Beiträge vom Juni, 2012

Wie vertragen sich die Werte der GenerationY mit Karrieren in juristischen Großkanzleien?

Mittwoch, 27. Juni 2012 10:40

In schöner Regelmäßigkeit beleuchten wir im Recrutainment Blog die Bestrebungen der Juristen in Bezug auf ihre Bestrebungen im Arbeitgebermarketing. Dass sie – meine Frau mal ausgenommen – das Thema Social Media eher meiden, habe ich hier mal beleuchtet, dafür aber zuweilen immerhin mit innovativen spielerischen Ansätzen (Houthoff Buruma oder CMS Hasche Sigle) punkten, hatten wir auch. Auch das schöne Fundstück der Kanzlei Oberthür und Partner oder das Engagement von HoganLovells in dem Karrierenetzwerk und Förderprogramm Careerloft fällt in diesen Bereich.

Vor einiger Zeit fiel mir nun eine Studie in die Hände, die einmal recht grundlegend der Frage nachging, inwieweit sich eigentlich das Arbeitsethos des “gemeinen Juristen” – speziell im Kontext Großkanzlei – mit dem Wertekorsett der sagenumwobenen GenerationY, also den sog. Millenials (geboren zwischen 1979 und 1994) verträgt. Auch wenn Verallgemeinerungen an dieser Stelle immer ein wenig gefährlich sind, so kann man doch argumentieren, dass auf der einen Seite oft eher die Einstellung “80 Stunden Woche – dafür VIEL Schmerzensgeld – Leben um zu arbeiten” vorherrscht, während die andere in dem Buzzword Work-Life-Balance ja eher die Aspekte “Life” und “Balance” betont. Insofern scheint hier perspektivisch eine Art Konflikt zu drohen, der sich mittelfristig als Herausforderung für das Employer Branding von Großkanzleien entpuppen könnte.

Die Studie “The Next Generation Law Firm” wurde von der niederländisch-britischen Unternehmensberatung Temporal Tanja Consulting (die inzwischen Venturis Partners heißt) durchgeführt, aber – man höre und staune – von der internationalen Großkanzlei TaylorWessing gesponsort. Da scheint also zumindest schonmal einer der großen Player im Markt den Mut zu haben, unter Umständen auch unangenehme Wahrheiten zu erfahren, die der “alten Partnergeneration” möglicherweise so nicht unbedingt gefallen dürften.

Im Rahmen von Brainstormings und Interviews wurden dabei junge Anwälte aus Top-Kanzleien in Deutschland und den Niederlanden hinsichtlich folgender HR-relevanter Aspekte befragt:

  • How to attract and retain millennial high potentials?
  • How are expectations between partners and millennials best managed and matched?
  • How to manage millennial professionals best?

Eine zentrale Schlussfolgerung aus der Studie war:

Law firms which take generation Y serious, listen to and act upon their wishes and “requirements”, will be able to beat competitors in the ‘Struggle for Talent.

Und, das wurde in der Befragung deutlich, dieses Set an Motivationstreibern, Wünschen, Bedürfnissen und Ideen weicht bei den Millenials schon zuweilen recht stark davon ab, wie die Dinge im Moment oft gemanagt werden. Dass also evtl. bei Großkanzleien ein gewisses Bewusstsein entsteht, dass man sich – im ureigenen Interesse – auf die nachwachsende Zielgruppe zubewegen muss, ist insofern schon einmal beachtlich, als dass es ansonsten ja doch oft eher heißt: “Die Spielregeln sind so wie sie sind, die jungen Anwälte müssen sich da einfach erstmal durchbeißen. Wer dazu nicht bereit ist, den wollen wir hier auch nicht haben…”.

Die gesamte Studie hier zusammenzufassen würde ein bißchen zu weit gehen (die Ergebnisse können hier auch heruntergeladen werden), aber ein paar Highlights habe ich einmal herausgegriffen.

Grün drückt hierbei immer Zustimmung, orange Ablehnung des Statements aus. Es zeigt sich sehr deutlich, dass die Balance zwischen Arbeit und “dem übrigen Leben” als sehr wichtig wahrgenommen wird und dass die jungen Advokaten gern mehr Flexibilität bei der Organisation ihrer Arbeit hätten. Wohlgemerkt: es wurden hier ja junge Anwälte befragt, die bereits berufstätig sind, also ihre aktuellen Erfahrungen in ihrer Äußerungen einbeziehen konnten.

In eine ähnliche Richtung gehen auch die nächsten Befunde:

Die junge Generation wäre also durchaus willens und bereit, auf Einkommen zu verzichten, wenn die arbeitszeitliche Belastung reduziert würde. Dies wiederum soll aber bitte nicht als Anzeichen für geringere Motivation oder Ehrgeiz fehlinterpretiert werden. Auch zeigt sich, dass das in vielen Großkanzleien vorherrschende Bild, dass letztlich junge Anwälte danach streben, irgendwann einmal Partner zu werden (und deswegen “so einiges” mit sich machen lassen, nicht mehr unbedingt der Realität entspricht:

Auch zeigt sich, dass sowohl Individualität als auch Arbeitsteilung Dinge sind, die Millenials bei ihrer Arbeit wichtig sind. Also liebe Großkanzleien: 80 Stunden Akten schrubben im stillen Hinterzimmer, um am Ende mindestens sieben pro Tag “billen” zu können, ohne dabei jemals einen Mandanten und nur selten einen Kollegen zu sehen, ist sicher nicht für jeden das richtige… Möglicherweise laufen einem so auch die “Guten” weg, auf die man perspektivisch dann angewiesen ist.


Auch wenn es sicherlich so ist, dass sich beide Seite bewegen müssen und auch werden, so kommt hierbei aus meiner Sicht speziell auf die juristischen Großkanzleien eine große Herausforderung zu. Dort sind die Arbeitsmodelle oft recht hierarchisch organisiert (Junganwalt schreibt den Fachartikel, Partner veröffentlicht diesen in der Fachzeitschrift…), die Motivatoren eher extrinsisch (Gehalt, Status, Anzüge, Büros…) und die Erfolgsgrößen starr (“Billable Hours”). Alles Dinge, die sich nicht unbedingt mit dem sehr selbstbewussten Wertegerüst der Generation Y vertragen. Nicht die besten Voraussetzungen, zukünftig DER Employer of Choice zu sein…

Thema: Demografischer Wandel, Employer Branding | Kommentare (1)

CandidateReach – ein Klick und die Stellenanzeige erscheint auf fast 50 Jobportalen

Dienstag, 19. Juni 2012 12:33

Gestern habe ich ja auf den heutigen letzten Vorentscheid für den diesjährigen HR Innovation Slam hingewiesen. Einen der vier Kandiaten habe ich mir nun noch einmal etwas genauer angesehen – CandidateReach. Da jeder, der sich hierfür interessiert der Pitchpräsentation nachher im Rahmen eines Webinars beiwohnen und sich die CandidateReach Präsentation folglich selber anhören kann, fasse ich mich etwas kürzer als üblich…

Also: Was ist CandidateReach. CandidateReach richtet sich vorrangig an kleine und mittlere Unternehmen, also jene Firmen, die sich nicht aufgrund ihrer Größe, Bekanntheit und Arbeitgebermarke vorrangig auf ihre Karriere-Websites als Kommunikationskanal stützen können oder attraktive Rahmenvereinbarungen mit den großen Jobboards abschließen können. Die Funktionsweise ist recht simpel:

1. Stelleninfo eingeben

2. Veröffentlichen, wodurch das dann automatisch auf knapp 50 Jobportalen (wie etwa kimeta, jobrapido, trovit, der Jobbörse der Bundesagentur oder dem Heise Marktplatz) und wahlweise auch der eigenen Facebook Karrierepage erscheint.

Sehr charmanter und definitiv nicht zu unterschätzender Begleiteffekt: Die hohe Anzahl an Veröffentlichungen in kontextpassenden Umfeldern bewirkt gleichzeitig eine sehr gute Findbarkeit der Stellenanzeige bei Google. Auch dies ist wiederum ein Effekt, der insb. aus Sicht von KMU eine große Bedeutung haben dürfte, weil dort die Kommunikation offener Stellen sehr viel häufiger über “generische Begriffe” wie etwa eine Berufsbezeichnung (“Einkaufsleiter”) als über einen (bekannten) Firmennamen läuft.

Wie gesagt, wer es genauer wissen will sollte sich gleich online beim Slam einfinden. Ich finde aber CandidateReach ist sicherlich eine sehr sinnvolle Applikation.

Thema: Employer Branding, eRecruiting | Kommentare (1)

Letzter Vorentscheid zum HR Innovation Slam

Montag, 18. Juni 2012 11:08

Letztes Jahr schwappte die Welle erstmals durch die Szene als 2011 der erste HR Innovation Slam stattfand und mit dem Anbieter von Videointerview-Lösungen viasto auch einen würdigen Sieger fand. Doch der Reihe nach. Was ist der HR Innovation Slam?

Beim HR Innovation Slam werden der HR Community innovative Ideen, Projekte und Produkte für das Personalwesen vorgestellt. Die jeweils vier Teilnehmer eines HR Innovation Slam präsentieren ihre innovativen Konzepte in einem 10minütigen Beitrag in einem Webinar (“Slam”) und die HR Community stimmt live über die vorgestellten Innovationen ab. Gewinner ist, wer das Publikum begeistern und von seiner Innovationsleistung überzeugen kann.

Abgeleitet ist das Ganze dabei vom Konzept der Poetry Slams, bei denen jeweils im Sinne eines literatischen “Wettstreits” Dichter und Poeten gegeneinander antreten, um selbstverfasste Texte dem Publikum vorzustellen. Den Sieger kürt auch hier das Publikum. Beim HR Innovation Slam 2012 finden insg. drei Vorentscheide statt, bei denen jeweils vier Konzepte antreten, ihr Publikum in 10 Minuten überzeugen müssen und sich so für die Endrunde am 27. September (direkt auf der Zukunft Personal) qualifizieren können.

Morgen findet nun von 15.00 bis 16.00 der dritte und letzte Vorentscheid für 2012 statt. Anmelden kann man sich direkt über die HR Innovation Slam Seite. Antreten werden dabei folgende vier Innovationen:

1. Holger Schmitz (LEA Leadership Equity Association GmbH) und Christian Kaiser (DATEV eG): Leadership Branding – markenspezifische Führung am Beispiel der DATEV eG
2. Daria Mai (Forschungsprojekt CLIP der BiTS Iserlohn): Footbonaut – passend zur EM: Computeradaptive Leistungsdiagnostik im Profifußball
3. Wolfgang Brickwedde (Institute for Competitive Recruiting): CandidateReach – Stellenanzeigen mit einem Klick bei über 50 Jobportalen/Karriereseiten veröffentlichen
4. Wolgang Doerfler (DDI Deutschland GmbH): Manager Ready – ein virtuelles Assessment/Development Center für Führungskompetenzen

Wolfgang Brickwedde vom ICR ist ja unser Co-Veranstalter beim diesjährigen CYQUEST Praxisseminar – der “Recruiting2013″. Über CandidateReach werde ich daher sicher noch einmal gesondert etwas bloggen. Auch spannend – das ist ja auch eines der zentralen CYQUEST Themen – das virtuelle Assessment Manager Ready. Auch sicherlich nochmal ein Thema für den Recrutainment Blog. Wer es aus erster Hand hören will, der erscheine morgen – zumindest virtuell – beim HR Innvovation Slam…

Thema: eAssessment, Employer Branding, eRecruiting, Vorträge und Veranstaltungen | Kommentare (0)

Fundstück zum Wochenende: “Trojanisches” Personalmarketing via Lorem Ipsum von Jung von Matt

Freitag, 15. Juni 2012 8:52

Zugegeben, die Aktion ist nicht brandneu, sondern geisterte schon Anfang des Jahres durch die “Social Media Brühwarm”. Das macht sie aber nicht schlechter, denn ich finde es steckt sehr viel “Food for Thought” in der Idee.

Worum geht es? Die berühmte Hamburger Werbeagentur verwendete die Blindtext-Site Lipsum.com für eine – um mal 70er Sprech zu bemühen – “pfiffige” Personalmarketing-Idee. Lipsum.com ist eine Website, auf der Grafiker sich Dummytext in beliebiger Länge erstellen lassen können, um diesen in der Gestaltungsphase in Anzeigen- oder andere Gestaltungsentwürfe einzufügen. Die Website wird weltweit von ca. 50.000 Kreativen täglich aufgesucht. Jung von Matt schmuggelte hier nun eine Art Trojanisches Pferd ein (was ja zufälligerweise auch das Logo des Unternehmen darstellt). Wenn ein Kreativer sich über Lipsum.com seinen Blindtext generiert hatte und diesen in seinen Gestaltungsentwurf einfügte, erschien zunächst ein englischsprachiger Jobanzeigen-Text von JvM, der auf eine Karriere-Landingpage des Unternehmens verwies.

Und der Erfolg? Mehr als 220.000 Mal wurde das Jobangebot in die Anzeigen kopiert, 14.000 Mal die Karriere-Landigpage aufgerufen. Ich weiß nicht, wieviele Bewerbungen und Hires dann letztlich aus der Aktion resultierten (was ja eh immer nicht so einfach singulär zuzuordnen ist), aber diese reinen Trafficzahlen sind gemessen an typischen Reichweiten von Personalmarketing-Maßnahme sicherlich schon substantiell. Bei der durch das besondere Umfeld bereits sehr stark vorselektierten Zielgruppe und der Tatsache, dass der enthaltene Link zur Karriere-Landigpage ja sehr offensichtlich als Personalmarketing-Instrument zu erkennen ist, lässt sich ableiten, dass jeder diese Seite aufgerufen hat zumindest auch latent ein Interesse daran hatte. Mich würde also eine gute Conversion in tatsächliche Einstellungen nicht wundern.

Insofern ist die Aktion ein sehr gutes Beispiel dafür, dass man kreativ und sehr gezielt seine Zielgruppen erreichen kann, wenn man “seine Pappenheimer” kennt. Mir war die Website Lipsum.com bislang nämlich unbekannt, aber naja, die Gestaltung liegt bei CYQUEST zum Glück auch nicht in meinen Händen… ;-) Ich musste in diesem Zusammenhang an die Aktion von Siemens vor ein paar Jahren denken, bei der das Unternehmen zur Gewinnung von Signaltechnikern Job-Anzeigen auf Websites schaltete, die sich mit dem Thema “Modelleisenbahn” befassen…

Hier ist die Aktion von JvM noch einmal in Videoform (für die Lean-Backer unter uns…) erklärt. Ein schönes Wochenende!

Thema: Employer Branding, eRecruiting, Social Media HR | Kommentare (0)

Rekrutierung über formularbasierte Bewerbungssysteme – ein Gastbeitrag von Doris Brenner

Donnerstag, 14. Juni 2012 10:21

Das erste Mal in Kontakt mit Doris Brenner kam ich 2005 als ich zufällig über eine Erwähnung von CYQUEST in ihrem Buch “Assessment Center” stolperte. Sie ist freie Beraterin mit den Schwerpunkten Personalentwicklung und Karriereberatung sowie Autorin zahlreicher Publikationen zu den Themen Bewerbung, Testverfahren, Assessment-Center, Berufsplanung und Arbeitstechniken mit einer Gesamtauflage von bislang über 600.000 Exemplaren. Auch veröffentlicht sie regelmäßige Artikel für die “Beruf und Chance” Seite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sowie im HR-Magazin von monster.

Im Zusammenhang mit der Fachtagung “Recruiting2013″, die wir am 19. September in Hamburg veranstalten, kamen wir nun wieder ins Gespräch, wobei die Idee für diesen Gastbeitrag aufkam. Sie nimmt sich dabei das Thema “formularbasierte Bewerbungssysteme” bzw. Bewerbermanagement-Systeme vor und erläutert deren Fürs und Widers. Das passt zum einen sehr gut zu einem der Schwerpunktthemen der Tagung – so wird ja beispielsweise Christian Heinen, Head of HR Management bei Nordex explizit auf professionelles Bewerbermanagement und den Wandel von der Papier- zur elektronischen Bewerbung eingehen – zum anderen unterstreicht Doris Brenner einen Aspekt sehr deutlich, der auch bei unseren Online-Assessments immer eine große Rolle spielt: “Vom Nutzer denken, nicht vom System…!” Aber ich will dem Gastbeitrag natürlich nicht allzusehr vorgreifen, also liebe Frau Brenner, Ihre Bühne…

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Bewerberportale sind im Trend – fast jedes Unternehmen versucht auf seiner Webpage alle Bewerbungsaktivitäten zu bündeln und damit einen standardisierten Prozess zu erzielen. Oft heißt es: “Bitte bewerben Sie sich ausschließlich über unser Bewerberportal”.

Sicherlich spricht vieles für Bewerberportale. Wenn Bewerber auf vorgegebenen Masken ihre Daten eingeben, spart das im Unternehmen Ressourcen und damit Kosten. Dies gilt besonders dann, wenn mit einer großen Zahl an Bewerbungen zu rechnen ist und damit Masse bewältigt werden muss. Wir können als firmenseitiger Nutzer ganz gezielt die gewünschten Informationen abfragen und verfügen mit der Bewerberdatenbank über einen Pool an Kandidaten, auf den der HR-Bereich wie auch die Fachabteilungen datenbankgestützt zeitlich zugreifen können. Das bietet auch die Chance, den Rekrutierungsprozess deutlich zu beschleunigen.

Kostensparend und zielgenau

Mittels Key-Wörter lassen sich Kandidatenprofile gezielt suchen und vorselektieren und auch das gesamte Bewerbermanagement von der Eingangsbestätigung bis zur Einladung zum Gespräch quasi auf Knopfdruck steuern. Das klingt doch eigentlich perfekt. Zumindest die Controller machen uns das glauben, schließlich lässt sich so der Key Performance Indikator (KPI) “Kosten pro Bewerbung” deutlich verbessern.

Bewerber sind oft unzufrieden

Doch wie so oft im Leben hat auch diese Entwicklung ihren Preis. Fragt man Bewerber  – und diese sind schließlich die Kunden im System-, so fällt das Urteil über die standardisierten Bewerberplattformen der Unternehmen deutlich schlechter aus. Kompliziert, benutzerunfreundlich und aufwendig sind Begriffe, die dabei häufig fallen. Es wird bemängelt, dass oftmals während der Eingabe der Daten, das System abstürzt und man wieder von vorne beginnen muss. Ein besonderer Kritikpunkt liegt in der Tatsache, dass Bewerber häufig ihre kompletten Daten des Lebenslaufs einzeln eingeben müssen und keine Möglichkeit besteht, diesen einfach hoch zu laden.

Individualität nicht gefragt

Bewerberportale bieten aufgrund der Standardisierung oft wenig Freiraum für Individualität. Es bleibt wenig Raum für die persönliche Gestaltung der Bewerbung, die durchaus einen Aussagegehalt im Rahmen der Vorselektion haben kann. Gerade in kreativen Berufsfeldern kann dies ein entscheidendes Kriterium sein, das verloren geht. Häufig sehen Bewerber in den Standardformularen keine Möglichkeit ihre spezifischen Qualifikationen richtig unterzubringen, weil entsprechende Eingabefelder fehlen. Insbesondere ausländische Bewerber tun sich hier oftmals schwer ihren Werdegang und die damit verbundenen Qualifikationen einzugeben, da das System diese nicht vorsieht.

Auf Kundenfreundlichkeit achten

Im Zuge der immer stärkeren Prozessorientierung und des Kostendrucks gilt es auch im Bewerbermanagement entsprechende Potenziale zu nutzen und Skaleneffekte zu erzielen. Es ist allerdings wichtig darauf zu achten, dass das System dem eigentlichen Zweck nicht zuwiderläuft und kontraproduktiv wird.

High-Potentials meiden Bewerberportale

Oberstes Rekrutierungsziel ist es, gute Bewerber für das Unternehmen zu gewinnen. Dies bedeutet, dass diese Zielgruppe sich auch angesprochen fühlen muss und eine Bewerbung platziert. Es zeigt sich jedoch, dass gerade überdurchschnittliche Bewerber nicht bereit sind, sich über benutzerunfreundliche und zeitaufwendig zu bearbeitende Bewerbungsmasken einem Unternehmen als Kandidaten zu präsentieren.

Arbeitsaufwand für Kandidaten minimieren

In einem bewerberfreundlichen Arbeitsmarkt, der derzeit eine Vielzahl an Stellenangeboten bietet, werden Unternehmen das Nachsehen haben, deren Rekrutierungsprozess beim Nutzer nur Ärger verursacht. Der Köder muss eben dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Ein wichtiger Aspekt dabei ist beispielsweise der Einsatz von intelligenten Systemen. Diese ermöglichen es dem Bewerber seinen kompletten Lebenslauf hoch zu laden, bevor die Daten werden dann in entsprechende Datenbankstrukturen des Unternehmens überführt werden.

Freiräume gewähren

Bewerber sollten über freie Textformate die Möglichkeit bekommen,  zusätzliche Informationen einstellen zu können. Dies ist besonders dann wichtig, wenn neben Mainstream-Kandidaten auch interessante Quereinsteiger gewonnen werden sollen, die sich ansonsten mit ihren individuellen Profilen und Vorzügen nicht sichtbar machen können. So gelingt es neben dem Datensatz auch noch ein persönliches Bewerberprofil erkennen zu können.

Unterschiedliche Portale für unterschiedliche Zielgruppen

Wer allen Bewerber-Zielgruppen die gleichen Bewerbungsmasken vorgibt, kann die spezifischen Besonderheiten kaum abdecken. Das Profil eines Berufsstarters unterscheidet sich doch deutlich von dem eines Professionals. So berichtete ein Student, der sich auf ein Praktikum bewerben wollte, wie das System seine Bewerbung nicht annahm, weil er im Pflichtfeld “bisheriges Jahreseinkommen inkl. Sonderzahlungen” keine Angaben machen konnte.

Alternative Bewerbungswege zulassen

Auch wenn es aus Unternehmenssicht wünschenswert ist, alle Bewerbungen über ein Bewerberportal elektronisch zu erhalten, sollte doch zumindest die Möglichkeit bestehen auch über andere Wege eine Bewerbung platzieren zu können. Wer hier schriftliche Bewerbungen oder E-Mail-Bewerbungen mit dem Vermerk: “Bitte bewerben Sie sich ausschließlich über unser Bewerberportal” abweist, wie es teilweise in der Praxis derzeit erfolgt, riskiert im Wettbewerb um gute Kandidaten mittelfristig das Nachsehen zu haben. Dies gilt ganz besonders für die Zielgruppe der qualifizierten gehobenen Fach- und Führungskräfte mittleren Alters, die eine deutlich geringere Affinität gegenüber Online-Portalen zeigen als die Generationen x und y, der 20- bis 40jährigen.

Die Balance finden

Es ist also noch viel zu tun, um eine optimale Balance zwischen Kostenbewusstsein und individueller Bewerberfreundlichkeit zu finden. Dabei spielt die Frage, wer Kandidaten persönlich anspricht und sich an deren Bewerbungspräferenzen orientiert eine wichtige Rolle. Am Ende zählt der Erfolg – und den haben Unternehmen, welche die besten Kandidaten für sich gewinnen können, ob über Bewerberportal oder andere Wege.

Thema: eAssessment, eRecruiting | Kommentare (2)