Der Spiegel bringt die Ergebnisse der vom Deutschen Hochschulverband veröffentlichten Studie “Was Hochschulpräsidenten
und -rektoren denken” auf den Punkt
Der typische Hochschulrektor ist um die 60, wählt CDU und hält sich für unterbezahlt. Die Berufung guter Professoren ist ihm wichtig, mit Studenten hat er wenig zu tun
Interessant auch, dass das Interesse an den Studenten mit Fortschreiten des Studiums abnimmt: 35% halten die Qualität der Studienanfänger für sehr wichtig, für 30% ist die Absolventenzahl von höchster Bedeutung, für 8% die Zahl der Studienabbrecher und nur noch 1% sind an einer guten Beziehung zu den Alumnis der Universität sehr interessiert.
Und wie halten es die Rektoren mit dem Internet? Gefragt nach ihren Hauptquellen für Nachrichten, ergibt sich für die Rektoren folgendes Bild:
- Zeitung: 61%
- Fernsehen: 25%
- Radio: 19%
- Internet: 19%
- Zeitschriften: 12%
- Pressespiegel: 1%
- Gespräche: 1%
Die gesamte Studie gibt es hier zum Download als pdf.
Ich bin wirklich gespannt, ob Google mit dem morgen startenden “OpenSocial” (Link) es erneut schaffen wird, sich als verspäteter Einsteiger durchsetzen zu können. 1998 mit ihrer Suchmaschine, 2007 auf dem heißumkämpften Markt der Social Networks (damit ist vor allem gemeint: den nordamerikanischen und europäischen Markt, den in Südamerika sind Google mit Orkut bereits ganz vorne). Der Vergleich mit Yahoo drängt sich auf: das Unternehmen besaß schon länger ein Quasi-Netzwerk, das dann mit 360° eine einheitliche Identität bekam. Kürzlich versuchten sie dann, mit einer kuriosen Neuentwicklung namens Mash eine völlig neue Art des Social Networking zu erfinden, konnten sich damit aber nicht durchsetzen. Die Technorati-Grafik zeigt, wie schnell das Interesse abgeflacht ist:

Das sieht für Facebook im selben Zeitraum doch ganz anders aus:

Interessant ist jedenfalls, dass Google für ihr OpenSocial einen offenen oder besser integrativen Ansatz verfolgt, der ähnlich wie noserub (hier ist mein Profil) darauf abzielt, unterschiedliche Netzwerke miteinander zu vernetzen: “OpenSocial is a set of common APIs for building social applications on the web”. Das könnte einen Schritt aus der bisherigen Walled Garden-Malaise des Web 2.0 bedeuten, dass man zwar sehr leicht seine eigenen Inhalte in einen Webdienst einspeisen kann, diese aber nur sehr schwer wieder dort hinaus bekommt.
Wird es Google gelingen, einen Standard für den Datenaustausch zwischen sozialen Netzwerken zu definieren und eventuell sogar die Spielregeln des Social Networking-Spiels nachhaltig zu verändern, so wie es ihnen damals mit dem Suchmaschinen-Spiel gelungen ist? Mit Partnern wie XING, Friendster, hi5, LinkedIn, Plaxo, Newsgator und Ning dürfte das eine wirklich spannende Frage werden. Nach Richard MacManus könnten die Spielregeln in Zukunft wie folgt aussehen: “It’s Facebook vs MySpace vs The Rest – and The Rest is now operating under a Google framework.”
Weitere Informationen gibt es:
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Seit einiger Zeit ist der Begriff der “digital natives” (vgl. dazu auch Mark Prensky’s Artikel zum Thema sowie diesen aktuellen Beitrag von Klaus Eck) aus dem Sprachgebrauch der Medien- und Internetforscher kaum mehr wegzudenken. Damit soll die Generation derer beschrieben werden, die als Kind in das digitale Zeitalter hineingewachsen sind und die sich nicht (wie noch meine Generation) diese Welt selbst erarbeiten musste wie man eine Fremdsprache lernt. Die aktuelle Bravo-Jugendstudie “Faktor Jugend 9″ (pdf) hat sich auf explorativem Weg der Altersgruppe 12-15 genähert (wenn auch auf etwas geringer Datengrundlage von 20 Einzelinterviews und 2 Gruppendiskussionen).
Das zentrale Ergebnis der Exploration sind die unterschiedlichen Medienprofile, wie sie sich aus Sicht der Jugendlichen darstellen:
- Zeitschriften dienen den Jugendlichen als Ratgeber (“im schnelllebigen In & Out der Glamourwelt”), spielen aber auch im Freundeskreis eine wichtige Rolle: zum einen als Themenlieferant, aber auch als Beschäftigung (Tests). Dabei werden Zeitschriften als besonders glaubwürdig erfahren, da sie von Profis gemacht werden.
- Fernsehen wird dagegen bewusst dazu eingesetzt, auf unkomplizierte Weise die eigene Stimmung zu beeinflussen oder Zeit totzuschlagen, erscheint den Jugendlichen aber auch unentbehrlich um auf dem Schulhof mitreden zu können (der “GZSZ-Effekt”).
- Das Radio ist, was wäre anderes zu erwarten gewesen, zu einem reinen Ambient-Medium geworden: nur selten wird bewusst die Aufmerksamkeit auf dieses Medium gelenkt; in den meisten Fällen wird es in den Hintergrund verbannt. Eine Ausnahme: wenn es um lokale und regionale Veranstaltungstipps geht, ist das Radion bei den Jugendmedien ganz vorne mit dabei.
- Im Zusammenhang mit dem Internet rückt dagegen die Interaktivität in den Vordergrund: dieses Medium wird bewusst als Zwei-Wege-Kommunikation genutzt (“ich schreibe schnell zurück”). Darüber hinaus zeichnet sich dieses Medium aber dadurch aus, dass es amorph ist und vielen Zwecken dienen kann bzw. viele Medien ersetzen kann. Die Substitutionsthese erfreut sich also wenigstens in dieser Altersgruppe einer gewissen Beliebtheit! Komplexere Inhalte in Textform (Wikipedia) werden dagegen vor allem für schulische Zwecke genutzt. Das Internet ist interessanterweise das Medium, in dem die Jugendlichen am offensten für Werbebotschaften sind – besonders, wenn die Werbung neue Informationen oder einen gewissen Unterhaltungswert bietet – virale Botschaften sind bei den Jugendlichen besonders gern gesehen – und nicht zu aufdringlich ist.
- Interessanterweise geht die Studie extra auch auf das Schlagwort Web 2.0 ein, wenn auch nicht klar wird, was die Autoren damit meinen. Wie auch immer: Weblogs, Foren oder Online Communities werden von den Jugendlichen nicht als besonders wichtige Elemente ihrer Onlinenutzung beschrieben – wenn sie überhaupt schon einmal davon gehört haben. Stattdessen wird auf bewährte Ressourcen (Chat, MSN, ICQ oder “regionale Schülerseiten” – was ist damit gemeint?) zurückgegriffen.
- Das Handy dient den digitalen Eingeborenen vorrangig als permanente Verbindung zu ihrem Freundeskreis (vgl. dazu auch meinen Beitrag über mobiltelefonierende Nomaden), aber auch als Statussymbol und Gadget (“Mein Handy kann bessere Fotos machen als deins”). Insofern wird nicht nur mit Hilfe des Mobiltelefons kommuniziert, sondern das Handy ist selbst ein wichtiges Gesprächsthema.
Ach ja, ein weiteres Ergebnis: Wäre die Wikipedia ein Mensch, sie wäre Walter, ein Oldtimer-fahrender und Cordhosen-tragender Oldschooler, der informativ und interessant ist, aber bisweilen etwas länger braucht, um zu verstehen, worum es geht.
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Be a visible researcher (Danah Boyd)
Ich finde, das fasst es schon ganz gut zusammen, um was es beim Wissenschaftsbloggen geht.
Auf der einen Seite haben bloggende Wissenschaftler den Vorteil, ein vergleichsweise breites Publikum zu erreichen. Die Auflagen der deutschen Fachzeitschriften für Soziologie liegen beispielsweise zwischen 500 (Berliner Journal für Soziologie) und 1.700 (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie). Das ist ein Bereich, den ein Wissenschaftsblogger durchaus an einem sehr guten Tag erreichen kann (wobei man natürlich gedruckte Exemplare und Unique Visitors einer Webseite nur schwer vergleichen kann).
Auf der anderen Seite bedeutet diese Sichtbarkeit aber auch, dass man selbst als ForscherIn greifbarer wird und sehr viel stärker die Erwartung spürt, Stellung zu nehmen, Wissenschaft in Gesellschaft zu betreiben. Das wird sehr deutlich in Danah Boyds Beschreibung ihrer MySpace-Forschungen, die zwischen wissenschaftlicher Beobachtung und Aufklärung, wenn nicht sogar Parteinahme liegen.
Vor kurzem machte in der Blogosphäre ein kurzer Persönlichkeitstest die Runde, an dem unter anderem MC Winkel, nerdcore-René, Nilzenburger und Don Dahlmann mitmachten. Jetzt hat Felicitas Heyne, die hinter dem Test steckt, erste Ergebnisse in ihrem Blog vorgestellt, z.B. dass alle A-Blogger Idealisten sind. Insgesamt sind 40% der Blogger Idealisten, während es in der Gesamtbevölkerung nur 16% sind. In der Gesamtbevölkerung stellen die Realisten mit 46% die größte Gruppe, zu denen sich wiederum nur 13% der Blogger zählen. Und noch etwas: auch die Denker sind in der Blogosphäre stärker vertreten als in der Gesamtbevölkerung. Mit der egoload-Suchmaschine lassen sich nun Blogs nach der Persönlichkeitsstruktur ihrer Autoren finden. Interessanter Ansatz, wenn auch die üblichen Kritikpunkte an statischen Persönlichkeitskonzepten hier greifen dürften.
Abbildung: Freud_Sofa.JPG aus der freien Enzyklopädie Wikipedia mit dieser Versionsgeschichte
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Die Methoden und Techniken der sozialen Netzwerkanalyse (SNA) lassen sich nicht nur zur Untersuchung von Personen und ihren Beziehungen einsetzen, sondern auch Gegenstände können damit analysiert werden: Willkommen im Netz der Dinge.
Hier ein kleines Anwendungsbeispiel zu diesem Thema: Da ich selbst kein Apple-User bin, ist das für mich eine fremde Welt. Zum Glück kann man mit den amazon.de-Daten die Verbindungen zwischen unterschiedlichen Apple-Produkten abfragen und daraus dann einen netzwerkanalysefähigen Datensatz basteln. Im Folgenden habe ich den Apple iPod Touch 8GB als Ausgangspunkt genommen und das dazugehörige Ego-Netzwerk 2. Ordnung dargestellt (Klick zum Vergrößern):

Das Netzwerk wurde mit netzwerkanalytischen Reduktionsverfahren etwas eingedampft, damit man etwas erkennen kann (wen die Details, Einsatzmöglichkeiten und Verbindungsmöglichkeiten mit anderen Methoden der Onlineforschung interessieren, kann mich gerne kontaktieren). Und tatsächlich, allmählich bekomme ich eine Ahnung davon, wie die Apple-Nutzer so ticken:
- Sie sehen gerne mal eine DVD mit den neuesten Hollywoodfilmen wie etwa Pan’s Labyrinth, 300, Troja, Stirb Langsam 4.0, Transformers, Hannibal Rising oder Ghost Rising.
- Aber natürlich sagen die Appler auch zu einem kurzen Playstation-3-Spielchen nicht nein. Motorsport und Piraten scheinen hier Topthemen zu sein.
- Wer eine PS3 besitzt, nutzt diese vielleicht auch einmal zum Ansehen einer Blue-ray-Disk, etwa von Rocky Balboa oder eben 300.
- Wie zu erwarten war, verwenden iPod-Nutzer auch auf ihrem Computer Apple-Software, so dass auch iLife 08 und das Betriebssystem OS X Leopard zu ihren Favoriten gehören.
- Neben den iPod-Touch-Nutzern gibt es auch noch die iPod-nano-Nutzer, die ihr Gerät natürlich auch mit diversen Schutzfolien verkleben, aber hin und wieder auch etwas Sport treiben, wofür sie dann den iPod-Nike-Sport-Kit gekauft haben. Oder hat man einen iPod Touch fürs Büro und einen iPod nano für den Trimmdichpfad?
- Nicht auf dem reduzierten Netzwerk, aber ebenfalls ein Betätigungsfeld für iPod-Nutzer: Bücher und Hörbücher von Terry Pratchett, Ratgeber zu Ruby on Rails, atheistische Literatur von Richard Dawkins, Philips Wohnleuchten und Sony P1i-Smartphones.
So, genug der Analyse. Jetzt die Frage an euch, liebe iPod-Nutzer: Kommt das hin?
Zukunfts- und Trendforscher Matthias Horx nahm auf dem FRA-Medientreff seine Begeisterung für Weblogs als neue Kommunikationsmedien doch etwas zurück. Ist in dem “Zukunftsletter” noch von einer mit Weblogs verbundenen “existenziellen Verschiebung des Verhältnisses von Privatheit und Öffentlichkeit” die Rede, heißt es jetzt: “Menschen nehmen nur ernst, was raschelt”.
Er verweist auf stagnierende oder zurückgehende Klickzahlen, um seine These zu unterstützen, dass dem Web 2.0 und den Weblogs die “sinnliche Dimension” fehlt, weswegen dieses “Genörgel von tausenden von digitalen Spießern” auch keine ernsthafte Bedrohung für die Printpresse und ihre “kommentierende und hintergründige Berichterstattung” sein können. Außerdem könne man fast schon von einer “Renaissance der Langsamkeit” sprechen (wer ein bisschen recherchiert, stellt aber schnell fest, dass dieser Trend auch die Welt der Weblogs betrifft). Aber allzu drastisch will Horx das auch nicht verstanden werden und hält sich die Möglichkeit offen, dass nach der gegenwärtigen “Wild Gadget Phase” (= Technik als billige “Ausrede für nicht existente Inhalte”) doch noch eine “digitale Lifestyle-Phase” folgen könnte.
Wie könnte dieser digitale Lebensstil aussehen? Handelt es sich vielleicht um ein neues Vernetzungsmuster (Twitter, Facebook etc.) auf Grundlage eines erreichten hohen Individualisierungsgrades? Also um eine Art networked individualism?
Aha, allmählich bevölkert sich die Wissenschaftsblog-Szene in Deutschland. Diesen Monat neu hinzugekommen ist die Blogabteilung des Magazins Gehirn&Geist der Verlagsgruppe Spektrum der Wissenschaft (Holtzbrinck). Unter dem grünen Titel und Logo “brainlogs” bloggen hier sieben Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalisten zu psychologischen und neurowissenschaftlichen Themen:
Ob freier Wille oder Neuro-Enhancement, Online-Dating oder Alzheimer-WG, Kinofilme oder Anekdoten aus dem Forschungsalltag: Was immer Psyche und Gehirn betrifft – die Brainlogs-Blogger spießen es auf. Mal ernsthaft und tiefgründig, mal humorvoll mit einem zwinkernden Auge. Und jeder ist eingeladen, mit zu diskutieren!
Das Ziel ist die Verschränkung von Online- und Offlineangebot der Zeitschrift. So sollen die Blogs auch im Heft gefeatured werden und ich vermute, dass die Blogs immer mal wieder auch Themen aus dem Heft aufnehmen werden.
Ein paar Bemerkungen dazu: Momentan scheint das Portal eher noch im Betastadium zu sein: es fehlt eine vernünftige Navigation zu den älteren Beiträgen, eine persönliche Blogroll, ebenso eine Übersicht der unter dem Label firmierenden Blogs – sind es überhaupt sieben BloggerInnen? Auch besitzen die einzelnen Blogs (noch) keine eigene Identität, sondern man merkt nur an einem kleinen Foto des Autors oben im Header sowie einem versteckten anonymen Punkt “zur Person”, dass man sich in einem bestimmten Blog befindet. Hier sollte man doch den BloggerInnen eine kurzbiografische Darstellung gönnen, die von jedem Beitrag aus einsehbar ist. Da das Gefühl, im einem persönlichen Gespräch mit dem Autor zu stehen, eines der Kernpunkte des Bloggens ist (das hat Paguet 2002 so beobachtet und es gilt noch heute), bleibt hier einiges Potential ungenutzt.
Und wie wird das Blogexperiment aufgenommen? Wenn man die Kommentare betrachtet, so zeigt sich, dass auch hier vor allem Themen von den Rändern der Wissenschaft (Stichwort: “science + x” oder “Gott und die Welt”) besonders rege diskutiert werden. Hier die Top 3:
Was ich vielleicht am meisten vermisse: die Alltagspsychologiebloggerin Katja Schwab war einst stolze Trägerin des wunderbaren Hard-Bloggin-Scientists-Buttons. Den konnte ich auf der neuen Seite nicht mehr finden.
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Wenn man sich mit sozialen Netzwerken beschäftigt, stößt man schnell auf den etwas seltsamen Doppelcharakter des Netzwerkbegriffs: zum einen ist damit die Methode (also Netzwerkanalyse) benannt, mit der man gesellschaftliche Verbindungen (bzw. Verbindungen aller Art) in Gegenwart und Vergangenheit untersuchen kann (vgl. dazu auch die vielzitierte Analyse der Medici-Familie). Zum anderen schwingt aber immer auch die zweite Bedeutung mit, die darauf verweist, dass moderne Gesellschaften sich zunehmend netzförmig organisieren und insofern Netzwerke einen immer wichtigeren Beobachtungsgegenstand für die empirische sozialwissenschaftliche Forschung darstellen (also Netzwerkanalyse).
Obwohl diese Bedeutungsfelder häufig zusammenfallen, jedoch findet man nur selten explizite Versuche, gesellschaftstheoretische Aussagen aus der Netzwerkforschung abzuleiten (also jenseits des im allgemeinen Sprachgebrauchs verwendeten Netzwerkbegriffs). Eine spannende Ausnahme ist Barry Wellmans Begriff des “networked individualism”, der auf einen fundamentalen Wandel der Vergesellschaftung von gruppenbasierten hin zu netzwerkförmigen Assoziationsmustern beschreibt (pdf hier). Oder anders ausgedrückt: Die Leute leben nicht mehr in Gruppen, sondern in Netzwerken. Merkmale dieser neuen Lebensweise sind:
- Glokalisierung von Gemeinschaft: ausgedehnte (z.T. globale) Netzwerke bei weiter bestehender Bedeutung von home bases wie dem Haushalt oder der Arbeit
- Netzwerkmanagement: Man ist nicht nur einem/dem direkten Vorgesetzten rechenschaftspflichtig, sondern mehreren Personen z.T. in unterschiedlichen Arbeitsgruppen
- Unternehmensnetze: Auch Unternehmen sind nicht mehr autark, sondern in Netzwerke unterschiedlicher Stärke eingebunden
- Politiknetzwerke: Etwas argumentationsbedürftig ist die vierte Feststellung, dass auch die internationale Politik zunehmend netzwerkförmig organisiert ist. Das mag plausibel erscheinen, wenn man die gegenwärtigen wechselnden Koalitionen mit der Blockstruktur des Kalten Krieges vergleicht; geht man aber darüber hinaus erscheint diese These schwierig, zumal mir nicht klar ist, was in diesem Netzwerk die Knoten, was die Kanten sind. Länder? Diplomaten? Verträge?
Interessanterweise liefert Wellman seine Antithese gleich mit: Nach dem 11. September zieht sich das Sozialleben in einem gegenläufigen Trend immer stärker in “little boxes” zurück. Indizien dafür sind: gated communities, Verkehrshindernisse, Wartezeiten und Sicherheitsanforderungen im Luftverkehr, neue Blockbildungen (Nord-Süd).

Wellman neigt dazu, diese beiden Perspektiven als Entweder-oder-These zu formulieren. Kann man sich diese beiden Pole nicht z.T. auch als Sowohl-als-Auch, wenn nicht gar als Steigerungsverhältnis vorstellen? Was sagt ihr dazu?
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