Monthly Archive for August, 2008

Google AdPlanner: Das Ende der Online-Mediaplanung?

Gerade eben habe ich meinen Zugang für die Betaversion des neuen Googledienstes AdPlanner bekommen. Schon mit den ersten paar Klicks wird deutlich, welche Sprengkraft dieses neue Kostenlosangebot von Google für das Berufsbild des Mediaplaners haben könnte: Im Handumdrehen lassen sich hier Zielgruppen suchen, sortieren, vergleichen und dann in vielen Fällen gleich die entsprechenden Google-Ads buchen. Die Differenzierung nach Land, Sprache, Alter, Bildung, Geschlecht, Haushaltseinkommen funktioniert tadellos – allerdings gibt es diese demographischen Daten bislang erst für die USA.

Ich habe einmal die letzten AGOF-Internet Facts (Juni 2008) zur Hand genommen und die jeweils angegebenen Unique Visitorzahlen verglichen. Das Ergebnis (Klick zum Vergrößern):

Man erkennt, dass die Werte für viele Angebote sehr ähnlich liegen, einige Male kommt Google zu einer etwas höheren Reichweite (GMX, Yahoo, StudiVZ, Chip) und bei T-Online und ProSieben.de liegt Google weit unter den AGOF-Zahlen. Deutlich wird aber auch, dass Googles Planungswerkzeug anders funktioniert als die AGOF Zählung: Hier können Daten für fast alle Angebote abgerufen werden (außer Googleeigenen Diensten wie Google oder Youtube) und nicht nur für teilnehmende Vermarkter. Ebay.de, Mozilla.com und Wikipedia.org liegen bei den deutschen Internetnutzern weit vorne – drei beispielhafte Angebote, die in den Internet Facts nicht vorkommen.

Aber nicht nur der Blick nach vorne ist interessant, sondern vor allem der Blick in den Long Tail. Hier zeigt sich die wahre Stärke des Google-Tools, denn auch Angebote mit wenigen Tausend Besuchern im Monat können hier angezeigt und in die Online-Mediaplanung einbezogen werden. Und die Zahlen für dieses Blog hier sind sogar einigermaßen realistisch. Richtig spannend für die Online-Mediaplanung wird es freilich dann, wenn auch für das deutsche Publikum demographische Angaben verfügbar sind und wenn die Integration des Google-Werbenetzwerkes in den AdPlanner reibungslos funktioniert (momentan werden die Werbeplätze in diesem Blog noch nicht angezeigt). Das könnte dann tatsächlich den Markt der Online-Mediaplanung kräftig durcheinanderwirbeln.

Eine weitere interessante Frage ist: Was macht Google mit den Mediaplanungsdaten? In den Plänen stecken viele Informationen über die wahrgenommene Passung von Internetangeboten und Zielgruppen, die wiederum in aggregierter Form ausgewertet werden könnten, um einen Eindruck von der Perspektive der Mediaplanung auf das Internet zu bekommen.



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    Die nächsten Tage werden noch einmal sehr spannend, bevor dann am Wochenende mein Urlaub beginnt: Heute konstituiert sich in München der Arbeitsausschuss der Arbeitsgemeinschaft Social Media. Auf der Agenda stehen neben einem Bericht des Vorstands über die bisherigen Aktivitäten auch folgende Punkte:

    • Bildung der thematischen Arbeitsgruppen (z.B. Technik, Mittelstand, Politik)
    • Planungen für eine Konferenz zum Thema Social Media Measurement
    • Einrichtung einer virtuellen Bibliothek zum Thema Social Media
    • Gründung einer Fachzeitschrift
    • Kommunikationsstrategien

    Erwartet also den ein oder anderen thematischen Tweet oder FriendFeed-Post von @jbenno, @mediaocean, @rjoerges oder mir.


    Am Abend geht’s dann gleich weiter nach Mainz, wo morgen beim ZDF der JugendMedienEvent startet. Ich werde mich gleich im ersten Panel über das Thema “Journalismus 2.0 – Ein Berufsbild im Wandel” mit Julius Endert (Blinkenlichten Produktionen), Ansgar Mayer (Axel-Springer-Akademie), Rainer Meyer (Don Alphonso), Thomas Waldner (ZDF) austauschen. Es dürfte also interessant werden.

    Meine Meinung zur Zukunft des Journalismus habe ich ja in diesem Blog bereits mehrfach geäußert. Im Kern geht es darum, dass die Kernaufgabe des Journalismus, das “digging below the fold“, also das Recherchieren komplexer Geschichten und Hintergründe, das Herausarbeiten von Zusammenhängen vor einem umfassenden Tatsachenbild, bleiben wird. Aber die Journalisten werden sich irgendwie der Tatsache stellen müssen, dass sich zum einen gerade bei der jüngeren Generation die Nachfrage nach Nachrichten gerade deutlich verändert (hin zu schnelleren, oberflächlicheren Informationen) und zum anderen neue Informationsströme entstehen, die den Nachrichtenkonsumenten erreichen, ohne auch nur einmal mit dem klassischen System des Journalismus in Berührung gekommen zu sein.

    Dieser Wandel lässt sich auf Dauer nicht durch eine rigide Professionspolitik oder die aktive bzw. aggressive Verweigerung aufhalten. Die Journalisten werden die Regeln in dem sich gerade herausbildenden neuen Mediensystem nie herausfinden, wenn sie sich nicht auf diesem Spielfeld bewegen. Man lernt kein neues Spiel, indem man wegsieht.



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  • Ich habe die Zukunft der Nachrichten gesehen

    In Zukunft werden Schlagzeilen von uns selbst gemacht. Im Internet.

    Immer wieder wird im Zusammenhang mit neuen Medien die Frage gestellt: Wie sehen die Nachrichten der Zukunft aus? Oder: Wie sieht die Zukunft der Nachrichten aus? Ich denke eine denkbare Antwort auf diese Fragen sieht in etwa so aus:

    Oder so:


    Toronto Explosion from photojunkie on Vimeo.

    Diese Bilder, beide anscheinend mit einer Handykamera aufgenommen, zeigen die Explosionen, die sich gestern Nacht anscheinend in einer Fabrik im kanadischen Toronto ereignet haben. Die Filme wurden gleich nach dem Aufnehmen ins Internet hochgeladen, per Twitter und Blogs bekannt gemacht, wodurch sie dann auch bald auf dem Blog einer Tageszeitung landeten. Kein Fernsehsender, kein Radiosender und schon gar keine gedruckte Zeitung kommt an diese authentische Unmittelbarkeit heran. Man meint die Angst und Verunsicherung des mitten in der Nacht aufgeweckten Augenzeugen in dem Wackeln und Zittern der Kamera wiederzufinden. Mittlerweile haben bereits 62,135 Youtube-Nutzer diese Bilder gesehen.

    So werden in Zukunft Schlagzeilen gemacht. Das Prinzip heißt “publish, then filter“. Die rohen Eindrücke werden von Augenzeugen ins Netz gestellt und erst viel später wird dann nach der dazu passenden Story (“Was ist der Fall? Was steckt dahinter?”) gesucht (ähnlich hat das vor kurzen auch im Fall des Erdbebens funktioniert). Die Leser oder Zuschauer sind also zunächst völlig auf sich selbst gestellt, diese Bilder zu interpretieren. Dass dieser Medienwandel auch seine Schattenseiten hat, darauf weist Jeremiah Owyang in seinem Blog hin:

    1) Sources may panic, and over or under state the situation. 2) Determining who is a credible source is a challenge, 3) Echos from the online network may over pump or mis-state very important facts that could impact people’s safety.

    Damit wird jedoch wieder einmal deutlich, was es bedeutet, in einer entwickelten Mediengesellschaft (“Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien”, hat es Niklas Luhmann damals in seiner unnachahmlichen Eleganz auf den Punkt gebracht) zu leben: Die Bilder und Geschichten, die wir wahrnehmen, sind nicht mit unseren eigenen Augen gesehen, sind nicht selbst erlebt, sondern technisch vermittelt. Techniken wie die Druckerpresse, der Journalist oder hier die Handykamera und das YouTube-Distributionssystem ersetzen oder ergänzen unsere Sinnesorgane, ohne dass wir uns sicher sein können, dadurch einen unverzerrten Blick zu haben. Der Vergleich dafür fehlt uns.

    Wir waren also im Umgang mit Medien schon immer aufgefordert, nach guten Gründen zu suchen, einer Geschichte oder einem Bild zu vertrauen. Medien sind keine neutralen Abbildapparate, sondern perspektivische Filter. Nur konnte diese Aufgabe des aktiven Herstellens von Vertrauen durch Routinen und Shortcuts wie dem professionellen Journalismus oder der Reputation von Zeitungen erleichtert werden. Durch soziale Medien wie Twitter, Blogs und Youtube lernen wir wieder (manchmal ist dies schmerzhaft): Das alles waren nur Abkürzungen, auf die wir uns keineswegs blind verlassen sollten. Beim Betrachten von Nachrichtensendungen und beim Lesen der Tageszeitung haben wir das natürlich auch schon gewusst, konnten diesen Zweifel jedoch durch Systemvertrauen ersetzen. Bei sozialen Medien ist das nicht mehr möglich.

    Können wir jetzt bitte die Debatte über die unkreative Blogosphäre, die nur die Inhalte der Qualitätspresse wiederkäut, beenden?



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