebrand und seine Berater nicht in der Lage, mögliche Entwicklungen vorauszusehen und entsprechend risikohemmend zu kommunizieren. Dabei sollte gerade in Bankkreisen Antizipation eine Kunst sein, die beherrscht wird.

Hier nochmals die wichtigsten Fehler im Überblick:
  • Unvollständige, beschönigende Initialkommunikation > Folge: Enthüllungen
  • Langes Schweigen zu offenen Fragen > Folge: Spekulationen
  • Schuldzuweisung an Dritte (Whistleblower, Blocher, SVP) > Folge: Neue Gegenwehr
  • Ablenkungsmanöver (Einsatz von Kashya Hildebrand, Empörung über Datendiebstahl, Androhung rechtlicher Schritte) > Folge: Misstrauen
  • Salamitaktik (späte Publikation dessen, was ohnehin bekannt wird) > Folge: Vertrauensverlust
  • Nicht nachvollziehbare Rechtfertigung ("FIFO-Prinzip") > Folge: Unverständnis
  • Mangelnde Selbstkritik > Folge: Skandalförderung
Insgesamt haben also Nationalbank und Philipp Hildebrand die ursprüngliche Situation – ein heikles Verhalten durch gewinnbringende Dollargeschäfte – durch ihre ungeschickte Informationstaktik massiv verschlimmert. Die Folgen für die Nationalbank und das Ansehen der Schweiz sind schwer abzuschätzen. Berichte in ausländischen Medien fallen jedoch wenig schmeichelhaft aus (Die Zeit: «Bankenskandal: Wulff auf Schweizerdeutsch»).

Bundesrat und Bankrat geraten unter Druck.
Heute nun will sich Philipp Hildebrand erstmals öffentlich erklären an einer Medienkonferenz. Man darf gespannt sein. Es ist fraglich, ob inzwischen noch genügend Asche übrig ist, die er sich aufs Haupt streuen kann. Soviel vorweg: Es gibt nur einen einzigen Weg, wie er seinen Kopf noch aus der Schlinge ziehen und Vertrauen zurückgewinnen kann. Diese höchsten Weihen der Krisenkommunikation unterliegen allerdings dem Beratergeheimnis.

Tatsache ist: Wie auch immer Hildebrand sich verlauten lässt, diese hausgemachte Affäre ist noch lange nicht zu Ende. Denn aufgrund der ungeschickten, undurchsichtigen Kommunikation wird nun die Kompetenz des Bankrats der SNB auf den Prüfstand gestellt werden. Auch die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) mit Kurt Grütter an der Spitze wird viel zu erklären haben. Und schliesslich macht auch die Schweizerische Bundesregierung bisher alles andere als einen souveränen Eindruck. Der Bundesrat liess sich bis anhin stets durch seinen Sprecher verlauten und beschränkte sich darauf, Philipp Hildebrand das Vertrauen auszusprechen. Besser früher als später muss sich der Bundesrat persönlich zu Wort melden. Denn die Öffentlichkeit versteht dieses Schweigen in der jetzigen Situation nicht mehr. Hinzu werden monatelange politische Diskussionen kommen, nicht nur über die Ausgestaltung der internen SNB-Richtlinien oder das Öffentlichkeitsgesetz, welches die Nationalbank bisher explizit ausschliesst.

Die Schweiz hätte von Wulff lernen können.
Viele dieser auch in Zukunft imageschädigenden Diskussionen hätte sich die Nationalbank ersparen können. Indem sie – ganz einfach – rasch die Fakten auf den Tisch gelegt und Klarheit geschaffen hätte. Auch wenn diese Klarheit zunächst einmal unangenehme Folgen gehabt hätte (siehe Blog-Header). Sie wäre allemal erträglicher gewesen, als es die erdrückende Situation heute ist.

Übrigens: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie des Schicksals, dass die Nationalbanker eigentlich mit einem diskreten Blick auf den deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff viel hätten lernen können in dieser Zeit. Dieser begeht seit Wochen genau die gleichen Kommunikationsfehler. Er hat längst alle Glaubwürdigkeit verspielt und es verpasst, seinem seit langem absehbaren Rücktritt wirksam vorzubeugen. 




Update 19.30 Uhr – Befreiungsschlag der SNB.
Mit seinem einstündigen Auftritt vor versammelter Medienschar (SF: «Ich bedaure, was passiert ist») hat SNB-Präsident Philipp Hildebrand mehrere Elemente einer guten Krisenkommunikation an den Tag gelegt. In der jetzigen Situation hat er Pluspunkte gesammelt, aber nicht nur. Er hat einerseits plausibel die Fakten erklärt, Transparenz gezeigt und versprochen sowie eine minimale Portion an Selbstkritik geübt. Plus einen Hauch von Menschlichkeit. Das war wichtig. An diesen Worten wird er künftig gemessen werden, die müssen wasserdicht sein. Andererseits: Der Schritt an die Öffentlichkeit erfolgte, mit schlechter Begründung, zehn Tage zu spät (die heutige Medienwelt erlaubt entgegen der Annahme Hildebrands ein solch langes Zuwarten nicht). Die Gründe für die bewusste Intransparenz in dieser Zeit konnte Hildebrand selber nicht erklären. Und es bleibt fraglich, ob die breite Öffentlichkeit nun nachvollziehen kann, weshalb ein Nationalbankchef in diesem grossen Umfang Devisengeschäfte tätigt. Ein schaler Beigeschmack bleibt, trotz des eingeräumten Fehlers. Doch die offene Art des Auftritts war wichtig, um (insbesondere in der internationalen Finanzwelt) Druck von seiner Person und der Nationalbank wegzunehmen.


Und ziemlich elegant liegt der Ball nun wieder bei den Kritikern von rund um die Weltwoche, welche den Beweis für ihre Behauptungen teilweise schuldig ist. Auch Alt Bundesrat und SVP-Nationalrat Christoph Blocher gerät wegen seines langen Schweigens und seiner undurchsichtigen Rolle "als Briefträger" sichtlich in Erklärungsnot («Hildebrand ist untragbar – wir fordern eine PUK»). Seine Worte dürften nur noch einen Bruchteil der Bevölkerung beeindrucken. Darüber hinaus gilt das gestern und oben Geschriebene: Diese Geschichte zur um die Nationalbank ist für verschiedene Exponenten noch lange nicht zu Ende erzählt. Zuviel Geschirr wurde seit dem 23. Dezember zerschlagen.


Klammer: Vom heutigen Auftritt hätte nun der deutsche Bundespräsident Christian Wulff etwas lernen können. 


Update: Interview TeleZüri vom 6. Januar 2012



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Mittwoch, 4. Januar 2012

Riskantes Spiel der Schweizerischen Nationalbank.

Die Finanzwelt blickt gebannt auf die Schweizerische Nationalbank. Deren Präsident Philipp Hildebrand gefährdet durch eine intransparente Informationspolitik in eigener Sache die Glaubwürdigkeit des Finanzplatzes Schweiz. Anstatt mit professioneller Krisenkommunikation Vertrauen zu schaffen, destabilisiert sich die Nationalbank durch Intransparenz selber und richtet mehr als nur Imageschaden an. Was könnte sie besser machen?


Tages-Anzeiger, 31.12.2011
Am Silvester feierte der Tages-Anzeiger den Nationalbank-Präsidenten Philipp Hildebrand als «Schweizer Rockstar der Eurokrise». Er wirke "kompetent, souverän, seriös und cool". Vier Tage später sieht die Welt anders aus. Die ganze Finanzwelt schaut inzwischen gebannt, welche seltsamen Dinge am Bundesplatz 1 in Bern vor sich gehen (FAZ: «Der Notenbankchef und das liebe Geld»). Grund genug, einen genauen Blick auf die aktuelle Kommunikation der Schweizerischen Nationalbank (SNB), dessen Präsidenten sowie das involvierte Umfeld zu werfen.


Die Mitteilung des Bankrats.
Wohl im Wissen um die Brisanz und um einem «Enthüllungsskandal» zuvorzukommen, tat die SNB am 23. Dezember 2011 einen überraschenden, aber wichtigen Schritt in die Offensive. Sie lancierte die Geschichte selber mit einer Medienmitteilung unter dem Titel «Gerüchte gegen den Präsidenten des Direktoriums erweisen sich als haltlos. Bankrat schliesst Untersuchung ab.» Da war von zwei Dollarkäufen in der Familie von SNB-Präsident Hildebrand vor Einführung des Mindestkurses die Rede, welche jedoch «vollumfänglich den reglementarischen Anforderungen entsprechen». Untersuchung abgeschlossen, Ende der Geschichte – dachte die Nationalbank. Doch was als Offensive gut gemeint war, erweist sich bei näherer Betrachtung als inhaltlich unausgereifte Strategie:


1. Die Mitteilung der SNB war unvollständig und deshalb nicht geeignet, weiteren Enthüllungen präventiv zuvorzukommen. So blieben einerseits die Dollarbeträge, um welche es sich handelte, unerwähnt. Ebenso grosszügig wurden die späteren Franken-Rückkäufe, aus denen die Familie Profit erzielen konnte, ausgelassen. Die angedeuteten «Gerüchte» wurden nicht im geringsten erklärt und warfen zusätzliche Fragen auf.


2. Die Mitteilung der SNB versucht den Eindruck zu erwecken, dass es sich um eine Kleinigkeit handelte. Inzwischen ist bekannt, dass die Familie Hildebrand im Oktober einen mutmasslichen Währungsgewinn von immerhin 61'000 Franken erzielte. Das wäre alles schön und legitim, wenn es sich nicht um Transaktionen handeln würde, welche über das gemeinsame eheliche Privatkonto des Nationalbank-Präsidenten abgewickelt wurden. Der Verdacht des Insiderwissens wird nicht widerlegt.  


3. «Untersuchung abgeschlossen, kein Missbrauch von privilegierten Informationen». Diese Botschaft mag faktisch zutreffen. Hingegen erklärt die SNB-Mitteilung mit keinem Wort, weshalb der Bankrat zu diesem Schluss kam. Ein derartiger «Persilschein» wirkt niemals glaubwürdig, wenn er für Aussenstehende – sprich Medien und Öffentlichkeit – mangels Begründung nicht nachvollziehbar ist.


Insgesamt darf man die Kommunikationsoffensive der SNB als "netten Versuch" werten, die brisante Geschichte im Keim zu ersticken. Eine effektive Krisenkommunikation erfordert jedoch von Beginn weg volle, nachvollziehbare Transparenz, welche bis heute durch die Nationalbank und Philipp Hildebrand nicht hergestellt worden ist. Stattdessen wirft die SNB mit ihrer Kommunikation mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Eine fatale Strategie.


Klammer: Unter Druck kommen dürfte in einer späteren Phase auch der Direktor der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK). Kurt Grütter hat den Persilschein höchstpersönlich mitunterzeichnet — und verteidigt ihn aktuell in Stellungnahmen gegenüber Medien


Die weiteren Enthüllungen – und das Schweigen.
NZZ Online, 1.1.2012
Es folgte, was bei unvollständigen Informationen immer folgt: weitere Enthüllungen. Zunächst gingen die Medien instinktiv den Fragen nach, welche die SNB in ihrer Mitteilung aufwarf, aber nicht beantwortete («Mr President, alles o.k. mit dem Dollar-Deal?»). Es war der Beginn eines Schweigens, das nun bereits zehn Tage anhält. Es folgten weitere Hintergründe und Spekulationen zum Datendiebstahl, bei denen letzten Sonntag SVP-Stratege Christoph Blocher in den Fokus rückte («Blochers fragwürdige Rolle»). Offensichtliche Absicht der Nationalbank-Strategen ist es, den Datendiebstahl in den Vordergrund zu rücken – ein Ablenkungsmanöver, das sich als wenig wirksam erweisen wird. 


Die Stellungnahme von Kashya Hildebrand.
10vor10 vom 03.01.2012
In dieselbe Richtung zielt auch der Einsatz von Kashya Hildebrand mit einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der TV-Sendung 10vor10: «Wahrscheinlich das wichtigere Thema ist, dass jemand unsere Finanzdokumente von unserer Privatbank gestohlen hat, und dass man damit die Schweizerische Nationalbank destabilisieren will. Ich finde, dies ist ein schockierender Vorfall und ich würde gerne die Motive dahinter verstehen.» In der Stellungnahme (hier abgedruckt auf Blick.ch) zeigt sich Frau Hildebrand befremdet über den Wirbel in dieser Sache. Das mag zutreffen, ebenso ist der Datendiebstahl widerrechtlich. Doch letzteres werden die Strafverfolgungsbehörden beurteilen, nicht die Familie Hildebrand. Sehr viel glaubwürdiger wäre es deshalb, wenn Hildebrands Verständnis zeigen würden für die Fragen, welche sich aufgrund ihrer speziellen Position stellen. Würden sie Einsicht signalisieren, würde das Interesse an ihnen schwinden, Glaubwürdigkeit und Sympathie gleichzeitig steigen. Gegenangriff und Unverständnis sind in Kommunikationskrisen erfahrungsgemäss schädliche Reaktionsmuster. Sie werden dazu führen, dass die Geschäfte und das Umfeld von Kashya und Phillip Hildebrand Gegenstand weiterer Medienrecherchen werden... 


Klammer: Auch die offensichtliche Ablenkungsstrategie, überhaupt die Ehefrau in den Fokus zu rücken, wirkt eher ungeschickt angesichts der Tatsache, dass die zentrale Transaktion über das gemeinsame Privatkonto abgewickelt wurde. 


Die Intransparenz-Strategie der Nationalbank.
NZZ Online, 3.1.2012
Seit ihrer Mitteilung vom 23. Dezember 2011 sieht sich die SNB wie erwähnt mit zahlreichen Fragen konfrontiert, die sie sich selbst zuzuschreiben hat. Ins Zentrum rückte in den letzten zehn Tagen das Reglement über Eigengeschäfte des Direktoriums. Welche Richtlinien sieht es vor? Eisern hält die Schweizerische Nationalbank dieses Reglement – im Gegensatz etwa zur transparenten grossen Schwester EZB – unter Verschluss. Und sie schweigt sich zu den Richtlinien aus, welche für den Eigenhandel gelten. Das führt dazu, dass die Öffentlichkeit nicht nachvollziehen kann, weshalb der SNB-Bankrat und die EFK zum ihrem Untersuchungsergebnis kamen. Diese Intransparenz erweckt den Eindruck, es werde etwas verheimlicht und vertuscht. Die «Dollar-Affäre» droht zunehmend zum «Dollar-Skandal» zu wachsen. Und zwar hausgemacht durch die Nationalbank selber mit nicht kalkulierbaren Folgen für den Finanzplatz Schweiz. Es ist höchste Zeit, dass die SNB ihre Richtlinien publiziert – früher oder später wird sie ohnehin dazu gezwungen, wobei die Nationalbank vom Öffentlichkeitsgesetz explizit ausgenommen ist. Mit jedem Tag des Schweigens steigt jedoch das Risiko, dass die SNB politisch zur Publikation der Richtlinien gezwungen wird oder diese durch Indiskretionen ans Licht kommen – ganz zu schweigen vom inzwischen gewaltigen öffentlichen Druck. 


Die unangenehme Situation der Bank Sarasin.
Datendiebstahl bei der Bank Sarasin
In einer ebenfalls sehr schwierigen Situation befindet sich die Bank Sarasin. Als renommierte Schweizer Privatbank wurden ihr Bankdaten gestohlen, was die Dollar-Affäre vermutlich überhaupt erst ins Rollen brachte. Ein Sarasin-Mitarbeiter hatte die Kontodaten der Familie Hildebrand weitergegeben. Eine Verletzung des Bankgeheimnisses im eigenen Haus par excellence. Können Kunden der Privatbank sicher sein, dass ihre Daten sicher sind? Dieses Vertrauen muss die Privatbank mit einer guten Kommunikation gegenüber Kunden und Öffentlichkeit wiederherstellen. Einen ersten wirksamen Schritt hat die Sarasin-Direktion getan. Sie hat den fehlbaren IT-Mitarbeiter entlassen. Und sie kommuniziert den Vorfall sehr offen in einer Medienmitteilung. Sie macht auch keinen Hehl daraus, dass ihr die Sache unangenehm ist. Ein gelungenes Beispiel, wie Krisenkommunikation funktionieren kann. Entsprechend unkritisch fallen die Medienberichte aus (NZZ Online: «Bank Sarasin deckt Verbindung zu Blocher auf»). Dennoch dürfte auch sie sich noch mit weiteren Fragen, beispielsweise zu Kontrollmechanismen, konfrontiert sehen. Es ist davon auszugehen, dass die Bank Sarasin sich bewusst ist, welch wichtigen Stellenwert momentan die Kommunikation intern, gegenüber Kunden und weiteren Stakeholdern hat.


Die Lügen des Christoph Blocher.
Blocher lügt vor laufender Kamera.
Wie aus der Mitteilung der Bank Sarasin ersichtlich ist, erhielt  SVP-Nationalrat Christoph Blocher die Bankdaten bereits am 11. November 2011 zugespielt. Brandschwarz lügt Blocher in die Kamera des Schweizer Fernsehens: «Von dem weiss ich nichts.» Man stelle sich das einmal vor, dieser Mann war einmal Bundesrat und Justizminister! Gewohnt pathetisch verkündet er noch die «Zeit des Schweigens» und macht sich lustig über kritische Fragen. Dass der in die Jahre gekommene SVP-Vizepräsident an seiner eigenen Demontage arbeitet, war bereits im Kontext der Wahlen und bei der undurchsichtigen Beteiligung an der Basler Zeitung zu beobachten. Er hat definitiv die Zeit des Abgangs verpasst und leistet damit seiner Partei einen Bärendienst. Seine verspielte Glaubwürdigkeit dürfte gnadenlos auf die SVP abfärben, die spätestens nach der Wahlniederlage hätte merken sollen, dass die Zeit für einen Wechsel in der Führungsriege gekommen ist. Mit derart offensichtlichen Kommunikationsfehlern läuft die SVP mehr und mehr in eine öffentliche Vertrauenskrise, was für eine Regierungspartei, die stärkste im Land, sehr schlecht wirkt.


Das Fazit.
Es gibt eine Zeit der Transparenz. Und die ist immer im Fall von Kommunikationskrisen, wie jene um die Nationalbank und deren Präsidenten Philipp Hildebrand. Es ist bereits sehr viel Zeit verstrichen. Und mit jeder weiteren Stunde des Schweigens wird der Schaden grösser werden. Die Nationalbank bzw. Philipp Hildebrand muss jetzt unverzüglich hinstehen und alle Fakten auf den Tisch legen. Sie müssen einsehen, dass nicht der Datendiebstahl die Nationalbank destabilisiert, sondern das eigene kommunikative Verhalten. Wozu beharrliches Schweigen und desaströse Aussitzversuche im Elfenbeinturm führen, lässt sich derzeit am Bespiel des deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff (Tagesschau: «Abtreten, Herr Präsident!») seit Tagen beobachten – eine Selbstdemontage aus dem Lehrbuch. Im Fall der Nationalbank geht um viel mehr als um ein Dollargeschäft der Familie des Präsidenten. Auf dem Spiel steht die Glaubwürdigkeit des Finanzplatzes Schweiz – und der Schweizer Regierung. Letztere ist nun ebenfalls gefordert, mehr zu tun als zu schweigen. Durch die ungenügende Kommunikation in den letzten Wochen ist bereits viel Schaden entstanden. Sie hat die Aufmerksamkeit der Finanzwelt geradezu angezogen. Es ist allerhöchste Zeit, dass die Verantwortlichen jetzt endlich Grösse, Führungs- und Kommunikationsfähigkeit beweisen. Oder das, was man Philipp Hildebrand noch vor wenigen Tagen attestierte: kompetent, souverän, seriös und cool auftreten. Ansonsten wird keine Ruhe einkehren.




Nachtrag
10.45 Uhr: Oft geht es schneller, als man denkt. Das ist die Folge, wenn man statt auf Transparenz auf Ablenkungsmanöver setzt: «Schwere Vorwürfe gegen Hildebrand». Ob Spekulation oder Fakt – derartige Enthüllungen sind definitiv vermeidbare Kommunikationskrisen (siehe Analyse oben). 


15.20 Uhr: Nun reagiert die Nationalbank. Sie publiziert sowohl ihre internen Richtlinien wie auch den von ihr in Auftrag gegebenen Untersuchungsbericht von PwC. Download hier. Wie auch immer die Papiere inhaltlich interpretiert werden, die Publikation erfolgt spät. Zumal gemäss PwC-Bericht gewisse Transaktionen tatsächlich heikel waren. Jedenfalls scheint der Persilschein für "PMH" nicht so weiss zu sein, wie ihn die Nationalbank am 23. Dezember 2011 verkauft hatte. Und in der Zwischenzeit – seit dem 23. Dezember 2011 bis heute – wurde sehr viel Schaden angerichtet. Dass nun Philipp Hildebrand nochmals einen Tag verstreichen lässt bis zu seiner ersten Stellungnahme, bietet nochmals Raum für Spekulationen.


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Freitag, 19. August 2011

Thomas Gottschalk und sein Medienanwalt. Ein Lehrbeispiel für missglückte Rechtskommunikation.

Erneut sorgt ein Medienanwalt für mehr Schlagzeilen, als seinem Mandanten lieb sein kann. In diesem Fall geht es um das Gehalt von Showmaster Thomas Gottschalk bei der ARD. Das Geld für Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Schertz hätte sich Gottschalk allerdings sparen können – und dabei in der Öffentlichkeit erst noch mehr erreicht.


Es gibt viele Medienanwälte in Deutschland, die machen ausgezeichneten Job, wie der Schreibende aus Erfahrung bestätigen kann. Sie helfen ihren Mandanten in schwierigen Situationen gegen Medienberichte, welche das gesetzliche Mass überschreiten. Dazu gibt es hin und wieder allen Grund. Von diesen Anwälten hört man indessen nichts, weil es ihnen gelingt, ihre Mandanten erfolgreich aus den Schlagzeilen zu bringen. Und es gibt Medienanwälte, die sind inzwischen berühmt. Zum Beispiel der ehemalige Showmaster und heutige Medienanwalt Prof. Dr. Ralf Höcker, der im Fall Kachelmann mit zweifelhaftem Erfolg wirkte, wie der Krisenblog dokumentierte. 


Thomas Gottschalk - ohne Medienanwalt - im
Manager Magazin (Screenshot 19.8.2011)
Das jüngste Beispiel kontraproduktiver Medienanwaltsarbeit lieferte am Donnerstag der ebenfalls berühmte Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Schertz. Auslöser für seine Intervention war ein Beitrag im Manager Magazin: Dieses behauptet, Showmoderator Thomas Gottschalk vervierfache mit seinem Wechsel zur ARD sein Grundgehalt auf rund 6 Mio. Euro pro Jahr. Das Manager Magazin zitiert dazu presserechtlich sehr korrekt: "Ein ARD-Sprecher sagte am Donnerstag, er könne die Summe von sechs Millionen Euro nicht bestätigen, denn es gebe derzeit noch keinen gültigen Vertrag." Insgesamt erschien also trotz etwas reisserischer Schlagzeile ein recht ausgewogener Beitrag.


Statt einfach einen kurzen (kostenlosen) Kommentar abzugeben, investiert Thomas Gottschalk sein offenbar nicht ganz so hohes Gehalt lieber in Prof. Dr. Christian Schertz. Sinnvollerweise verbunden mit dem Auftrag, die Medienberichte über seinen Gehaltssprung aus der Welt zu schaffen. Dies ist jedenfalls aus der Medieninformation abzuleiten, welche Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Schertz über Pressetext verschickte. Eine Medienmitteilung in alle Redaktionen, mit grossem Hitpotenzial in den Suchmaschinen wie Google. Das Groteske ist: Prof. Dr. Christian Schertz versucht, mit einer hochgradig öffentlichen Meldung eine andere öffentliche Meldung zu verhindern. Das geht nicht! Was passiert logischerweise? Die Geschichte verschwindet nicht etwa aus den Medien, sie wird vielmehr zusätzlich angereichert und gewinnt an Aufmerksamkeit. Zum Beispiel auf Welt Online oder auf N-TV sowie in vielen weiteren Medien. Alle berichten sie presserechtlich korrekt und ausgewogen über die Gottschalks Gehaltssprung, wie hoch auch immer dieser letztlich ausfällt. Jedenfalls besteht kein Grund, rechtlich zu intervenieren. Und für das reine Dementi ist nun wirklich nicht zwingend ein Anwalt notwendig.


Mit etwas kommunikativem Geschick, was einem Medienprofi wie Thomas Gottschalk eigentlich zuzutrauen sein sollte, hätte die Geschichte ganz anders laufen können. Nun aber ist sie einmal mehr Beweis dafür, dass so genannte Medienanwälte die Mechanismen der Medien und wirksamer Öffentlichkeitsarbeit wenig bis gar nicht verstehen. Statt ihren Mandanten – von Kachelmann bis Gottschalk – zu dienen, bewirken sie das Gegenteil. Sie verschlimmern die Geschichten und deren Reichweite, indem sie zusätzliche Aspekte beimischen. 


Oder wie schreibt Franco Gullotti, Jurist und Berater für Rechtskommunikation, auf Facebook: "Wahrscheinlich wurde hier abermals Kanzlei-PR mit Rechtskommunikation verwechselt. Und der Mandant zahlt diese PR-Aktion auch noch." Anders ausgedrückt: Auf Kosten von Thomas Gottschalk (finanziell und punkto Reputation), steigert Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Schertz seine eigene Bekanntheit.


Wirksame Rechtskommunikation funktioniert anders: Der gute Anwalt schätzt die rechtlichen Möglichkeiten ab – und greift auf rechtlicher Ebene direkt bei den fehlbaren Medien ein, sofern dazu überhaupt Anlass besteht. Begleitend dazu erfolgt in enger Abstimmung die Umsetzung der Kommunikationsstrategie. Im Fall von Thomas Gottschalk hätte ein kurzes, ehrliches Statement seiner selbst genügt – vielleicht sogar in jener humorvollen, lockeren Art, wie sie Gottschalk vor der Kamera oft an den Tag legt. Und schon wäre die Geschichte elegant zu Ende erzählt. Vielleicht erst noch mit einem Sympathiegewinn für den Showmaster. Nun aber steht Gottschalk da, als einer, der bei kleinstem Anlass mit der medienanwaltlichen Keule schwingt. 


Lieber Herr Gottschalk, war das wirklich Ihr Ziel? So kennen wir Sie gar nicht. Schade. 


P.S. Ach ja, "von einer Berichterstattung absehen", sollten die Medien ja gemäss Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Schertz, verbunden mit rechtlichen Drohgebärden. Daran möge an dieser Stelle doch nochmals erinnert sein.