Monthly Archive for September, 2008

Volker Beck, Hubertus Heil und die FDP – die Politik entdeckt die Macht des Mikrobloggens

Dienste wie Twitter werden für die politische Kommunikation noch eine große Zukunft haben. Davon bin ich überzeugt. In 140 Zeichen können hier Politiker in den direkten Dialog mit der Bevölkerung (momentan freilich noch: einer überdurchschnittlich gebildeten, kommunikationsfreudigen und technophilen Bevölkerung) treten und einen Einblick in den politischen Alltag bieten, für den es sonst kein Format gibt. Ungefiltert, authentisch und informell.

Wenn sie das Medium gut handhaben, können Politiker auf diese Weise abseits der Massenmedien politische Meinungen ausdrücken, die weder als der übliche glattgeschliffene Polit-Talk aufgenommen werden noch als peinliche Anbiederungs- und Missionierungsversuche. Letztlich geht es hier um eine Personalisierung der Politik ohne Populismus.

Volker Beck (Grünes Bundestagsmitglied) twittert zwar erst seit dem 17. September. Aber er scheint das Medium begriffen zu haben (oder einen guten Berater zu haben, mittlerweile hat Volker Beck mir per Twitter bestätigt, er habe keinen Twitter-Berater): Keine Pressemitteilungen, sondern authentisch wirkende Tweets (“Merkel steinmeiert jetzt auch in der Russlandpolitik“) und immer mehr Dialoge mit anderen Twitterati. Bislang hat er erst acht 61 121 Follower, aber das wird sich sehr, sehr schnell ändern.

Hubertus Heil (Generalsekretär der SPD) hat mit seiner Twitter-Berichterstattung von dem Nominierungsparteitag der Demokraten in Denver als erster dafür gesorgt, dass sich auch die deutschen Massenmedien mit dem Phänomen Twitter in der Politik auseinandersetzten. Die meisten Zeitungen haben entweder nicht verstanden, worum es bei diesem neuen Medium geht, oder aber sie haben eine vage Ahnung davon bekommen, dass hier völlig außerhalb des klassischen politischen Mediensystems ein neuer Kanal entsteht, mit dem sie nichts zu tun haben. Ein Monopol aus Insiderinformationen, Echtzeitinformationen und persönlichem Zugriff auf die Politiker geht allmählich verloren. Hubertus dagegen hat das Medium aber sehr gut verstanden. Politiker halten nicht nur Reden, sondern kaufen auch mal ein oder tanzen. Aber vor allem: sie reden mit anderen. Auch über Twitter. Die spannende Frage ist hier die Nachhaltigkeit dieser Kommunikation. Hubertus hat mittlerweile über 1.000 Follower. Ein beachtliches Netzwerk, das wiederum aus zahlreichen Multiplikatoren und Impulsgebern besteht. Es wäre spannend, hier nachhaltige Kommunikationsstrategien zu entwickeln, die über die Berichterstattung von einem Event und ein paar vereinzelten Nachzügler-Tweets hinausreichen.

Was macht die FDP mit diesem Medium? Immerhin versucht sie immer wieder, sich das Thema Innovation und Medien auf die Fahnen zu schreiben. Prominente Twitterer habe ich in den Reihen der Liberalen leider nicht gefunden. Immerhin gibt es aber einen Twitter-Account der Bundestagsfraktion, die im übrigen auch ziemlich rege bloggt. Leider werden die spezifischen Vorteile des Mikrobloggens nicht genutzt. Der Twitter-Feed der Bundestagsfraktion ist (im Augenblick noch) ein schnöder Newsticker, der auf neu eingestellte Beiträge der Homepage hinweist. Ganz selten wird ohne Link auf die Homepage getwittert oder auf andere Twitter-Nutzer reagiert. Aber immerhin scheint jemand die Reaktionen auf den Feed zu monitoren. Das ist nicht selbstverständlich. Mit dabei seit Ende August und erst 23 133 Follower. Das ist eindeutig ausbaufähig, insbesondere fehlt hier einfach eine authentische Stimme. Wer spricht hier überhaupt? In der Twittersphäre geht es um Dialoge, aber wer möchte sich schon mit Tickern unterhalten?

Das ist natürlich nur eine Auswahl aus dem guten Dutzend mir bekannter Politik-Twitterer in Deutschland, wozu dann noch einmal mindestens ebenso viele Fake-Accounts kommen. Welche Politiker-Tweets lest ihr am liebsten? Wird Twitter die politische Kommunikationslandschaft nachhaltig verändern?

Ach ja, und falls hier politische Kommunikatoren oder Politiker mitlesen: Ich würde mich gerne einmal mit euch über Erfahrungen und Potentiale des politischen Twitterns unterhalten.



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    Gerade bin ich auf ein Missverständnis, vielleicht auch eher eine Unschärfe gestoßen, die in vielen soziologischen Neue-Medien- bzw. Internettheorien zu finden ist. Tilmann Sutter schreibt in seinem Aufsatz über die Interaktivität neuer Medien folgendes:

    Die Nutzer von Computern interagieren nicht mit Personen, sondern mit Texten bzw. symbolischen Repräsentationen [...] Es geht nicht um Beziehungen zwischen konkreten Personen, die sich als Personen wahrnehmen und identifizieren, sondern um Intertextualität.

    Auf den ersten Blick naheliegend. Ich spreche auf Twitter, Facebook oder in einer Email nicht mit einer anderen Person, sondern tippe Buchstaben, die dann codiert und übertragen werden. Zwischen die Kommunikationspartner tritt also eine Vermittlung. Aber ist das nicht auch im Fall der Interaktion von Angesicht zu Angesicht der Fall? Auch in diesem Fall können keine Beziehungen ohne Codierung hergestellt werden. Schon mal mit jemandem unterhalten, der nur eine fremde Sprache spricht? Auch in diesem Fall wird ein Medium verwendet, denn die Bewusstseine werden nicht aneinandergekoppelt. Hier ist es kein elektronisches Medium, sondern ein akustisches. Die Stimmen werden durch die Luft als Schallwellen übertragen. Auch die Face-to-Face-Interaktion beruht also auf Technik, Codierung und Vermittlung.

    Ich würde sogar sagen, dass es ebenfalls symbolische Repräsentationen geschaffen werden. Das Timbre der Stimme, der Gesichtsausdruck, die Gesten – alles Beobachtungen, die mit Bedeutungen versehen und zu einer Repräsentation der anderen Person verdichtet werden. Wen oder was ich als “konkrete Person” wahrnehme, ist kulturell gerahmt und hängt von der Einübung bestimmter Kulturtechniken ab. Das Sprechen von Angesicht zu Angesicht hat gegenüber Twitternachrichten oder SMS einen unleugbaren historischen Vorteil. Das führt aber bisweilen dafür, dass man das Eingeübte mit dem Natürlichen verwechselt. Wenn ich nur lange genug twittere, komme ich allmählich dazu, den medialen Kontext auszublenden und spreche nicht mehr mit Avataren, sondern mit “konkreten Personen”.

    Dass es Unterschiede zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation (mit McLuhan vielleicht besser allgemein: visueller Kommunikation) gibt, bestreite ich gar nicht. Nur liegen sie nicht darin, dass die eine Form “konkreter” und im wahrsten Sinne des Wortes “persönlicher” sei als die andere.



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    Kaum ist man einmal durch ein paar Konferenzen nicht in der Lage, die Twittersphäre aufmerksam zu verfolgen, entdecken die Parteien nun Twitter als Kommunikationsinstrument. Hubertus Heil, der Generalsekretär der SPD hatte als erster Promi-Politiker versucht, in seinen Tweets vom Nominierungsparteitag der US-Demokraten einen Blick hinter die politische Bühne zu geben.

    Jetzt gibt es auch in Bayern politisches Getwitter: Nach dem Bundesverband twittert nun auch der Bayerische Landesverband der Grünen. Auf der Homepage ist der Link zum Twitter-Account sogar prominent in der Navigationsleiste angebracht:

    Was mir an diesen Experimenten gut gefällt: Es geht nicht nur um das Copy&Paste von Pressemitteilungen, sondern das Ganze zeigt deutliche Elemente einer dialogischen Kommunikation. Fragen der anderen Twitter-Nutzer werden beantwortet und in einigen Fällen werden sogar eigene Fragen gestellt. Das ist mutig und auf jeden Fall ausbaufähig. Besonders angesichts der Tatsache, dass den Teil mit dem Dialog viele immer noch nicht begriffen haben. Eigentlich ist es doch ganz einfach:

    Das Microblogging über Twitter ersetzt nicht die bekannten Formen politischer Kommunikation, aber es eröffnet einen neuen Kanal mit neuer Ausrichtung: Authentizität statt Analyse, Momentaufnahmen statt Einordnungen.

    Twitter eignet sich hervorragend dafür kurze, authentische Einblicke in den politischen Alltag zu ermöglichen. So ein Format der politischen Kommunikation gab es bislang noch nicht. Aber mindestens ebenso spannend ist es, mit Twitter den Leuten zuzuhören. Nicht nur broadcasten, sondern zuhören, Gespräche führen, Themen entdecken, Meinungsbilder einholen – und das alles in Echtzeit. Twitter ist ein Sende- und Empfangsgerät.

    Ganz besonders würde mich außerdem interessieren, ob diese Experimente weiter gehen oder tatsächlich nur wie angekündigt auf bestimmte Ereignisse bezogen waren (Parteitag bzw. Landtagswahl). Gibt es Überlegungen zu nachhaltigen Twitter-Strategien?



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    Ob eine Konferenz gut ist oder nicht, merkt man eigentlich sehr schnell an den Gesprächen in den Pausen oder beim gemeinsamen Abendessen. Im Fall des ersten Symposiums zur Wissenschaftskommunikation, die von der Initiative “Wissenschaft im Dialog” gestern und heute veranstaltet wurde, ist mir sehr schnell klar geworden: Selten habe ich mit so vielen Leuten gesprochen, die das Gefühl vermittelten, am Anfang von etwas neuem zu stehen. Das Thema Wissenschaftsdialog scheint sich zu einem absoluten Renner zu entwickeln.

    Eigentlich ist die Idee schon recht alt. Am Anfang stand ein Memorandum (1999) der Wissenschaftsstiftungen und -organisationen in Deutschland, das die Rolle der allgemeinverständlichen Kommunikation von Wissenschaft ganz klar in den Mittelpunkt rückte. Darin stehen Dinge wie:

    In Abstimmung mit den wissenschaftsfördernden Einrichtungen des Bundes und der Länder, der Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie Repräsentanten aus Wirtschaft und Politik wird ein den einzelnen Institutionen angemessenes Anreizsystem entwickelt, das geeignet ist, Belohnungen für diejenigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Aussicht zu stellen, die sich aktiv im Dialog mit der Öffentlichkeit engagieren. Das Engagement für diesen Dialog darf dem wissenschaftlichen Ruf nicht abträglich sein, es sollte zu einem zusätzlichen Merkmal wissenschaftlicher Reputation werden.

    Oder wie das folgende:

    Die Würdigung von Leistungen im Dialog mit der Öffentlichkeit soll im Rahmen der internen und externen Begutachtung bzw. Evaluation zusätzlich zur Würdigung der wissenschaftlichen Leistung erfolgen. Geeignete Formen der Anerkennung sollen entwickelt werden.

    klingen auch nach fast zehn Jahren noch revolutionär. Aber, wenn man sich ausführlich mit den Wissenschaftskommunikatoren aus Universitäten, Stiftungen, Museen und diversen Initiativen unterhält, wird schnell deutlich, dass sich hier gerade jetzt sehr viel verändert. Die Zeiten, in denen Professoren ihre Interviews in TV und Print bewusst einschränken mussten, um ihre wissenschaftliche Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel zu setzen, scheint allmählich überwunden. Nicht in allen Disziplinen – die Geistes- und Sozialwissenschaften scheinen hier den Natur- und Technikwissenschaften noch etwas hinterherzuhinken. Aber auch hier gibt es Bewegung.

    Für mich das schönste Beispiel ist das Aufblühen von Wissenschaftsblogs in den unterschiedlichsten Bereichen. Allen gemeinsam ist jedoch die Betonung von dialogischen Elementen. Vilém Flusser hat sehr plausibel zwischen diskursiven Kommunikationsstrukturen, die auf der möglichst unverfälschten Weitergabe von Informationen beruht, und der dialogischen Kommunikation, in der die Partner ihre Informationen zusammenbringen, um etwas Neues daraus zu schaffen, unterschieden. Wissenschaft im Dialog heißt, das ist heute in vielen Vorträgen deutlich geworden, mehr als nur Wissenschaftskommunikation oder public understanding of science.

    Das Ziel sollte sein, die Öffentlichkeit in den Prozess der Wissenschaft zu involvieren – was natürlich je nach Fachgebiet unterschiedlich aussehen kann -, und Blogs ebenso wie Microblogs stellen für mich ein vielversprechendes Werkzeug für diesen Zweck dar:

    • Blogs sind authentischer: In Blogs schreibt man anders als in Journals. Näher an der Person, weniger ausführlich und häufig auch offener. Mit Blogs kann man auch Institutionen ein Gesicht geben, die bislang in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt waren.
    • Blogs sind dialogisch: Die Leser oder Zuschauer müssen nicht passiv bleiben, sondern können Fragen stellen, auf weitere Informationen verweisen und mit anderen diskutieren. Blogs forden zum Engagement auf.
    • Blogs sind unmittelbarer: Spannende Experimente lassen sich mit Blogs und noch besser mit Microblogs in Tickertempo miterleben. Aber im Unterschied zum Ticker, der immer one-to-many funktioniert, kann hier ein echter Austausch funktionieren. Eines der schönsten Beispiele ist für mich nach wie vor der Mars-Phoenix-Twitteraccount.
    • Blogs sind offener: Auch die Wissenschaftsblogger können Fragen stellen. Fragen sind als Format für Wissenschaftskommunikationen unterrepräsentiert. Publiziert werden meistens nur die Antworten. Auch Misserfolge können in Blogs auf informelle Weise vorgestellt und diskutiert werden. Den gewaltigen Bias aller bisherigen Wissenschaftskommunikationen in Richtung gelungene Experimente und bestätigte Hypothesen ist legendär.
    • Blogs erreichen jüngere Zielgruppen: Nachwuchssicherung in der Wissenschaft ist eines der wichtigsten Ziele der Organisationen. Blogs erreichen eine jüngere Zielgruppe als Wissenschaftsmagazine.


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    Gerade habe ich bei Turi2 folgendes Zitat von Manfred Hasenbeck (Burda-Yukom) gelesen:

    Sie können heute die schönsten medialen Weihnachtsbäume ins Netz stellen. Wenn der Rezipient nicht weiß, dass es sie gibt, wird er sie nicht finden.

    Ganz ähnliche Kommentare habe ich in den letzten Tagen auch immer gehört, wenn es um die Produktion neuer, zum Teil crossmedialer Angebote der Wissenschaftskommunikation geht: “Was ist denn, wenn wir mit großem Aufwand tolle Filme über Wissenschaftler herstellen, und dann findet diese Filme niemand im Netz?”

    Der Denkfehler liegt darin, dass es gar nicht so sehr darum geht, dass die Rezipienten (hoffentlich landet dieses Schimpfwort zusammen mit dem Konsumenten auf dem diskursiven Müllhaufen) selbst diese Inhalte finden. Natürlich guckt der normale Nutzer nicht täglich auf die Seiten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, um nachzusehen, ob es da womöglich neue Multimediainhalte gibt. Was für eine seltsame Vorstellung.

    Nutzer suchen nach Themen. Die meisten suchen auf Google. Deshalb gilt: Wenn die Inhalte gut sind und über Suchmaschinen wie Google gut auffindbar sind (also gut verschlagwortet), dann werden sie gefunden. Wenn ich meine Angebote im Deep Web verstecke, brauche ich mich nicht wundern, dass sie nicht gefunden werden.

    Also: stellt eure schönen medialen Weihnachtsbäume ins Netz, sorgt dafür, dass Google damit etwas anfangen kann. Wenn die Inhalte gut sind, dann werden die Nutzer auch kommen.



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    Manchmal bekomme ich den Eindruck, dass viele Journalisten sich nicht nur schwer tun mit nutzergenerierten Inhalten, sondern dass sie regelrecht versuchen, diese zu verhindern. Ein Beleg dafür sind die unzählbaren Hinweise auf die mangelnde Qualität von Blogkommentaren und Forendiskussionen (das ist mir erst heute wieder passiert, in einer Reaktion auf meinen Vortrag zu Wissenschaftsblogs auf dem Symposium “Wissenschaft im Dialog” in Bremerhaven), ein anderer Beleg ist die rigide Einschränkung der Kommentarfunktion auf der Webseite der Süddeutschen Zeitung.

    Der Witz ist: Die Gegnerschaft von Journalisten und user generated content ist nicht neu. Nur hieß das früher nicht so, sondern trug die Bezeichnung “Leserbriefe”. Journalisten schreiben Artikel, Nutzer schreiben Briefe. Und damals wie heute genügte bzw. genügt der größte Teil der Rückmeldungen der Nutzer auf einen Artikel auf Focus Online genauso wie auf einen Artikel im gedruckten Politikteil der FAZ wohl kaum den Qualitätsvorstellungen von Journalisten.

    Nur: Die meisten Leserbriefe werden nach wie vor nicht veröffentlicht, während sich einige Onlinepublikationen auf das Experiment eingelassen haben, alle Reaktionen der Leser (sofern sie im Einklang mit der Verfassung sind) zu publizieren bzw. nicht herauszufiltern. Ich bin überzeugt: Eine Vollpublikation von Leserbriefen würde bei den meisten Lesern genau dasselbe gruselige Gefühl hervorrufen wie die 1134. Mac-vs-Windows-Debatte in einem heise-Forum.

    In diesem Sinne bedeutet Journalismus dann unter anderem auch, nutzergenerierte Inhalte zu verhindern.

    Ich meine das nicht einmal negativ, denn es wird wahrscheinlich auch in Zukunft eine Nachfrage nach solchen “sauberen” Textbiotopen geben, in denen suggeriert wird, wir befänden uns in einer Habermas’schen Utopie eines rationalen Diskurses. Das ist aber eben nur eine Scheinwelt, die mit der tatsächlichen Art und Weise, wie Menschen denken, was sie sich wünschen etc. nicht viel zu tun hat. Ein Blick auf die beliebtesten Begriffe in der Google-Suche zerstören diese Illusion sehr schnell. Manchmal möchte man das auch gar nicht alles wissen. So eine Art Traumfabrik. Und Traumfabriken werden wohl auch in Zukunft noch nachgefragt werden.



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    Manchmal ist es sehr anschaulich, Äpfel und Birnen miteinander zu vergleichen. In meiner Diplomarbeit habe ich zum Beispiel transnationale Unternehmen mit Staaten verglichen. Und John Lanchester hat im Guardian im November 2006 Social Networks mit Staaten verglichen und ist für MySpace zu folgendem Schluss gekommen:

    It has more than 110m registered users; if it were a country it would be the 10th biggest in the world, just behind Mexico.

    Warum dann nicht einmal die Nutzerzahlen der in Deutschland aktiven Social Network-Plattformen mit den Einwohnerzahlen von Bundesländern vergleichen?

    Das Ergebnis ist wahrscheinlich eine kleine Überraschung für diejenigen, die dem Social Web immer wieder mangelnde Relevanz attestieren: StudiVZ zum Beispiel käme in dieser Liste bereits an sechster Stelle. Wäre StudiVZ ein Bundesland, lebten dort mehr Menschen als in Sachsen, Rheinland-Pfalz oder Berlin. Hier die ausführliche Liste:

    1. Nordrhein-Westfalen 18.058.000
    2. Bayern 12.469.000
    3. Baden-Württemberg 10.736.000
    4. Niedersachsen 7.994.000
    5. Hessen 6.092.000
    6. StudiVZ 5.427.300 (08/2008, GWP)
    7. Sachsen 4.274.000
    8. Rheinland-Pfalz 4.059.000
    9. Wer-Kennt-Wen 4.000.000 (09/2008, Faktenblatt)
    10. SchülerVZ 3.400.000 (04/2008, Pressemitteilung)
    11. Berlin 3.395.000
    12. Schleswig-Holstein 2.833.000
    13. Brandenburg 2.559.000
    14. Sachsen-Anhalt 2.470.000
    15. Thüringen 2.335.000
    16. Lokalisten 2.300.000 (08/2008, Homepage)
    17. Xing 2.000.000 (Q1/2008)
    18. Hamburg 1.744.000
    19. Mecklenburg-Vorpommern 1.707.000
    20. Saarland 1.050.000
    21. Bremen 663.000

    Es fehlen aber noch die Zahlen für Facebook oder Myspace.



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    Nächste Woche geht’s nach Bremerhaven, um dort in einem Workshop des Symposiums der Initiative “Wissenschaft im Dialog” etwas zum Thema Wissenschaftsbloggen zu erzählen. Das Programm für meinen Input sieht in etwa so aus:

    Die Zeichen stehen auf Öffnung. Public Understanding of Science, Wissenschaftskommunikation oder Wissenschaftsmündigkeit – mit Schlagworten wie diesen wird gerade in den letzten Jahren immer stärker eine Wissenschaft gefordert, die nicht nur forscht, sondern auch kommuniziert, ja gar in einen Dialog mit der Öffentlichkeit tritt. Die Wissenschaftler sollen also endlich ihre Alchemistenlabors verlassen und der Welt mitteilen, was sie tun und was das für die Gesellschaft bedeutet.

    Sind Blogs als typische dialogische Medien der Königsweg zu diesem Ziel? Wie lassen sich Blogs für die interne und externe, formelle und informelle Wissenschaftskommunikation einsetzen? Welche Arten wissenschaftlicher Blogs sind tatsächlich in der freien Wildbahn (in erster Linie der deutschsprachigen Blogosphäre) zu beobachten? Wo liegen die spezifischen Vorteile von Weblogkommunikationen und welche Herausforderungen für Öffentlichkeit und Wissenschaft sind damit verbunden?

    In meinem Referat werde ich versuchen, einige Antworten auf diese Fragen vorzustellen – verbunden mit einigen praktischen Anregungen, das Wissenschaftsbloggen selbst einmal auszuprobieren.

    Sehr gut gefällt mir, dass es nicht nur um das übliche public understanding of science einer erwachsenen Öffentlichkeit geht, sondern dass die Veranstalter Wissenschaftskommunikation bereits im Kindergarten beginnen lassen. Ich glaube, dass wir mehr derartige ganzheitliche, lebenslange Herangehensweisen benötigen.

    Warum sollte man nicht auch schon in der Grundschule anfangen, mit den Schülern über den Umgang mit sozialen Medien zu sprechen? Dabei könnten nicht nur die Schüler einen Eindruck von den Möglichkeiten aber auch Gefahren der digitalen Werkzeuge (SchülerVZ, Wikipedia, ICQ etc.) erlangen, die sie sowieso nahezu täglich verwenden. Auch die Lehrer könnten ein realistisches Bild davon bekommen, wie das Aufwachsen in einer hochmedialisierten Gesellschaft aussieht. Howard Rheingold scheint sich gerade intensiv mit diesen Fragen zu befassen – ich bin gespannt, welche Ideen zu einer Lebenslangen Medienpädagogik oder vielleicht besser: einem Lebenslangen Mediendialog noch alle auftauchen werden.



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