Monthly Archive for Juni, 2008

Qualitätssicherung in der Wikipedia

Schon kurios, was in der Wikipedia alles für löschenswert empfunden wird, wenn keine Änderungen im Sinne der Qualitätssicherungsbürokraten durchgeführt werden (“Gelingt dies nicht, droht dem Artikel die Löschung”):

Ich denke zwar nicht, dass die Qualitätssicherer ernsthaft daran denken, bei einer versäumten Überarbeitung die Einträge über Max Beckmann, Henri Matisse oder die abstrakte Malerei zu löschen, aber was denken sich die einfachen Nutzer, die in der Wikipedia etwas über Beckmann nachlesen wollen, weil diese Seite in der Googlesuche ganz oben auftaucht?

Und was denkt sich jemand, der auf dieser Qualitätssicherungsseite dann erfährt, dass diese Löschdrohung des Henri Matisse-Artikels von einem Autor ausgeht, der ohne Namensangabe als Begründung schreibt: “Harte Worte, aber ehrlich: lieber gar keinen Artikel als diesen”?



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    Klar, Heribert Prantl ist Jurist. Insofern liegt ihm das Urheberrecht am Herzen und die “Kommunikationswelt des 21. Jahrhundert” mit ihren digitalen Vervielfältigungsmöglichkeiten kann da nur als große Bedrohung wahrgenommen werden. Dass Wissen immer nur eine mehr oder weniger originelle Kombination aus bisherigem Wissen bzw. glücklicher Fehler darstellt und dass man sich mit jedem Satz auf die Schultern von Riesen stellt, passt da nicht hinein; postmoderne Überlegungen zum Tod des Autors ebensowenig. Gerade in Deutschland glaubt man also nach wie vor an das großartig-romantische schöpferische Individuum.

    Zu der beschleunigten und entgrenzten Welt des Internetzeitalters, in der sich Individuen weniger über ihre Essenz als vielmehr über die für sie einzigartige Kombination sozialer Kreise definieren – der vernetzte Mensch – mag diese Vorstellung so überhaupt nicht mehr passen. Die Creative Commons-Lizenzen, obwohl in Sachen Urheberrecht konservativ, versuchen immerhin in Sachen Nutzungsrechten der Copy-Paste-Kultur einen großen Schritt entgegenzukommen.

    Dass Prantl als Festredner der VG Wort das Internet als urheberrechtsfreien Raum skizziert, ist nur zu verständlich. Die VG Wort hat(te) die Absicht eine Mauer zu bauen (“Mauer aus Paragraphen”), nun wird sie durch die seltsam anonym bleibende “kommunistische” “Enteignungsmaschine Internet” eingerissen. Aber warum muss Prantl, der anderswo immer wieder als Grundrechteverteidiger gefeiert wird, dann das Internet einmal mehr als narzisstisches Entblößungsmedium zeichnen, in dem es nur den “Befriedigern sexueller Bedürfnisse” vergönnt sei, dort Geld zu verdienen. Insgesamt ist das Internet nach Prantl dadurch geprägt, dass man dort “alles macht, was man sonst nicht macht.”

    Bitte, welche Seiten surft Herr Prantl denn im Internet an, um zu einem derartigen Eindruck zu gelangen? Was macht er im Internet? Ich habe das Gefühl, dass sich meine und seine Browserhistory doch ziemlich unterscheiden.

    [UPDATE:] Die Auflösung ist ziemlich einfach: Wahrscheinlich surft er auf sueddeutsche.de.



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  • Das Requiem auf Print

    “Das Requiem auf Print ist noch nicht gesungen”, sagte Bascha Mika, Chefredakteurin der taz auf dem media coffee der dpa in Berlin. Ich befürchte fast, dass sie damit Recht hat. Aber nicht deshalb, weil ich den Untergang der Printzeitungen und -zeitschriften herbeisehnen würde – im Gegenteil! Eher sehe ich die Gefahr, dass sich gerade die gedruckten Tageszeitungen in Zombies verwandeln, untote Wesen, die nicht sterben dürfen, weil von Seiten der Zeitungsmacher zu viel Prestige, Tradition, Emotion daran hängt. So werden möglicherweise Veröffentlichungen, die längst nicht mehr relevant, ökonomisch tragfähig oder zukunftsweisend sind, jahrelang mitgeschleift, weil es einem Tabubruch gleich käme, sie zu hinterfragen.

    Gerade mit Entwicklungen wie der Selbstisolation der Associated Press, die seit kurzem horrende Worthonorare dafür verlangt, dass ihre Informationen in Blogs wiedergegeben werden, spitzt sich die Situation merklich zu. Klar zu erkennen ist, dass es hierbei überhaupt nicht mehr um die Funktion der gesellschaftlichen Verbreitung von Nachrichten geht. Nachrichtenagenturen, die auf einmal mit der wachsenden Konkurrenz aus user generated news in Blogs, auf Twitter oder Friendfeed konfrontiert sind, versuchen dennoch, ihre alte Funktion als gate-keeper zu bewahren. Nur wirken gate-keeper schnell lächerlich, wenn die Mauern längst geschleift worden sind.

    What has me most upset about the AP Affair is that I fear we are seeing the beginnings of its death throes. I value the AP and don’t want it to die. I want it to morph to a new model and a new future. But I am afraid that in its fights, we are seeing its inability to adapt,

    schreibt Jeff Jarvis und das gilt nicht nur für Nachrichtenagenturen, sondern eigentlich die gesamte Printwelt. Nur leider lassen sich diese neuen Modelle und neuen Zukünfte zumindestens in der Welt der Zeitungsverlage noch nicht erkennen. Die Zeitungen werden zwar auf ihren Onlinepräsenzen immer “bloggiger“, binden Bewegtbilder ein, geotaggen ihre Informationen oder beginnen sogar mit dem Twittern. Aber das überzeugt als langfristiger Zukunftsentwurf noch lange nicht.



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  • Mit kollegialen Grüßen …

    Gerade eben habe ich von der Post ein Päckchen mit einem Stapel Sonderdrucke meines Aufsatzes über “Amtliche Statistik, Sichtbarkeit und die Herstellung von Verfügbarkeit” (DOI: 10.1007/s11609-008-0005-8) bekommen, dem aktuellen Berliner Journal für Soziologie abgedruckt wurde. Es handelt sich bei diesem Medium (Fachbezeichnung: Separatum) mit Sicherheit um eine aussterbende Art. Da die Aufsätze sowieso für die Onlineausgaben der Zeitschriften ins PDF-Format umgewandelt werden, wenn sie nicht schon in diesem Format gedruckt wurden, ist es viel günstiger und praktischer, Sonderdrucke als digitale Dokumente zu verschicken. Spätestens wenn der letzte Soziologie-Professor einen Email-Account besitzt, wird sich das wohl durchsetzen.

    Die Wikipedia definiert den Sonderdruck wie folgt:

    Sonderdrucke oder Separata sind die Einzeldrucke eines Zeitschriftenartikels oder eines Beitrags in einem Sammelband. Sie dienen dem Autor (den Autoren) als Belegexemplar und zum Versand an interessierte Fachkollegen.

    Der Schluss dieser Definition verweist jedoch auf die eigentliche Bedeutung des Sonderdrucks als akademischen Ritualgegenstand. Durchforstet man die Nachlässe von Professoren, so findet sich dort zumeist ein großer Stapel von vergilbten Sonderdrucken, die befreundete – oder befeindete – Peers ihnen zugeschickt haben. Meist findet sich dabei noch eine darangeheftete Visitenkarte oder ein handschriftlicher Vermerk à la “mit kollegialen Grüßen”. Dieser symbolische Überschuss lässt sich freilich mit den digitalen Nachfolgern des Sonderdrucks nicht auffangen. Insofern handelt es sich bei den momentan noch versandten Sonderdrucken um eine Art Luxusobjekt, einen Gegenstand aus einer zunehmend verblassenden Symbolwelt.

    Wer unter den Leserinnen dieses Blogs – eines fast schon zu digitalen Mediums – einmal in den Genuss eines mit handschriftlichen kollegialen Grüßen versehenen Sonderdrucks kommen möchte, hat jetzt die Gelegenheit dazu. Ein guter Kommentar zu diesem Beitrag genügt, und ich führe dreimal diesen alten akademischen Ritus des “Sonderdruck-Zueignens” aus.



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  • Internet ist einflussreichstes Medium

    Das Internet ist mittlerweile das einflussreichste Medium geworden. Dieses Fazit zieht zumindest die gerade veröffentlichte “Digital Influence Index Study” von Fleishman Hillard und Harris Interactive.

    Normalerweise vergleicht man Medien wie Zeitung, TV, Zeitschriften, Radio und Internet Indikator für Indikator. Geht es um die Reichweite, die Nutzungsdauern oder auch die Glaubwürdigkeit liegt das Internet meistens auf dem zweiten oder dritten Platz hinter – es kommt darauf, welchen Indikator man betrachtet – Zeitung und TV.

    Wenn man allerdings mehrere Indikatoren gemeinsam betrachtet und z.B. Nutzungsdauer und Glaubwürdigkeit multiplikativ verknüpft, dann rückt das Internet auf einmal an die erste Stelle. Der Digitale Einflussindex errechnet sich als “the amount of time consumers spent on a given medium combined with the relative importance they attach to that medium.” Das Ergebnis ist ein prozentuales Maß für den Anteil verschiedener Medien am gesamten Einfluss auf die Konsumenten. In Deutschland liegt das Internet mit 40% klar vor den anderen Kanälen TV (22%), Radio (13%), Zeitungen (14%) und Zeitschriften (11%).

    Der Bericht versteht sich als Bestätigung der These, dass zwar auf der einen Seite das Bedürfnis der Konsumenten nach Nachrichten ungebrochen ist, jedoch zunehmend über das Internet befriedigt wird: “In fact, one could argue that the digital form of the written word is more powerful than its ink-on-paper predecessor”. Wenn man sich die ebenfalls in dieser Studie erhobenen Zahlen der Printverweigerer – also der Personen, die in einer typischen Woche keine gedruckten Zeitungen oder Zeitschriften gelesen haben – betrachtet, dann sind die deutschen Zahlen (13% Zeitschriftenverweigerer und 14% Zeitungsverweigerer) im Vergleich mit den britischen und französischen Lesern noch vergleichsweise niedrig. Dort liegen nur die französischen Zeitschriften unter einer Verweigerungsquote von 25%.

    Trotz des deutlichen Einflussvorsprungs von Online sind die Werbeausgaben noch nicht entsprechend umgeschichtet worden. Aber es wäre auch falsch, wie es der Bericht suggeriert, hier einen Automatismus zu vermuten. Denn gerade, wenn es um die neuen Aktivitäten im Internet geht – sowohl um den Ausdruck der eigenen Person in Blogs oder Social Networks als auch um mobile Internetanwendungen auf dem Handy – fehlen zuverlässige Ergebnisse zur Werbewirkungsforschung noch. Für die klassischen Anwendungsfälle des Web 1.0 – die Studie nennt hier das Recherchieren, Kommunizieren und Einkaufen – sieht es dagegen etwas besser aus. Das Forschungsprogramm für die nächsten Jahre dürfte damit klar sein. Wer packt es an?



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    Wir leben noch in einer Ära, in der das Einrichten eines RSS-Feeds auf einer Internetseite eine eigene Pressemitteilung wert ist:

    Pressemitteilung
    MPI für Bildungsforschung bietet RSS-Feed
    Dr. Petra Fox-Kuchenbecker, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
    13.06.2008

    Die Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung bietet ab sofort einen Informationsdienst an, der es Interessierten weltweit erlaubt, die Anzeige neuer Publikationen aus dem Institut zu abonnieren.
    Alle, die sich für die Forschungsergebnisse des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung interessieren, müssen künftig nicht mehr mühsam die Publikationen-Webseite des Instituts nach Beiträgen durchsuchen. Stattdessen erhalten Sie automatisch eine Nachricht, wenn die Veröffentlichung erscheint. Ein link führt dann zur vollständigen Titelanzeige.
    Dieser Dienst, der technisch als RSS-Feed realisiert ist, kann für alle Publikationen des Instituts oder getrennt nach Forschungsbereichen abonniert werden. Sie erreichen den Dienst unter http://library.mpib-berlin.mpg.de/iv/iv.php?year=2008-

    Weitere Informationen:

    http://www.mpib-berlin.mpg.de

    (via)



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    Mittlerweile gibt es im Web 2.0 für jede Aufgabe ein entsprechendes Tool, egal ob es um die Terminplanung geht, um das Aggregieren von RSS-Feeds oder um berufliche Networking. Aber welche dieser Dienste werden tatsächlich genutzt? Um das herauszufinden, habe ich über Twitter eine Kurzumfrage gestartet. Dass es Twitter hier auf den ersten Platz geschafft hat, ist nicht verwunderlich, aber auch bei den folgenden Rängen hat sich doch ein deutliches und einigermaßen einheitliches Meinungsbild abgezeichnet:

    Zeichnet man die Dienste der Verbreitung nach ab, so erhält man die gewohnte Figur eines Long Tail: Nur wenige Anwendungen sind sehr gängig, die meisten werden nur von einer einzigen Person genannt wie die folgenden: Google Documents, Google Notebook, Evernote, Basecamp, Pageflakes, Spout.com, Mr. Wong, Magnolia, Tiqqer, Twitpic, mixxt, Venteria, Plurk, FFFFound, iLike, Aka-aki, Mindmeister, .Mac, Ebay, 1&1-Webmail, Tumblr, Digg, Hobnox, blip.tv.



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